Kritiken Theater
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2008-09-08 Schauspielkritik:

Schauspiel Bonn eröffnet Spilezeit mit sehenswerter
"Glasmenagerie".  Regie: David Mouchtar-Samorai

 

Jenseits erbitterter Leistungsnorm
 
ape. Bonn. Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche alten Theaterstücke ihre Bedeutung fürs Heute behalten, selbst wenn die Regie von aktualisierendem Zuschnitt Abstand genommen hat. Dies Phänomen ist jetzt in den Godesberger Kammerspielen der Bühnen Bonn zu erleben, die mit Tennessee Williams „Glasmenagerie“ von 1944 einen bemerkenswerten Spielzeit-Start hinlegten.
 
Die Wohnung von Mutter, Tochter, Sohn Wingfield ist in Karl Kneidls Bühnenbild eine trostlose Angelegenheit. Staub allüberall; das wenige und ärmliche Mobiliar abgewetzt; die Räume vage gegliedert mit verbeultem Gitterwerk wie vom Schrott. Die Atmosphäre muffig, gestrig wie Urte Eickers Kostüme – frühe Mitte 20. Jahrhundert. Mutter Amanda tut als schenke sie Kaffee ein, doch kein Tropfen rinnt aus der Kanne. Später wird von leeren Tellern gegessen oder mit unsichtbaren Glastierchen aus einer nicht vorhandenen Glasmenagerie gespielt.

David Mouchtar-Samorai hat für diese Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen Williams’ „Spiel der Erinnerung“ auf eigene Weise beim Wort genommen. Sein Personal spielt realistisch in einer nicht realen Umgebung. Diese schöne Wirkung verstärkt der in die Jahre gekommene Sohn Tom, den diese Inszenierung in Person von Ulrich Kuhlmann permanent durch die Szene geistern lässt, ohne dass er wirklich dazugehört. Der Alte greift Dialogsätze auf, schickt sie als interpretierendes Echo dem Geschehen nach oder apostrophierende Ansage voraus. Was wir sehen, sind seine Erinnerungen.

Mit Galligkeit erinnert er sich vor allem des einnehmenden, bestimmenden, penetrant umsorgenden und damit unerträglichen Wesens der Mutter. Vom Gatten früh verlassen, ihrer Träume von Glanz und Aufstieg bald verlustig, ist das ein frustrierte Frau. In ihrer Sorge ums tägliche Überleben tyrannisiert sie Sohn und Tochter mit Forderungen, Umhegungen und dem Vorwurfston mütterlicher Selbstaufopferung. Gabriele Köstler macht das mit Verve so gut, dass man hingehen möchte und sie schütteln.

Den jungen Tom stellt Arne Lenk ins gefährliche Feld zwischen zynischem Erdulden und Hass gestellt. Er wird dem Familien-Martyrium entfliehen. Diese Wahl hat seine klumpfüßige Schwester Laura nicht, deren Wesen den gängigen Anforderungen der äußeren Welt nicht gewachsen ist. Wie Xenia Snagowski in größter Natürlichkeit dieses so empfindsame und deshalb aufs höchste gefährdete Mädchen formt, ist ein Theatererlebnis für sich.

Ein Moment tiefen Glücks verströmt sich über die Bühne als der nette Jim (Helge Tramsen) in der Stube ein paar Takte mit ihr tanzt. Von der Mutter als Heiratskandidat für die Tochter und damit Zukunftsbringer auch für sich selbst verplant, bleibt der junge Mann in Lauras Leben doch nur verständnisvoller Spielkamerad eines erfüllten Augenblicks. Eines Augenblicks, in dem sie sein durfte, was sie ist – ein zartes Menschenwesen jenseits der Leistungsnorm.                          Andreas Pecht   

Infos/Karten: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck am 9. September 2008)


Theaterkritik, Tennessee Williams "Glasmenagerie" , Schauspiel Bonn, Regie: David Mouchtar-Samorai
 
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