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2008-09-12 Feature:

„Spurwechsel“ und „(e)motion“ erfolgreich beendet: In zwei beispielhaften Projekten arbeiteten Jugendliche und professionelle Künstler miteinander 

 

Kultur macht stark und selbstbewusst
 
ape. Es haben über den Sommer im nördlichen Rheinland-Pfalz viele junge Menschen bei zwei  besonderen Projekten erstmals Erfahrungen als Kultur-Akteure gesammelt. „Spurwechsel“ hieß das eine und forderte Kreativität vor allem in Sachen Bildender Kunst. „(e)motion“ nannte sich das andere, das jetzt als Tanzperformance mit  Klassikorchester dem Publikum präsentiert wurde.
 
Großer Bahnhof vor und in der Kulturhalle Ochtendung: Publikum in Massen, Jugendliche servieren Begrüßungsdrinks,  richten die Bühne ein, zittern dahinter ihrem ersten Auftritt entgegen. An der Seite der Halle hat das Staatsorchester Rheinische Philharmonie Stellung bezogen. Eineinhalb Stunden später tobt der Saal vor Begeisterung. Und ein halbes Hundert Laien-Tänzer nimmt jauchzend vor Erleichterung und Stolz die Anerkennung von Angehörigen, Freunden, Kollegen für die Arbeit im Rahmen von „(e)motion“ entgegen.

Junge Leute zwischen Schule, Ausbildung und Beruf hatten sich über Monate gemüht,  eine Aufführung mit allem Drum und Dran auf die Beine zu stellen – Bühne, Requisiten, Kostüme, sogar die Publikumsbewirtung eingeschlossen. Die Herausforderung hieß: Einen Abend gestalten, in dessen Mittelpunkt eigene Tanzszenen zur Sinfonie fantastique von Hector Berlioz stehen.

Ungewohnt die Musik. Ungewohnt die Forderung, sich  körperlich auszudrücken. Ungewohnt der lange, konzentrierte Arbeitsprozess aus unzähligen kleinen Schritten, die sich am Ende zum großen Ganzen fügen sollten. Ungewohnt das Zusammenwirken mit dem Profiorchester und schließlich der Auftritt vor großem Publikum.

Kurzum: Für die Teilnehmer war alles neu, ja befremdlich an diesem Projekt. Was für die Veranstalter ARGE Mayen-Koblenz, Handwerkskammer Koblenz und Rheinische Philharmonie  ebenso gilt: Eine derartige „berufsvorbereitende Maßnahme“ hat es in der Region noch nicht gegeben. Experiment geglückt? Ja. Auf der Bühne sind der Musik entlehnte Fantasie-Szenen zu sehen, die sich mit Momenten aus der Lebenswirklichkeit der Beteiligten verweben.

Ein Ball in feinem Zwirn, der in einen Konflikt nach Art der „West Side Story“ einmündet. Szenen vor einer multimedialen Wald-Illusion, die arbeitende und sportiv flanierende Jugendliche zeigt. Augenblicke handgreiflicher Konfrontation und folgender Solidarität, turbulenter Tanzwettstreit zwischen Mädchen und Jungen. Und dazwischen immer wieder solistische Miniaturen, die Raum geben für individuelle Talente, seien es hier Karatebewegungen und Salti, dort Hiphop-Einlagen oder einige klassische Ballettfiguren.

Die Jugendlichen haben sich durch all das Ungewohnte hindurchgebissen. Sie haben anbei Einblicke in diverse Berufe gewonnen, haben Stehvermögen, Selbstdisziplin und Teamfähigkeit entwickelt. Aber mehr noch als das wiegt: Jeder Teilnehmer hat beim kulturellen Tun etwas über sich gelernt, über seine Potenziale, über den Spaß am gemeinsamen schöpferischen Arbeiten, die daraus erwachsende Kraft auch in schwierigen Momenten. Das macht stolz und selbstbewusst, schafft zwischen Lebens- und Arbeitswelt eine Form individueller Würde, die ihnen niemand mehr nehmen kann.

Gleiches gilt für „Spurwechsel“, eines der zentralen Projekte im diesjährigen Kultursommer Rheinland-Pfalz. Dabei brachte eine Kooperation aus Landesfestival, DGB und diversen soziokulturellen Einrichtungen in Westerwald und Hunsrück, Koblenz und Lahnstein arbeitslose Jugendliche und Beschäftige in etlichen Gruppen mit professionellen Künstlern zusammen. Und erstmals in ihrem Leben konnten junge Menschen sich kreativ mit den Mitteln von Malerei, Bildhauerei, Fotografie oder Videokunst auseinandersetzen. Wie bei „(e)motion“, so war auch den Teilnehmern an „Spurwechsel“ alles neu – nicht zuletzt die Blickwinkel auf das eigene Leben, die das so ungewohnte kulturelle Schaffen ermöglicht.

Der Schlussakt zu „Spurwechsel“ vor einigen Tagen in einer Lahnsteiner Drahtfabrik fiel etwas weniger prächtig aus als derjenige des Tanzprojektes in Ochtendung. Die Ergebnisse waren deshalb nicht weniger faszinierend. Sie bezeugen in beiden Fällen die innere Größe von Menschen, die nicht zur allfällig beschworenen „Elite“ gehören und für die vielfach die Sonnenseite der Gesellschaft ein fernes, fremdes Land ist. Das kann Kultur bewirken. Fortsetzung erwünscht!                            Andreas Pecht

Erstabdruck am 13. September 2008)
 
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