Thema Kultur
Thema Menschen / Initiativen
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2008-02-05 Musikleben:
200-Jähriger sucht Schulterschluss
mit der Jugend

Musik-Institut Koblenz feiert Jubiläum, Rheinische Philharmonie feiert mit – Gemeinsames Bemühen um Publikumsnachwuchs
 
ape. Sie währt schon sehr lange: die Partnerschaft zwischen dem Musik-Institut Koblenz und dem philharmonischen Orchester in der Rhein-Mosel-Stadt, heute Staatsorchester Rheinische Philharmonie (SRP). Am 7. April 2008 sind es auf den Tag 200 Jahre, dass die beiden sich fanden und seither nicht mehr voneinander lassen können.
 
An jenem Frühlingstag des Jahres 1808 setzte der Präfekt des französischen Departements Rhein/Mosel, zu dem Koblenz gehörte, seine Unterschrift unter ein Dokument, mit dem die Gründung des Musik-Institutes von Amts wegen anerkannt wurde. Der Geburtstag und der gemeinsame Weg durch zwei Jahrhunderte im historischen Auf-und-Ab wird  heuer am 31. Mai in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle bei einem Festakt mit Konzert von Institut und Orchester auch gemeinsam gefeiert. 

Zwar reicht die Orchestergeschichte am Ort noch gut 150 Jahre weiter zurück. Aber hätte der Koblenzer Bürger, Jurist und Musikus Joseph Andreas Anschuez 1808 nicht die  Initiative ergriffen und das Musik-Institut aus der Taufe gehoben, es wäre schlecht bestellt gewesen um  Pflege und Weiterentwicklung der philharmonischen Tradition am Mittelrhein. Diese nämlich lag just um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert darnieder – weil mit der Flucht des Kurfürsten Clemens Wenzeslaus 1794 vor französischen Revolutionstruppen auch dessen bis dahin überaus stattliche Hofkapelle sich in alle Winde zerstreut hatte. Das Musik-Institut richtete eine Singschule ein, sammelte die verbliebenen Reste des kurfürstlichen Orchesters unter der Stabführung von Anschuez – und begründete so eine neue, eine bürgerliche Tradition der Musikpflege und des Konzertlebens in Koblenz.

Rolf Wegeler, derzeitiger Intendant des Musik-Instituts, liegt gar nicht falsch, wenn er von „unserem Orchester“ oder dem „Hausorchester“ spricht. Immerhin war das Institut die ersten gut 100 Jahre seines Bestehens Träger des Orchesters, war Arbeitgeber für die Musiker und eine lange Reihe Musikdirektoren. Der prominenteste war Max Bruch – dessen Violinkonzert Nr. 1 d-Moll steht denn auch nicht zufällig im Zentrum des Festakt-Konzertes zum 200. Instituts-Geburtstag. Erst 1913 erfolgte die institutionelle Trennung der beiden Partner: Während das Musik-Institut eine eigenständige Öffentliche Stiftung blieb, ging das Orchester in städtische Regie über; nach dem Zweiten Weltkrieg war es zunächst Rundfunkorchester, dann eingetragener Verein, seit 1973 ist es als Staatsorchester eine Einrichtung des Landes Rheinland-Pfalz.

Die Eigenständigkeit der beiden Institutionen konnte ihrer Verbundenheit indes nichts anhaben. Die Anrechtskonzerte des Musik-Institutes sind mit ihren mehr als 900 Abonnenten bis auf den heutigen Tag Höhepunkte des sinfonischen Konzertlebens in Koblenz und das SRP ist die künstlerisch tragende Säule dieser Konzerte. Bei denen treffen die Philharmoniker immer wieder auch auf einen anderen Klangkörper, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1808 zurückreichen: Den 80 Mitglieder zählenden Chor. Der ist, anders als das Orchester, bis auf den heutigen Tag eine ureigene Einrichtung des Musik-Institutes geblieben.

200 Jahre liegen hinter uns. Was liegt vor uns? Dieser Frage stellte sich der Instituts-Vorstand im Vorfeld des Jubiläumsjahres. „Wir sind uns des Problems einer gewissen Überalterung unseres Publikums bewusst“, erklärt Rolf Wegeler. Und so ergriff der Vorstand im Frühjahr 2007 die Initiative für ein Projekt, das junge Menschen gezielt an klassische Musik heranführen und so auch neue Publikumsschichten für die Anrechtskonzerte erschließen soll. Mitveranstaltende Kooperationspartner waren im SRP und der Musikschule Koblenz bald gefunden. Die pädagogische Zunft der Schulmusiker trat in Person von Ralf Ambros, Musiklehrer und Regional-Fachberater für Musikunterricht an Gymnasien, den Initiatoren zur Seite.

Das neue Projekt erfuhr am Tag des 3. Anrechtskonzertes im November 2007 seinen ersten Durchgang: 60 Jugendliche des 12. Schuljahres aus drei Koblenzer Gymnasien und aus der Pallottiner-Bildungsstätte Haus Wasserburg in Vallendar beteiligten sich an einem Workshoptag zu Mendelssohn Bartholdys „Paulus“-Oratorium, das sie am Abend dann als Konzert des SRP und des Instituts-Chores miterlebten. In mehreren Workshops wurden über den Tag beispielsweise Spielszenen zum religiösen Gehalt des Werkes erarbeitet, mit Schlagwerk und diversen Medien rhythmische Strukturen oder musikalisch-inhaltliche Beziehungen aufgespürt, herausgearbeitet, variiert. „Nicht nur hören, sondern sich selbst aktiv und kreativ mit dem Werk auseinandersetzen, das ist für Schüler besonders wichtig,“ verdeutlicht Ralf Ambros im Gepräch.

Nachher befragt, gaben die beteiligten Jugendlichen diesem ersten Workshoptag mit anschließendem Konzertbesuch überwiegend gute bis sehr gute Noten. Folgeprojekte sind bereits in Planung. Der nächste Workshoptag soll ans 10. Anrechtskonzert im April angeflanscht werden. Dann stehen Mendelssohn Bartholdys Hebriden-Ouvertüre, Brittens Cello-Sinfonie und die Vierte von Brahms auf dem Programm. Ambros möchte den Teilnehmerkreis erweitern, möchte mehr Gymnasien ins Boot bekommen und diesmal auch Schüler der 7./8. Jahrgangsstufe dabei haben. Das Projekt soll noch stärker fächerübergreifend werden, soll Werkzugänge auch über Bildnerische Kunst oder Bewegungschoreografie einschließen. Erwünscht ist eine Erweiterung des begleitenden Fachpersonals über den Kreis der Musiklehrer hinaus. Und schließlich soll auch das übrige Publikum abends am Rande des Anrechtskonzertes verstärkt die Möglichkeit haben, die Workshopergebnisse bei Foyer-Präsentationen kennenzulernen.

Vieles muss noch reifen, aber ein hoffnungsvoller Anfang ist gemacht. Dem Musik-Institut Koblenz darf gratuliert werden – zum 200. Geburtstag wie auch zur innovativen Frische, die es in solch ehrwürdigem Alter wieder an den Tag legt. 
                                                                               Andreas Pecht

(Erstabdruck: 6. Woche, Februar 2008)

Musik-Institut Koblenz, 200. Geburtstag, Artikel/Würdigung
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken