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2007-10-04 Romankritik:
Irritation im Land am Meer

Marcus Brauns verrätselter Roman "Armor": Ein Parcours aus gewollten Banalitäten und Weisheits-Ergüssen über Liebe, Sex, Eifersucht, Hass und Phlegma
 

ape.
Die Irritationen beginnen  beim Buchdeckel. Der zeigt eine schöne Nackte graziös zusammengerollt am Strand. Über das Schwarz-weiß-Foto ist flammend rot der Titel von Marcus Brauns Roman gedruckt: „Armor“. Ein Schreibfehler, gleich vorne drauf? Schließlich buchstabiert sich der Liebesgott nur mit einem „r“: Amor. Und um Liebe geht es in diesem Buch, verrät bereits der Klappentext.
 
Dem Suhrkamp-Verlag mag man solche Schludrigkeit nicht zutrauen, also forschten wir nach dem Wort Armor und fanden den keltischen Verwandten „ar mor“. Das bedeutet „Land am Meer“ und macht in Bezug auf den Roman durchaus Sinn: Das junge Paar Fabien und Kate erlebt eine tragische Liebesgeschichte im Urlaub an der französischen Atlantikküste.

Jemand hat ihnen von einer Brücke aus einen Stein in die Windschutzscheibe des fahrenden Autos geschmissen. Leiblich haben die beiden Glück, werden unversehrt von einer Isabell aufgelesen und im Strandbungalow von deren Ehemann Jacques einquartiert. Kate ist jung, schön, sexy, Isabell desgleichen. Fabien ist jung, etwas abgedreht, nachher mit einer von Seeigelstacheln verursachten Entzündung im Fuß erheblich durch den Wind. Jacques ist ältlich, reich, geheimnisvoll. Eine Konstellation, die nach wahlverwandtschaftlicher Verwirrung ruft. Die auch bekommt, mit üblem Ausgang: Kate verlässt Fabien, um sich mit Jacques zu liieren, der da allerdings schon mit einer Hacke erschlagen ward.

Zeitgleich macht sich Isabelle mit jemandem aus dem Staub. Das könnte Arnaud sein, ihr früherer Partner und Jacques Sohn – offiziell vor Jahresfrist ertrunken, vielleicht auch vom Vater oder von Isabell ermordet. Möglichkeiten geistern vage durch den Roman, niemand weiß Genaues, am Ende auch der Leser nicht. Was „Armor“  kaum schadet. Denn zwar geriert sich das Buch im Schlussteil wie ein Krimi, bleibt dann aber doch ein Stück surrealer Literatur.

Eben das darf von Marcus Braun auch erwartet werden. Der 1971 in Bullay an der Mosel geborene, heute in Berlin lebende Autor hatte sich  bereits mit seinen ersten Romanen „Delhi“ (1999) und „Nadiana“ (2000) als Freund, fast möchte man sagen: Meister der Verrätselung in die überregionale literarische Szene eingeführt. Fielen die Vorgänger durch labyrinthisch verzweigte Handlungsstränge auf, so präsentiert „Armor“ eine vergleichsweise klare Story, deren Rätselcharakter vornehmlich von der Erzählweise herrührt.

Dialoge, die kaum dem Zweck der Kommunkation dienen; innere Monologe , die keine Gedankenklärung zum Ziel haben; Assoziationsketten, die nirgends hinführen. Das alles in einer Tonlage der Beiläufigkeit, wie sie sich nach zwei durchgefeierten Nächten einstellt, wenn das Hirn weder Denken noch Mitmenschen richtig fixieren kann. Das alles auch rasant und rabiat geschnitten, wie  im zeitgenössischen Kino, auf das im Buch nicht nur Fabien sich immer wieder bezieht.

Diese Art des Erzählens fast nach Roadmovie-Manier  muss man mögen, Brauns  Fahrt über einen Parcours aus gewollten Banalitäten und Weisheits-Ergüssen, aus Verwirrungen zwischen Liebe, Sex, Eifersucht, Hass, Phlegma und Rätselraten  aushalten. Dann kann die Lektüre zum anregend irritierenden Streifzug durch die Verworrenheit des Denkens, Empfindens, Handelns und Verharrens während jenes Urlaubs im Land am Meer werden.                                                                                                Andreas Pecht


Marcus Braun: Armor. Suhrkamp, 188 Seiten, 17.80 Euro

(Erstabdruck am 05.10.2007)
 
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