Kritiken Theater | |||
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2008-09-28 Schauspielkritik: | |
"Tasmanien" von Fabrice Melquiot in Bonn uraufgeführt: Alptraumhaft Klein Sarkozy ist geil auf die Macht |
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ape. Der
36-jährige Fabrice Melquiot ist in Frankreich ein bekannter und viel
gespielter Dramatiker der jüngeren Generation. Sein Stück „Tasmanien“
allerdings mochte keines der dortigen Theater auf die Bühne bringen.
Das dürfte am Thema des Werkes liegen: Es stellt einen alles andere als
sympathischen Mann auf dem Weg zur Macht vor – Conrad Cyning alias
Nicolas Sarkozy, heute Präsident der französischen Republik. Das
Schauspiel Bonn hat jetzt die Uraufführung übernommen. In der Regie von
Intendant Klaus Weise entspinnt sich in den Kammerspielen Bad Godesberg ein
zweistündiges Spiel, das ziemlich genau der Absicht des Autors folgt,
Groteskes, Monströses und Realistisches zu verbinden. |
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Manfred
Blößer hat für die Inszenierung ein gläsernes Treppenhaus an der Seite
und auf der Drehbühne einen großen Glaskasten mit angedeuteter Wohnwelt
gebaut. In totaler Durchsichtigkeit werden Privatleben und
Polit-Geschäft, äußeres Geschehen und innere Befindlichkeiten ein
unentwirrbares Ganzes: das System Sarkozy – der absolute Wille zur
Macht, geboren aus der egomanischen Begierde danach. Die
Eröffnungsszene zeigt den Kandidaten, wie er seiner Assistentin eine
Wahlrede diktiert, sie zugleich anbaggert. Anbei wirft seine
Lieblingshündin unter den Instrumenten eines metzgermäßigen Tierarztes
ein Monstrum von Welpen. Dieses Viech auf zwei Beinen wird „Wort“ genannt, geistert fortan als bedrohliche Chimäre durch die Szene, besudelt Glasflächen, weißes Mobiliar und weiße Kleidung der Mitspieler mit blutigen Spuren. Am Ende wendet es sich, genau wie die Kinder der Politiker, gegen die Mächtigen: Zuvor nützliche oder auch verschämt versteckte Elemente im Machtpoker, begegnen sie einer neuen Herrschaftsallianz aus Conrad und seiner vormaligen Gegnerin Marie Santa-Vulva zähnefletschend respektive Revolver schwingend. „Tasmanien“ enttäuscht Erwartungen auf vergnüglich-satirisches Abwatschen des Herrn Sarkozy; jenes Mannes, der die – nachher auch mit rüder Hand den Medien aufgezwungene – Glanzinszenierung der eigenen Person zum Prinzip der Staatspolitik macht. Stattdessen spielt das Stück mit surrealer Metaphorik, suhlt in perversen Drogenräuschen seiner Hauptfigur wie in meist sexuell gefärbten Gemütswirren von dessen Familie und Mitstreitern. Die Wahlrede, worin der Kandidat mit der Umbenennung Frankreichs zu Tasmanien eine Zeitenwende nach Gusto ankündigt, vollendet der Teufel vor einer Horde Comic-Hunde. Melquiot und Weise führen Sarkozy nicht als untypische Entgleisung, sondern als folgerichtiges Produkt jüngster Gesellschaftsentwicklung vor: Politik als Konglomerat aus Gier, Sex, Wahn, Allmachtsfantasie und öffentlicher Personality-Show. Das Theater taucht das in absurde bis albtraumhafte Szenen. Wer den in der Klatschpresse in allen privaten Einzelheiten ausgewalzten Aufstieg des Nicolas Sarkozy nicht verfolgt hat, dem bleiben wohl viele Verweise dieses schwer verdaulichen Abends verborgen. Weise hat sein Ensemble sehr gut auf einen Grundtenor lüsterner Dekadenz eingestellt. Im Zentrum Thomas Huber, der aus Conrad/Sarkozy eine Type formt, deren Machtinstinkt sich ganz selbstverständlich aus schwül-extremer Libido speist. Dieser Mann macht keine Politik: Conrad ist Politik und Politik ist Conrad. Vor solcher Mischpoke kann es einen nur ekeln – ein Effekt, auf den Stück und Inszenierung offenbar abzielen. Das mit einigem Erfolg. Andreas Pecht Karten/Infos: www.theater-bonn.de (Erstabdruck am 29. September 2008) |
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