Kritiken Theater
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2007-11-03 Theaterkritik:  
Liebeswirren im Schwimmbad


Corinna von Rad macht am Schauspiel Frankfurt
aus Shakespeares „Was ihr wollt“ eine Farce

 
ape. Frankfurt. Zum Ende sitzt die ganze Bagage aufgereiht wie Spatzen am Rampenrand. Auf dass jeder mit jedem eine Paarungsmöglichkeit darstelle, wechseln sie dort fortwährend die Plätze. Das Schlussbild als treffendes Sinnbild für die allweil aktuelle Essenz der Komödie „Was ihr wollt“ – von William Shakespeare so um 1601 verfasst, von Corinna von Rad jetzt am großen Frankfurter Schauspiel in die Gegenwart hineininszeniert.

 
Wenn bei Shakespeare das Wort „Love“ auftaucht, sind Übersetzer, Leser, Regisseure, Theaterbesucher gut beraten, Liebe stets in unverbrüchlicher Einheit mit Lust, mit Fleischeslust, zu denken. Minnigliche Reinheit oder anderweitige Purismen sind des englischen Dichters Sache nicht. Dazu tritt er den Menschen zu nahe, bei ihren Macht- wie ihren Liebesspielen. Kaum ein Abgrund, den Shakespeare  nicht  schon Jahrhunderte vor Sigmund Freud ausgelotet hätte.

Simple Verkleidung

Was im „Sommernachtstraum“ der Puck mittels zauberischen Liebestropfen stiftet oder anrichtet, nimmt in „Was ihr wollt“ dank simpler Verkleidung seinen Lauf: freies Verwirrspiel des Begehrens. Mädchen Viola verkleidet sich zu Cesario. Dieser erschreckt den Herzog Orsino, weil der im Reiz des jungen Mannes die Frau nicht erkennt. Aus eben demselben Grund entzückt Cesario die ursprünglich von Orsino heftig umworbene Gräfin Olivia. Eine profane Maskerade reißt  die Geschlechtergrenzen nieder, weist vermeintlicher Natürlichkeit die Rolle bloßer Konvention zu.

Illyrien, das Fantasieland des Originals, nimmt auf Ralf Käselaus Bühne die Form eines maroden Freibades unserer Tage an. Ein zum Stück durchaus passender Ort, insofern Körperlichkeit und zugleich öffentliche Geselligkeit  dort institutionelle Heimstatt haben. Illuster das Personal, das sich zwecks Sonnenbad, fröhlicher Trinkerei, hippieeskem Happening und allfälligem Geschlechterscharwenzel da herumdrückt.

Anderes haben diese Leute nicht zu schaffen, egal ob Bedienstete oder Herrschaft. Weshalb man sie nicht für voll nehmen kann und nach Lesart der Regie wohl auch nicht soll. Christian Kuchenbuch gibt den rastazöpfigen Herzog als flippigen Schwärmer. Olivia Grigolli die Gräfin  als abgedrehte Diva mit Kreischneigung. Die niederen Chargen umschwirren als rüde-depperte Clique die schrille Badenymphe Maria (Georgia Stahl). Und Oliver Kraushaar  erspielt sich mit einem erst steifen, nachher in gelben Strümpfen grinsgesichtig auftrumpfenden Malvolio Extrapplaus.

Rumpelnde Comedy

Anfangs liegt der Abend völlig in Händen der famosen Sandra Bayrhammer, deren Viola/Cesario eine Art stilles Staunen über die Möglichkeiten von Liebesverwirrungen verströmt. Mit fortschreitender Dauer nimmt die Inszenierung den Begriff Komödie nach neuzeitlicher Mode beim Wort: Die Aufführung mutiert zur Farce, zum lauthals kalauernden, quietschenden, rumpelnden Comedy-Sketch mit Überlänge. Verboten ist das nicht, aber dem Stück auch nicht zuträglich. Dessen raffinierte Spannung zwischen verwirrtem Liebesstöhnen im hohen Gesellschaftston und niederem Komödiantentum leidet, wenn sämtliche Protagonisten sich nur noch krachledern aufführen. ⋌Andreas Pecht

(Erstabdruck 5. November 07)
 
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