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2008-10-06 Analyse/Kommentar:

Die Finanzwirtschaft hat mit Leichtfertigkeit
ihren Kredit beim Volk verspielt

 

Von nichts kommt eben auch nichts
 
ape. Jeder Tag bringt neue Hiobsbotschaften aus der Finanzwelt.  Immer neue Milliardenlöcher tun sich bei immer neuen Geldinstituten auf. Und die Regierungen, ob in den USA oder in Europa, hetzen von einem Rettungsprogramm zum nächsten. Unterdessen tobt im öffentlichen Raum ein Disput um Ursachen der Krise und politische Konsequenzen daraus.
 
Der Albtraum will einfach kein Ende nehmen. Die Front der Finanzkrise hat sich – entgegen allen Vorhersagen – erst über den großen Teich ausgedehnt, rückte dann quer durch Europa nach Deutschland vor. Mittlerweile ist die Sparkasse um die Ecke Teil der Front und werden die Schützengräben mit heimischen Steuergeldern befestigt. Unsereins sitzt im Keller, ängstigt sich vor den näher kommenden Einschlägen und davor, dass das eigene kleine Spargeld Kanonenfutter wird.

Es ist das reale Desaster der Wall-Street-Ordnung selbst, das solch bildhafte Begriffe provoziert. Selbst bislang nie durch Linkslastigkeit aufgefallene Medien lassen kein gutes Haar mehr an den „vor Gier irre gewordenen“ Herren des „Casino-Kapitalismus“. Mit der Titelschlagzeile „Zivilisiert den Kapitalismus!“ brachte eine große deutsche Wochenzeitung schon vor 14 Tagen den grundlegenden Richtungswechsel nicht nur im hiesigen wirtschaftpolitischen Meinungsbild auf den Punkt.

Glaubwürdigkeit verspielt

Doch selbst die wuchtigste Wortwahl muss sich jeweils schon tags darauf vor dem Hintergrund neuer Katastrophenmeldungen Verharmlosung vorwerfen lassen. Inzwischen glaubt niemand mehr der Finanzwelt oder der Finanzpolitik auch nur ein Wort. Abermillionen Menschen stehen bloß fassungslos und ohnmächtig dem Phänomen gegenüber, dass hunderte Milliarden Dollar und Euro sich von jetzt auf gleich einfach in Luft auflösen. Dass ein Prozess, an dessen Anfang bloß etliche zehntausend  Hauskredite in den USA standen, der globalen Geldwirtschaft plötzlich bislang geschätzte drei bis vier Billionen Dollar entzieht.

Stammtische wie Fachwelt wälzen  jede Menge Theorien, wohin all das Geld gekommen ist. „Verbrannt“, sagen Pessimisten. Unsinn, erklären Optimisten: Die amerikanischen Häuser seien ja noch da, die Kredite dafür etwa an Handwerker und Baustofflieferanten verausgabt worden, das Geld also im Umlauf. Die Krux an der optimistischen Theorie ist, dass besagte Häuser zwar noch einen Gebrauchswert haben (sie sind schließlich bewohnbar), aber keinen profitabel handelbaren Marktwert mehr. Dieser allein ist es, der die Finanzwelt interessiert. Deren Frage heißt nämlich nicht: Wie schaffe ich mit Geld Häuser (oder Nahrung, Kleidung, Waschmaschinen, Autos)? Sondern: Wie mache ich aus Geld mehr Geld?

Besessen von 20 plus X Prozent Profit

Das große Versprechen heutiger Börsenkultur lautete: Mit purer Spekulation im Geldkreislauf lassen sich höhere Renditen erzielen als mit dauerhaften Investitionen in die Güterproduktion. Die Folgen dieses Versprechens spiegeln sich in der jüngst inflationären Verwendung der trennenden Begriffe Finanzwirtschaft und Realwirtschaft, nebst den dazugehörigen sehr unterschiedlichen Gewinnerwartungen. In der Realwirtschaft gelten teils weit unter 10 Prozent als normal. Die Finanzwirtschaft hingegen war zuletzt von 20 plus X Prozent besessen. Da wurden denn die US-Haus-Hypotheken zur völlig überbewerteten, obskuren globalen Handelsware. Diese mobilisierte auf jeder neuen Veräußerungsstufe zusätzliche, durch nichts Reales mehr gedeckte Spekulationsmilliarden.

Die sich dahinter verbergenden finanztechnischen Mechanismen sind hochkompliziert. Das nun eingetretene Ergebnis allerdings war im Grundsatz ebenso vorhersehbar, wie es simpel ist: Ohne sachliche Deckung ist Geld letztendlich  nichts wert. Folglich gerät das globale Finanzsystem ins Wanken, knirscht die Weltwirtschaft in allen Fugen – und muss der sprichwörtliche kleine Mann eine Rechnung bezahlen, deren Höhe in keinem Verhältnis zu dem steht, was er bestellt und konsumiert hat. Wir hatten Ähnliches erst vor einigen Jahren beim Platzen der IT-Blase erlebt. Und was daraus gelernt? Nichts.

Die aktuell geharnischten Anfeindungen gegen die Börsen-Jongleure begründen sich teils aus dem berechtigten Vorwurf: Ihr Fachleute hättet es besser wissen müssen! Und tatsächlich sollte jeder Kaufmann, Betriebs- oder Volkswirt am Anfang seiner Ausbildung gelernt haben, dass Buchgeld ohne realen Gegenwert am Ende nur heiße Luft ist. Alles vergessen, verdrängt von der kollektiven  „Gier“ nach horrenden Spekulationsgewinnen.

Allgemeinheit als Nothelfer

Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Weshalb das Gemeinwesen den Leichtsinn der Finanzwirtschaft ausbügeln muss, damit nicht auch noch die Realwirtschaft zusammenbricht. An dieser Rettungsaktion – mit durchaus offenem Ausgang – führt wohl kein Weg vorbei.

Das Mindeste aber, was die Allgemeinheit im Gegenzug verlangen muss, ist ein strenges Finanz-Regelwerk: Auf dass die Finanzwirtschaft gezwungen werde, künftig mit unser aller Geld und Schicksal verantwortungsbewusster umzugehen. Diese Forderung steht seit Tagen im Raum. Und gleich häufen sich wieder Warnungen vor staatlicher „Überregulierung“. Diese würde die Versorgung der Wirtschaft mit frischem Geld, ja die Geldkreisläufe selbst behindern. Gegenrede: Wer oder was hat denn eben die Geldflüsse versiegen lassen und das Finanzsystem aus den Angeln gerissen? Überregulierung war es gewiss nicht.
                                                                 Andreas Pecht

(Erstabdruck am 7. Oktober 2008)

Kommentar zur aktuellen Finanzkrise
 
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