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2007-10-11a Kommentar:
Nach Philip Roth ist Doris Lessing
eine gute Wahl


Zum Literatur-Nobelpreis 2007
 
ape. Es reiben sich Auguren wie Publikum verdutzt die Augen. Nicht, weil der Literatur-Nobelpreis mal wieder an einen weithin unbekannten Autor gegangen wäre. Sondern, weil jeder die jetzige Preisträgerin kennt – aber keiner Doris Lessing auf der Rechnung hatte. Nicht mehr, muss man sagen: Denn noch vor 20, 30 Jahren wäre die Stockholmer Entscheidung für die Britin ohne Erstaunen aufgenommen worden. Damals waren die Werke ihrer ersten Phase noch präsent, von „Afrikanische Tragödie“ über „Das goldene Notizbuch“ bis zur Reihe „Kinder der Gewalt“. Engagierte Literatur von Rang, wider den Rassismus und für Frauen-Emanzipation.


Marcel Reich-Ranickis Geknurre, die angelsächsische Welt besitze „wichtigere Schriftsteller“ als Frau Lessing, rührt wohl auch vom Befremden gegenüber der mittleren und späten Phase von deren Oeuvre. Dass die Autorin ihre Befragung menschlicher Gesellschaft da teils in Science-Fiction-Form goss, hat manchen Literaturfreund arg irritiert. „Ben in der Welt“  oder „Mara und Dann“ etwa, beide Romane sind nach der Jahrtausendwende erschienen, stießen bei vielen Kritikern auf wenig Gegenliebe. Dabei handelt es sich um gescheite wie spannende Bücher. Ersteres lässt unsere kalte Zivilisation auf einen instinktgepägten Urmenschen los, Letzteres zwei Kinder in einer von Klimawandel barbarisierten Welt ums Überleben kämpfen.


Dds ist kaum der Stoff, um den sich germanistische Hauptseminare drängeln. Lessing kümmert sich nicht um literarische Formstandards, erst recht nicht um Moden. „Sie macht ihr Ding“, so eine Verleger treffend. Dieses Ding indes stellt allemal eine sehr kritische und sehr nachdenklich stimmende, sprachmächtige und amtosphärisch intensive Auseinandersetzung mit der Welt nebst ihren eigentümlichen Bewohnern dar. Dass die Autorin bisweilen auch eine Neigung zur Langatmigkeit hat, sei hier nicht verschwiegen. Dennoch ist es ehrenwert, Doris Lessing zu würdigen, auch ihr frühes Werk wieder ins Gedächtnis zu rufen.


Rechtfertigt das schon den Literatur-Nobelpreis? Es gab in den letzten Jahren andere Entscheidungen, bei denen Zustimmung wesentlich schwerer fiel. Man denke an Elfriede Jelinek. In diesem Jahr führt allerdings der Hinweis auf die angelsächsische Konkurrenz, auf John Updike und Philip Roth, zu nachdenklichem Zögern. Vor allem Roth wurde – gerade seit Erscheinen seines grandiosen Romans „Der menschliche Makel“ 2002 – mehrfach zurecht als wichtigster Aspirant für den Preis gehandelt. Ihm hätte er, meine ich, zuerst gebührt. Gleich dahinter ist Doris Lessing freilich ein gute Wahl. Eine Wahl auch, die neuerlich unterstreicht, dass für die Nobelpreis-Akademie Literatur eine Instanz künstlerischer Reflexion über Welt und Mensch sein muss. Und das ist auf jeden Fall ein richtiges Signal in dieser Zeit.                                                             Andreas Pecht



 (Erstabdruck 12. Oktober 2007)
 
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