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2007-12-27 Feature:
Zwischen Grünem Hügel
und Deutschem Eck

Richard-Wagner-Verband Koblenz: Kein Fanclub, sondern
ein rühriger Kulturverein mit breitem Spektrum

 
ape. Besuch bei Odina Diephaus. Anlass des Besuches: Nur mal plaudern über den Richard-Wagner-Verband-Koblenz e.V. An dessen Spitze hat die Besuchte im März 2007 Erich Evertz als Vereinsvorsitzenden abgelöst. Ein einvernehmlicher Generationenwechsel – Evertz wurde nach 17 rührig-verdienstvollen Vorstands-Jahren zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Am Gespräch nimmt eine weitere Dame teil: Edda Dörr, Schriftführerin des Vereins und jüngst verstärkt mit der Aufarbeitung von dessen Geschichte befasst. Von ihr der Hinweis auf ein am Horizont sich abzeichnendes Jubiläum: Der Koblenzer Wagner-Verband kann 2009 seinen 75. Geburtstag feiern.
 

Man frage einmal Unkundige am Mittelrhein, was sie mit dem Begriff Richard-Wagner-Verband Koblenz verbinden. Viele Antworten liegen schief. Im Laufe dieses Gespräches purzeln die Missverständnisse reihenweise. Nein, es handelt sich bei dem Verband nicht um einen elitären Klüngel eingefleischter Wagnerianer. Mit rund 300 Mitgliedern ist der Verein, erstens, kein ganz kleiner. Zweitens kann mitmachen, wer will – unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft oder Ausprägung der persönlichen Liebe zur Wagnerschen Musik. Nein, der Verein ist auch keine Gemeinschaft zur Verehrung von Richard Wagner (1813 – 1883), und das Vereinsleben dreht sich keineswegs ausschließlich um Leben und Werk des Meisters von Bayreuth.

Der Blick aufs Programm des Koblenzer Verbandes für die laufende Saison 2007/08 macht ein wesentlich breiteres Interessensspektrum deutlich. Es hat gemeinsame Besuche gegeben etwa von Händels „Giulio Cesare“ in der Oper Köln, von Scarlattis dramatischem Oratorium „La Giuditta“ am Staatstheater Mainz. Eben geht eine Fahrt zu Verdis „Simon Boccanegra“ an die Oper Frankfurt. Zur Welt der Oper kommen Bonbons des klassischen Konzertlebens. Beispielsweise im Februar das Gastspiel der Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle in Frankfurts Alter Oper oder im April der Auftritt der Wiener Philharmoniker unter Ricardo Muti in Kölns Philharmonie. Das ganze weite Feld klassischer Musikkultur ist im Besuchsprogramm des Koblenzer Wagner-Verbandes vertreten – das die besondere Lage von Koblenz zwischen den kulturellen Metropolräumen Köln/Bonn und Rhein-Main offensiv zu nutzen weiß.

Und noch ein Missverständnis gilt es, zu beseitigen: Nein, das Angebot konzentriert sich nicht auf uralte Stoffe und konservative Macharten. Für Ende Januar organisiert der Vorstand eine Fahrt zu Korngolds „Die tote Stadt“ an der Oper Bonn. Im März folgt eine Visite bei Martin Schläpfers neoklassischem ballettmainz, danach im Arpil ein Besuch von Hans Werner Henzes Konzertoper „Phaedra“ in der Inszenierung von Peter Mussbach wieder in Frankfurt.  Alle drei Unternehmungen sind Beispiele dafür: Mögen die Reisegruppen dann schon mal etwas kleiner ausfallen, so gehören Begegnung und Auseinandersetzung auch mit jüngeren und zeitgenössischen Handschriften auf Opernbühne und Konzertpodium doch zum Selbstverständnis des Vereins. Das war bereits unter der Ägide von Evertz so, das gilt unter dem jetzigen Vorstand weiter. 

Kein Wagner weit und breit? Das wäre nun ein Missverständnis im anderen Extrem. Denn natürlich nimmt Richard Wagner beim Wagner-Verband eine herausgehobene Position ein. „Götterdämmerung“ und „Parzifal“ in Erl/Tirol, „Tristan und Isolde“ in Essen, Gastkonzert des Bayreuther Festspielorchesters in Luxemburg, „Walküre“ in Trier – das waren die  Wagner-Höhepunkte im Reise-Programm des Koblenzer Verbandes allein während der zurückliegenden sechs Monate. Für die zweite Spielzeithälfte kündigen sich an: „Tannhäuser“ in der Oper Köln und im Rahmen einer viertägigen Kulturreise gen Osten „Parsifal“ in Dessau sowie „Tannhäuser“ in der Dresdner Semper-Oper. Wagner reichlich, aber eben bei weitem nicht nur.

Und Bayreuth, das Mekka der Wagner-Welt? Hier fällt nun ein letztes Missverständnis: Nein, die Mitgliedschaft im Wagner-Verband bringt keine Privilegierung bei der Verteilung von Eintrittskarten für die Festspiele auf dem Grünen Hügel mit sich. Auch Vereinsmitglieder müssen die jeweils mehrjährigen Wartezeiten geduldig absitzen. Eine einzige Gruppe ist von diesem langwierigen Procedere ausgenommen: Jährlich sechs junge Stipendiaten aus der Region, die der Koblenzer Verband auf seine Rechnung zu den Bayreuther Festspielen entsendet. Auf dass die Talente aus Musik und Bühnenschaffen am Erleben der dortigen Aufführungen nebst speziellem Begleitprogramm reifen.

Die in jeder Runde mit neuen Nachwuchskräften besetzte Gesandtschaft vom Mittelrhein trifft in Bayreuth auf 250 weitere Stipendiaten aus aller Herren Länder. Dieses Förderprogramm geht noch auf eine Initiative von Richard Wagner selbst zurück. Ursprünglich hatte der Komponist seine Festspiele generell eintrittsfrei für alles Volk öffnen wollen. Von diesem noblen, aber finanziell leider nicht realisierbaren Gedanken, blieb die 1882 von Wagner auf den Weg gebrachte Richard-Wagner-Stipendiatenstiftung als Patronage für „tüchtige Freunde meiner Kunst“, denen es an den nötigen Mitteln für einen Besuch auf dem Grünen Hügel mangelt. Die Stiftung wird heute wesentlich getragen vom internationalen Dachverband der weltweit 150 Wagner-Vereine mit rund 37000 Mitgliedern, zu denen auch derjenige in Koblenz gehört.

Interessanterweise geht dieser Dachverband auf eine reine Frauen-Initiative zurück. Mit dem Wohlwollen von Richard Wagners Witwe Cosima ausgestattet, gründete 1909 die Leipziger Musiklehrerin Anna Held den „Richard-Wagner-Verband deutscher Frauen“. Hauptzweck der Operation war, aus Beiträgen und Spenden Wagners Patronats-Initiative dauerhaft mit dem nötigen Geld zu versorgen. Eine Frauen-Initiative war auch die Gründung des Koblenzer Wagner-Verbandes: Carola Hasslacher, Gattin eines Firmenleiters im Hause Deinhard, ergriff 1934 die Initiative und hob mit damals 22 Mitstreitern den Verein aus der Taufe. Bei der Neugründung nach dem Krieg verschwand dann der Zusatz „deutscher Frauen“ aus dem Namen und nicht nur der Koblenzer Verband öffnete sich ausdrücklich auch den Männern.

Regelmäßig entsendet Koblenz also sechs Stipendiaten zu den Bayreuther Festspielen. Kommen die jungen Damen und Herrn zurück, geben sie ebenso regelmäßig eine Dankeschön-Konzert. Dies ist alljährlich ein zentraler Programmpunkt bei den örtlichen Aktivitäten des Vereins. Dazu gehört der gesellige Koblenzer Wagner-Treff jeden Monat. Dazu gehören zwei bis drei kleine, feine Konzerte sowie interessante  Vortragsveranstaltungen; so am 19. Januar zum Thema „Der Einfluss des Buddhismus auf das Werk Richard Wagners“. Und wenn die Vereinskasse es hergibt, werden gelegentlich lobenswerte Kunstinitiativen mit einem Obulus bedacht.

Das alles ist auch: heimisches Bürger-Engagement im Sinne einer der statuarischen Zielsetzungen des Koblenzer Verbandes, „das kulturelle Leben der Region mit zu gestalten“. Und wie sieht die Zukunft am Ort aus? Die Planungen für das Jubiläumsjahr 2009 nehmen Gestalt an, sagt Odina Diephaus. Die Arbeiten an einer Vereinschronik machen gute Fortschritte, erklärt Edda Dörr. Und beide meinen: Auch wenn der Koblenzer Verband nicht gerade ein Jugendclub ist, so habe er doch nicht mit jener Besorgnis erregenden Überalterung zu kämpfen, die manchen Bereich der klassischen Musikwelt vor schier existenzielle Nöte stellt. Erfreulich.                                                           Andreas Pecht

Infos/Kontakt:  0261/7 76 94;  www.richard-wagner-verband-koblenz.de


(Erstabdruck 52. Woche 2007)


 
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