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2008-08-25 Kommentar:

Zwischenruf zur fortschreitenden Eventisierung
der Sommerkultur

 

Zum Riesling ein Konzertchen
 
ape. Im Sommer darf alles ein bisschen leichter, luftiger, beschwingter sein. Das gilt für  Kleiderordnung, Speiseplan, Arbeitsmoral oder auch Musik und Theater. Wenn hiesige Gefilde tun, als habe Goethe sie gemeint mit seinem „Land, wo die Zitronen blüh’n“, dann gesellt selbst die hohe Kunst tiefen Gefühlen bereitwillig ein Augenzwinkern bei. Neuerdings  lässt sie sommers die Tiefe auch einfach mal weg und kapriziert sich aufs Zwinkern allein, sprich: auf unterhaltsame Kulturkulinarik.

Lässt sich dagegen etwas einwenden? Im Grundsatz kaum – man will schließlich kein puristischer Spielverderber sein. Das Publikum liebt sie, die Sommerfestivals unter freiem Himmel oder in ausgefallenen Locations abseits der gewöhnlichen Theater und Konzertsäle. Auf Burgen oder Ausflugsdampfern, in Parks, Weinkellern und selbst historischen Kirchen geht es dabei weniger zugeknöpft, ernst, streng zu. Anbei wird diniert, gepicknickt, Riesling geschlürft. Der Kulturtrip im lauschigem August-Abend: ein sinnenfrohes Gesamterlebnis.

So viel Sommerkultur wie heute war nie. Seit Mitte der 1980er sprießen Festivals zuhauf in den Städten, fast mehr noch in der Provinz. Das nördliche Rheinland-Pfalz mag als Beispiel herhalten. Dort ragen aus einer Flut lokaler Kleinveranstaltungen allein drei große Flächenfestivals klassischer Musik und zwei Theaterfestivals heraus: Mosel Musikfestival, Mittelrhein Musik Momente, RheinVokal, Burgfestspiele Mayen und Antikenfestspiele Trier bringen es über den Sommer auf rund 250 Vorstellungen an gut 70 Spielorten und einige zehntausend Besucher. Nebenan im Rheingau, serviert das größte Klassikfestival Deutschlands noch einmal 150 Konzerte.

Wie gesagt: Im Grundsatz ist schlecht meckern gegen diese neuzeitliche zweite Saison im Kulturjahr. Aber die Entwicklung der Festivals selbst lässt einen dann doch die Stirn in Falten legen. Die Musikreihen waren ursprünglich durchweg mit ernsthaftem Klassik-Anspruch angetreten. Seither verändert sich jedoch ihr Charakter. Bei der Mehrzahl nimmt in den Programmen von Jahr zu Jahr der Anteil amüsanter Crossover-Veranstaltungen zu. Musikcomedy und Orchesterclownerie, Instrumentalartistik mit Blechschäden und Saxophonmafiosi, Grüne-Kaktus-Singers oder Tango-Ensembles ersetzen Klassik durch Entertainment.

Was gestern gehobenes Kunstereignis war, mutiert zur Unterhaltungsveranstaltung  - in einem ohnehin allfällig überschießenden Amüsierbetrieb der Leichtverdaulichkeit. Wenn die Mayener Burgfestspiele nach 15 Jahren ihr regionales Alleinstellungsmerkmal als ernsthaftes, reines Schauspielfestival aufgeben, um bloß noch Musical und Komödie zu spielen, ist das nur ein weiteres Anzeichen für die sukzessive Unterwerfung der  E- unter den Primat der U-Kultur. Über die traditionelle E/U-Kategorisierung rümpft man zwar heute die Nase. Aber ohne sie verschwände bald auch die letzte Orientierung in einem Mainstream geschmacksverwirrender Gleichmacherei. 
                                                                           Andreas Pecht              


 
(Erstabdruck im September 2008)


Eventisierung der Sommerkultur, Kommentar
 
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