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2008-01-18 Feature:
Jugend-Offensive der
rheinland-pfälzischen Orchester

Aktionswoche dokumentiert innovative Programme
in Kaiserslautern, Ludwigshafen, Mainz, Koblenz und Trier
 
ape. Rheinland-Pfalz.  Das Publikum für klassische Musik überaltert, stirbt regelrecht weg. Der verbreitete Befund ist zwar überspitzt, spricht aber ein reales Problem an. Dem wollen die rheinland-pfälzischen Orchester nicht tatenlos zusehen, weshalb in den letzten Jahren ihr Kinder- und Jugendengagement fast explosionsartig zunimmt. Mit einer gemeinsamen Aktionswoche unter dem Motto „Klassik! Kommt! Gut!“ soll diese Jugend-Offensive stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert werden.
 
Die Deutsche Staatsphilharmonie in Ludwigshafen spielt den ersten Satz von Mozarts Klarinettenkonzert. Ein Stimmchen kräht munter dazwischen; ein Dreikäsehoch, der gerade eben laufen kann, erkundet die Pulte der Celli; ein Baby schafft es krabbelnd immerhin bis zum Dirigentenhochsitz. Ein derart spezielles Publikum sieht man bei Klassikkonzerten in Rheinland-Pfalz sonst nie: Schwangere und junge Mütter in großer Zahl, vereinzelt auch Väter - dazu auf Schößen und Armen, unter Stühlen oder auf Decken jede Menge Babys und Kleinkinder.

Diese erstaunliche Szenerie gehört zur wohl ungewöhnlichsten unter den vielen ungewöhnlichen Initiativen, die die aktuelle Jugend-Offensive der Orchester im Land kennzeichnen. Die „Konzerte für Schwangere und Stillende“ sind bei der Staatsphilharmonie Teil eines umfangreichen Konzert- und Mitmachprogramms, das sich unter der Devise „Listen to Our Future“ gezielt an Kinder und Jugendliche wendet. Die Ludwigshafener wurden dafür eben bei der Vorstellung der rheinland-pfälzischen Aktionswoche „Klassik! Kommt! Gut!“ in ihrem Stammhaus von der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Die von Kulturministerin Doris Ahnen gestartete Aktionswoche (bis 31. Januar) verdeutlicht, dass Kinder- und Jugendengagement nicht nur in Ludwigshafen beim größten Landesorchester - mit dem einzigen hauptamtlichen Orchesterpädagogen - eine Heimstatt hat. Ob in Kaiserlautern, Mainz, Koblenz oder Trier, der Anteil entsprechender Aktivitäten in den Programmen nimmt sprunghaft zu. Das Staatsorchester Mainz etwa weist für die laufende Saison allein acht Jugend- und sieben Kinderkonzerte aus. Dazu kommen diverse Workshops im Orchester wie im Opernbereich, betreute Besuche von Schüler- und Kindergartengruppen bei Orchesterproben sowie umgekehrt Besuche von Orchester oder Unterensembles in Schulen und Kindergärten.

Und an keinem Standort musste jemand von oben sagen. „Macht Jugendarbeit!“ Die Anstöße gingen überall meist von Musikern selbst, von Dramaturgen oder in Kaiserlautern und Trier auch Theaterschaffenden aus. Die gesamte Jugend-Offensive wird  bis jetzt überwiegend ehrenamtlich nebenher geleistet. In Trier wurde die Solohornistin von den Orchesterkollegen zur „Schulbeauftragten“ erklärt. In Mainz nahm sich ein Soloklarinettist der Sache an. Beim Staatsorchester Rheinische Philharmonie in Koblenz wirken Orchesterdirektion und die Selbstorganisation der Musiker zusammen.

Dort stehen für die laufende Saison nicht nur zehn Kinderkonzerte ganz unterschiedlichen Zuschnitts auf dem Plan. Daneben schwärmen sieben Kleinensembles regelmäßig zu Schulbesuchen aus. Ein Holzbläser-Duo macht das seit acht Jahren und konnte eben nach rund 280 „Musikalischen Klassenzimmern“ spielend, singend, tanzend, klatschend den 13000. Schüler in die Geheimnisse von Fagott, Querflöte und übriger Orchesterwelt einweihen.

Mitmach-Proben, Malen nach Tönen, Künstler und Instrumente zum Anfassen, kindgemäße Konzerte mit Erzähler oder szenischem Spiel, Krabbelstube hinterm Dirigentenpult, arbeitslose Jugendliche tanzend vor dem Konzertpodium… „Auf die sinnliche Erfahrung kommt es an“, sagt Generalintendant Rainer Neumann. Dann verschwinden die Schwellenängste, wird Klassik als „geil“ erlebt, wächst hier das Konzertpublikum der Zukunft heran. Mehr noch: Catherine Rückwardt, Generalmusikdirektorin in Mainz, ist überzeugt, dass „Jugendliche, die  ins Konzert gehen, keine Scheiben einschmeißen.“ 

Unsere Klassikorchester entpuppen sich als sprudelnder Quell innovativer Kinder- und  Jugendarbeit. Und sie liegen damit offensichtlich goldrichtig: An jungem Publikum mangelt es keinem dieser Programme, nirgendwo.  Weiter so – im Interesse des klassischen Musiklebens und der Allgemeinheit.                                                                                                                         Andreas Pecht


(Erstabdruck 19. Januar 2008)
 
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