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2008-09-01 Konzertkritik/Feature:

Klaus Doldinger und Passport erstmals mit großem
Sinfonieorchester live im Kultursommer Rheinland-Pfalz
 

Klassischer Sound mit jazzigem Groove
 
ape. Bingen.  Es ist eine Weile her, da erzählte Jazz-Altmeister Klaus Doldinger beiläufig  von seinem Traum: Einmal mit Sinfonieorchester live auftreten. Beim Kultursommer Rheinland-Pfalz hielt man das für eine ausgezeichnete Projektidee, stellte deshalb die Verbindung zwischen dem Jazzer und der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen her. Später vom Kultursommer mit Anschubfinanzen ausgestattet, hatte „Klaus Doldinger’s Symphonic Project“ jetzt im Rahmen der Mittelrhein Musik Momenten auf dem Gelände der Landesgartenschau Bingen Premiere open-air. Anderntags kam es beim Mosel Musikfestival unter dem Dach der „Arena“ Trier vors Publikum.
 
Doldinger und seine Band Passport haben früher schon mit Orchester musiziert. Allerdings nur im Studio, bei Aufnahmen für Filmtracks und CDs. Live ist anders, schwieriger. Auf der beengten Bühne des Gartenschau-Pavillons in Bingen ist die Jazz-Combo an den Rand des opulenten Klassikapparates gequetscht. Das Zusammenwirken der so unterschiedlichen Partner erfordert, zumal unter freiem Himmel, elektronische Verstärkung auch des Sinfonieorchesters. Was dem Klangbild hier eine deutlich synthetische Note verleiht.

Musiker und Besucher lassen sich von diesem Handicap so wenig erschüttern wie von den kaum 50 Meter entfernt vorbeidonnernden Eisenbahn-Zügen. Man nimmt’s für diesmal mit ergebenem Humor. Das Konzertprogramm selbst schreitet als Mischung aus Passport-Solo und Jazz-Sinfonik markante Stationen aus der Schaffenszeit von Klaus Doldinger ab. Nach zweieinhalb Stunden honoriert ein auf offener Rheinwiese leidlich fröstelndes Publikum den ungewöhnlichen Auftritt mit hitzigen Ovationen.

Spannend das erste Stück, ein von Doldinger 1967 geschriebenes Jazz-Concertino. Hörbar experimentierte darin ein Talent mit Möglichkeiten, spätromantische nebst moderne Klassikelemente und Jazz zu verbinden. Ergebnis ist eine vielgestaltige Komposition, die mit flächigem Streicher-Sound, zarten Holzpassagen oder auftrumpfenden Bläser-Tutti dem Jazz ungewohnte Stimmungen hinzufügt. Wie umgekehrt der Jazz dem klassischen Klangkörper das Grooven beibiegt. Wann immer dieses Wechselspiel zum Zuge kommt, wird der Abend interessant – ob im Rahmen der eigens zusammengestellten Orchestersuiten mit Motiven aus den Filmen „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“ oder ob bei aktuellen Doldinger-Kompositionen wie „Altocumulus“ und „Cantilene for Saxo Soprano“.

Nicht jeder Takt ist eine Offenbarung. Die „Boot“-Suite etwa hat Längen und Blässen, reicht im Live-Vortrag des Orchesters bei weitem nicht an die innere Spannung der Filmmusik heran. Von Kribbeln machender Poesie dagegen sind manche Momente, in denen Doldingers Saxophon-Spiel sich über orchestrale Klangflächen erhebt. Bisweilen darf auch geschmunzelt werden. Denn Gesamtdirigent Bernd Ruf hat richtig zu tun mit seinen beiden Ensembles:  Das metrisch punktgenaue Musizieren des Sinfonieorchesters und die dem Jazz eigenen Freiheiten legen immer wieder einen Hauch von schüchternem Fremdeln über das musikalische Tete-a-Tete zwischen Staatsphilharmonie und Passport.

Bei der Zugabe stürzen die beiden dann aber doch in eine entfesselte Umarmung. Im Jubeljahr zum 700. „Tatort“-Krimi wird deutlich: Doldingers Titelmusik hat sich tief ins kollektive Bewusstsein eingegraben. So tief, dass deren vorwärts peitschende Kraft selbst Klassik-Musikern in Fleisch und Blut übergegangen ist.                                      Andreas Pecht                                                            

(Erstabdruck am 2. September 2009)

Klaus Doldingers Symphonic Project 2008, Konzertbesprechung
 
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