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2008-09-18 Kommentar:

Die Wirtschaftspresse verlangt nach Zähmung
des Raubtierkapitalismus
 

Von den Misslichkeiten der
wundersamen Geldvermehrung

 
ape. "Zivilisiert den Kapitalismus!" fordert die jüngste Ausgabe der "Zeit" in ihrer Titelschlagzeile. Die Begründung wird in der Unterzeile gleich mitgeliefert: "Gier und Größenwahn haben zum schlimmsten Bankenkrach seit Generationen geführt. Unser Wirtschaftssystem steht auf dem Spiel, wenn wir nicht radikal umdenken."

Wären die turbulenten Vorgänge in der und rund um die globale "Finanz-Spielhölle" nicht so traurig und so gefährlich für die Allgemeinheit, man könnt' sich ausschütten vor Lachen.  Die Gralshüter des freien Marktes stehen Kopf: Die US-Regierung enteignet und verstaatlicht Privatbanken, die beiden US-Präsidentschaftskandidaten überbieten sich wechselseitig mit Ankündigungen, die "Börsenhaie" fortan unter Kuratel zu stellen. Und die Wirtschaftspresse überschlägt sich mit Forderungen nach "Zähmung", "Zivilisierung", "Kontrollierung" der "Finanzbarbarei" , des "finanzkapitalistischen Systems" , des "Raubtierkapitalismus" und seiner "Zocker", "Hasadeure", "Marodeure", Gierhälse" an den Börsen und in den Bankvorständen.

Selbst die vordem marktliberalsten Schreiber und Kommentatoren schlagen ganz unverblümt mit einem Vokabular um sich, das einen zu anderen Zeiten flugs in Kommunismus-Verdacht gebracht hätte. Das Phänomen haben wir allerdings vor ein paar Jahren schon einmal erlebt: Als die globale IT-Blase platzte. Bereits damals wurde lgeschrien nach einem Reglement, das spekulative Geschäfte mit heißer Luft ein für allemal unterbinden sollte. Viel wurde daraus nicht, und von einer Läuterung des Finanzsystems kann, wie aktuell zu sehen, überhaupt keine Rede sein.

Diese penetrante Lern-Unfähigkeit ist eine der düsteren Seiten des Kapitalismus. Und sie rührt nicht einfach nur von einer menschlichen Schwäche namens Gier, sondern steckt im System selbst: Kapital engagiert sich dort, wo es den größten Profit erwartet.  Dumm dabei ist nur, dass es das in blindwütigem Egoismus tut und ohne jede Rücksicht hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf das Gesamtsystem oder die fernere Zukunft. Jetzt einfach die Gier der Finanzjongleure an den Pranger zu stellen, ist bigott. Was wohl würde mit Brokern und Bankern geschehen, die sich nicht um höchstmögliche Renditen bemühen, die 20 oder 30 Prozent Extraprofit freiwillig der Konkurrenz überlassen, weil ihnen ein paar Eisen womöglich zu heiß sind? Man würde sie, metaphorisch gesprochen, im Strom vagabundierender Spekulativ-Billionen ersäufen. Will sagen: Zum Teufel jagen.

Unter börsianischem (oder rein kapitalistischem) Blickwinkel besteht der einzige Daseinszweck von Geld darin, sich in immer mehr Geld zu verwandeln. Mit welchen Mitteln und auf welchen Wegen das geschieht, spielt keine Rolle.  Und so rennt das System ein ums andere mal  in rauschhafter Blindheit oder sogar sehenden Auges ins eigene Messer. Leider trifft die systemimmanente Unvernunft am Ende immer die Allgemeinheit, trifft mittelbar auch diejenigen, die am wenigsten dafür können: die Nicht-Spekulanten, die Nicht-Anleger, die Ärmeren.

Was kann dagegen helfen? Nur Politik. Die muss allerdings etwas tun, das sich heutzutage fast irrwitzig anhört: Sie muss die Möglichkeiten, mittels finanztechnischer Operationen Profit zu machen, per (internationaler) Staatsgewalt einschränken. Muss sie auf ein vernünftiges, durchschaubares, kontrollierbares Maß beschneiden. Heißt: Sie muss dem Raubtierkapitalismus die Zähne ziehen. Kann Politik das? Sie könnte. Aber will sie auch? Bis dato betätigt sie sich bloß als Reparaturkolonne, die mit Mitteln der Allgemeinheit notdürftig das zerbrochene Geschirr flickt - derweil der Elefant ungehindert zum nächsten Porzellanladen stampft.  
                                                                               Andreas Pecht 
 
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