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2008-03-18 Ausstellungsfeature:
In Garten und Stadt auf der Suche
nach sich selbst

Deutsch-chinesische Künstlerfreunde reflektieren
im Ludwig Museum Koblenz mit Tusche und Reispapier das „DAO“

 
ape. Zwei räumlich streng voneinander getrennte Einzelausstellungen, dennoch vereint unter einem Dach und sich intensiv aufeinander beziehend. Zwei aus völlig verschiedenen Kulturkreisen stammende Künstler, dennoch eng befreundet und sich seit zehn Jahren wechselseitig inspirierend. Zwei grundverschiedene Ausstellungsthemen und Blickwinkel – „In the Garden“ und „Joggling in the City“ –, sich dennoch zum gemeinsamen Titel „Dao“ verbindend. Zwei ganz eigene Welten, aber einer einzigen Menschenwelt angehörend. Bis zum 27. April zeigt das Ludwig Museum DAO – Georg Ahrens und Deng Guo Yuan“: eine Schau, die von der Einheit der Gegensätze geprägt ist.
 
Zwei Rätsel gleich beim Betreten der Abteilung mit den Werken von Deng Guo Yuan im Parterre des Deutschherrenhauses: Wie kommt der Chinese dazu, sich im grellfarbberauschten 21. Jahrhundert des Sujets „In the Garden“ mit rund 60 Bildern ausgerechnet und ausschließlich in Varianten schwarzer Farbe auf weißem Grund anzunehmen? Und: Was meint DAO? Wir bitten Georg Ahrens um Auskunft, den mittelrheinischen Künstler, dessen parallel im ersten Obergeschoss des Museums ausgestellte Werke ebenfalls allesamt in Schwarz-Weiß gehalten sind.

Seine Antwort: „Chinesische Tusche auf chinesischem Reispapier, nichts sonst, darauf hatten Deng Guo Yuan und ich uns für dieses gemeinsame Ausstellungsprojekt geeinigt.“  Eine traditionelle Technik in China, so uralt wie die Philosophie des Daoismus, von der sich der Ausstellungstitel DAO ableitet: „Dao heißt Weg. Und Daoismus ist die Lehre von der Anpassung der geistigen Entwicklung an den Wandel der Dinge. Der eigenen Entwicklung.“ Ahrens spricht vom Weg zur individuellen Standortbestimmung über Selbstversenkung und Weltbetrachtung. Tuschemalerei und Kalligraphie sind in der Kultur Chinas seit jeher nicht bloß Darstellungsmittel, sondern selbst Medium der philosophischen Meditation. Wie verschieden diese Wege jedoch aussehen können, macht die Doppelausstellung im Ludwig Museum deutlich, die zuvor schon in China zu sehen war.

Deng Guo Yuan (geboren 1957 und Direktor der Kunstakademie in Tianjin) konzentriert sich in seinen großformatigen Tuschearbeiten auf das Thema Natur. Gräser, Blumen, Stauden, Büsche, Bäume, dazwischen mal die Ahnung eines Pfades oder Bachlaufes, gerinnen zu Kompositionen, die vage an die große Tradition chinesischer Landschaftsmalerei erinnern. Und doch sind diese Bilder anders. Hier wird weder Gartenbaukunst noch überhöhte Naturidylle abgebildet, hier wogen vielmehr Ordnung und Chaos ineinander: Halme im Spalier, im Bündel, im wirr zerzausten Haufen, Blüten und Blätter zu kompakten Strukturen vernetzt, verwoben, geballt oder monadisch zerfließend. Nirgends ist Stillstand, nichts ist gewiss, außer die ewig bewegte Vielheit. Der Betrachter verloren? Nur solange er nach statischer Eindeutigkeit giert. 
    
Von „In the Garden“ zum „Joggling in the City“ von Georg Ahrens (geboren 1947, bei Koblenz lebender freischaffender Künstler und Vorsitzender der  AKM). Gemeinsamkeiten sind augenfällig, gravierende Unterschiede nicht minder. Tusche auf Reispapier auch hier, ebenso große Formate. Aber die opulenten Bilder zergliedern sich in Dutzende kleiner Quadrate, in Puzzelstücke. Ahrens beschreibt das Arbeitsverfahren, das er bei einem mehrwöchigen Aufenthalt in China benutzte: „Mehrere große Motive wurden zerschnitten und neu zusammengesetzt.“ Es entsteht, was im Titel „Joggling“ genannt wird und ein erklärungsbedürftiger Begriff ist: „Ein allgegenwärtiges Flirren oder Zittern, wie wenn ein leichter Wind einen Bambushain bewegt.“ Und „Joggling in the City“? „Die permanente Unruhe einer modernen Großstadt, in der der Mensch dennoch zur Ruhe, zu sich und seinem Platz im Getriebe finden muss.“

Wo der chinesische Künstler den Betrachter animiert zur Versenkung in die Natur, konfrontiert sein europäischer Freund und Kollege ihn auf der Suche nach dem „rechten Weg“, dem DAO, mit einem städtischen Umfeld. Auch hier Ordnung und Chaos. Ganzheit in Vielheit zersplittert und zu einem neuen Ganzen aus Einzelteilen zusammengesetzt. Die quadratischen Puzzlestücke geben eine strenge Geometrie vor, wie Straßen, Wohnblocks, Hochhäuser. Doch darinnen tobt sich anarchisch-abstrakte Vielgestaltigkeit aus – in der sich allerdings verwandte Elemente fortwährend wiederholen, spiegeln, drehen. Individualität bei gleichzeitiger Uniformität: Georg Ahrens ist via eigenwilliger Nutzung traditioneller chinesischer Tuschemalerei zu einer bezeichnenden Werkserie über das Wesen moderner Urbanität gelangt.

In diesem „Joggling“ muss nun ein jeder selbst seinen Weg finden, als Ausstellungsbesucher wie als Alltagsmensch. Die Künstler geben inspirierende Anregungen; Wegweiser haben sie nicht geschaffen, wollten sie auch nicht, weder der Chinese noch der Hiesige.                                                                    Andreas Pecht

Infos: www.ludwigmuseum.org


(Erstabdruck 13. Woche, März 2008)

Ludwig Museum Koblenz, Ausstellung "DAO", Besprechung
 
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