Kritiken Theater
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2008-04-18 Schauspielkritik:  
Jungfer Käthchen mit Format

Heinrich von Kleists Ritterspiel in Neuwied
mal richtig gut, mal banal

 
ape. Neuwied.  Ein Ritter zwischen zwei Fräuleins. Das eine außen hui, darunter pfui, per Mordintrige nach wohlfeiler Ehe mit jenem strebend. Das andre liebreizend-ehrenhafte Jungfer, aber wegen himmlischer Weissagung selbigem Herrn nachlaufend wie ein Hündchen. Für Theaterfreunde ist das Hinweis genug, um zu wissen: Wir sind bei Heinrich von Kleist und seinem „Käthchen von Heilbronn“; jetzt herausgebracht von der Landesbühne Rheinland-Pfalz in ihrer Heimstätte, dem Schlosstheater Neuwied.
 
Oft wurde das  ziemlich genau 200 Jahre alte „große historische Ritterspiel“ in jüngerer Zeit nicht mehr gezeigt. Zuletzt war an dieser Stelle von einem „Käthchen“ in Wiesbaden zu lesen. Das liegt nun auch schon drei Jahre zurück. Die Theater tun sich schwer, dem Mittelalter-Schinken im mystisch-romantischen Gewand heute passable Deutungen abzuringen.

Von Neuwied durfte erwartet werden, dass es sich weder an Aktualitätsbemühungen überhebt, noch einen Großpopanz mit Ritterrüstungen, Engeln und Feuersbrünsten veranstaltet. Die beengte Bühne dort ist für intime Umsetzung prädestiniert, Regisseur Paul Bäcker und Teile des Personals sprechen für handwerkliche Solidität: Etwa Lothar Didjurgis (Theobald), Erwin Geisler (Gottschalk), Silke Natho als giftige Kunigunde und der gewitzt aufspielende Bruno Lehan als von Freiburg, von Stein und Bischof. Das sind bei diesem Stück keine schlechten Voraussetzungen, und gleich die Eingangsszene vorm Femegericht entspricht den Erwartungen aufs angenehmste.

Die folgenden zweieinhalb Stunden lassen den Betrachter dann allerdings etwas ratlos zurück. Sind sie gut oder eher das Gegenteil? Beides. In der wandelbaren Kulisse von Thomas Pekny – Hocker, Paravants und kleines Rundpodest, alles aus Naturholz – wechseln sich Szenen von hoher Sprechqualität und bemerkenswerter Spieldichte ab mit bemühten bis peinlichen Passagen. Richtig gut ist die Aufführung meist dort, wo sie Sprechtheater in Kammerspielmanier bietet. Albern, aufgesetzt, unbeholfen wird’s, sobald dann doch schepperndes Schlachtengetümmel ausbricht oder die Helden pantomimisch über nicht vorhandene Bäche staksen.

Dennoch könnte man sich den Abend ein zweites Mal ansehen. Allein der beiden Hauptdarsteller wegen. Passend zurückgenommen Ingo Heise als Graf vom Strahl; ein schöner Mann von Ernst und Herz, vielleicht noch ein bisschen zu glatt. Ein kleines Wunder in diesem Theater ist Claudia Kraus in der Titelrolle. Jeden Augenblick hoch konzentriert, weiß sie selbst mit kleinsten Gesten Inhalt, Stimmung, Atmosphäre zu transportieren. Stirnrunzeln, Kopfhaltung, Blickwendung, das Spiel der Hände und Finger, selbst Variationen der Fußstellung vereinigen sich auf natürlichste Weise zu einem herrlichen Käthchen.

Die junge Schauspielerin bestätigt an diesem unspektakulären Ort ein Talent, das wir früher schon am Staatstheater Wiesbaden in „Kabale und Liebe“ sowie im „Sommernachtstraum“, am Schauspiel Bonn in der szenischen Umsetzung von Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ bewundern durften.
                                                                                        Andreas Pecht

(Erstabdruck 19. April 2008)

Infos: www.landesbuehnerheinland-pfalz.de

Theater Neuwied, Kritik, Käthchen von Heilbronn,
Regie: Paul Bäcker
 
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