Kritiken Musik
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2008-03-09 Konzertkritik:
Musik aus den Tiefen der
russischen Seele
 
8. Anrechtskonzert 2008 beim Musik-Institut Koblenz:
Dirigent Daniel Raiskin und Sänger Taras Stonda mit Werken von Borodin, Mussorgski und Tschaikowski
 
ape. Koblenz. So viel russische Seele war hier lange nicht. Der Dirigent ein Russe, der Solist ebenfalls. Russisch auch die Komponisten beim achten Anrechtskonzert des Koblenzer Musik-Institutes: Borodin, Mussorgski, Tschaikowski. Klangwelten, als wandere Schiwago mit Anna Karenina durch das von  Krieg und Frieden, von Schuld und Sühne geschüttelte Zarenreich, dabei bisweilen Oblomow begegnend, der mit Onkel Wanja im Kirschgarten die Nase des Revisors sucht.

Der Fingerzeig ins russische Literatur-Universum sei gestattet, denn so eng miteinander verwoben sind die Künste selten wie in der Kultur Russlands. Deren Menschen gelten als die Vielleser Europas - und ihre Musik bliebe höhere Folklore, dächte man nicht Tolstoi, Dostojewski, Puschkin, Gogol und Co. mit. Zumal, wenn Daniel Raiskin den Stab führt; dieser Chefdirigent, der in eine Komposition nicht nur hinein-, sondern darüber hinauszudenken pflegt.

Borodins „Polowetzer Tänze“ stammen aus der Oper „Fürst Igor“, werden aber auch gerne vom Ballett aufgegriffen oder als Konzertnummer gegeben. Dieser Auftakt setzt die affektiven Eckpfähle für den Abend. Auf eine muntere Volksfestouvertüre  folgt ein Gefühlsreigen, der von zart-romantischem Schmelz über Taiga-Melancholie bis zum Kosakensturm reicht. Faszinierend an der Realisation durch die Rheinische Philharmonie sind unter anderem: raffiniert eingefädelte Übergänge und differenzierte  Klangfarben.

Raiskin hatte vor Monaten erklärt, verstärkt an der orchestralen Farbigkeit arbeiten zu wollen. Für den Hörer liegt nicht gleich auf der Hand, was sich da an Feinheiten tut oder tun soll. Bei diesem Konzert schärft der Solist, Taras Stonda, mit „Lieder und Tänze des Todes“ von Mussorgski die Sinne für das tonale Farbphänomen. Ein formidabler Russen-Bass und ein Sänger, dessen interpretatorische Intensität auch dem Laien vor Ohren führt, wie Töne geöffnet oder geschlossen werden, wie sie in quasi flammendes Rot oder grelles Gelb oder besänftigendes Blau färbbar sind.

Dies wahrgenommen, entdecken wir auch im Orchesterklang bei Tschaikowskis fünfter Sinfonie eine Lust an (Klang-)Farbe. Die spielt sich vorerst im Bereich der Ahnungen ab. Handfest hingegen ist die von Raiskin bis in die kleinen Binnenstrukturen sehr stark forcierte Dynamik. Er wird dieses treibende Schwellen später mal ein kleinwenig wieder zurücknehmen müssen. Für die augenblickliche Entwicklung des Klangkörpers aber stellt solch offensives Erschließen erweiterter Phrasierungshorizonte wohl ein notwendiges Stadium dar. Fürs Publikum ist das sowieso spannend.

Bei aller Feinarbeit mangelt es der Tschaikowski-Realisation keineswegs an zupackendem Enthusiasmus. Raiskin und Orchester geben sich dem Pathos hin, vergessen darüber aber nie  die motivisch-atmosphärische Zerrissenheit, mit der dieses Werk so sehr den Charakter seines Schöpfers spiegelt – und das Wesen der russischen Seele.                                                    Andreas Pecht

(Erstveröffentlichung 4. März 2008)

Musik-Insitut Koblenz, 8. Anrechtskonzert, Rheinische Philharmonie, Dirigat daniel Raiskin 
 
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