Kritiken Theater
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2008-10-05 Theaterkritik:

Wolfgang Koeppens Roman "Das Treibhaus"
auf der Werkstattbühne Bonn
 

Scheitern als Politiker und Mensch
 
ape. Bonn.  Der Bundestagsabgeordnete Kettenheuve stürzt sich von der Bonner Rheinbrücke in den Tod. So geschieht es anno 1952 laut Wolfgang Koeppens Roman „Das Treibhaus“. So wird es jetzt auch auf der Werkstattbühne des Schauspiels Bonn erzählt. Einmal mehr versucht sich ein Theater der Region an großer Literatur. In diesem Fall handelt sie von der Frühphase der Bonner Republik – und singt alles andere als ein Loblied auf  das „Raumschiff Bonn“.

Die 100-minütige Bühneneinrichtung von Frank Heuel ist Auftakt zu einem Gemeinschaftsprojekt des freien fringe ensembles und des Theaters Bonn zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik. Lesungen, Diskussionen, Vorträge folgen. Um es gleich zu sagen: Der theatralische Auftaktabend weckt vor allem das Interesse, Koeppens „Treibhaus“ wieder oder erstmals zu lesen. Denn der 1953 erschienene und im Adenauer-Deutschland heftig angefeindete Roman entfaltet eine hinreißende Sprach-, Geistes- und Gefühlsmacht.

Das Theater versucht erst gar nicht, die Vorlage in ein Schauspiel zu verwandeln. Und ist damit gut beraten. Fünf Darsteller und ein Musikant „erzählen“ Romantext, interpretieren und versinnlichen ihn, indem sie für Momente in Rollen schlüpfen, Atmosphären und Stimmungen skizzieren. Um gleich darauf wieder die Position distanzierter Beobachter des Zeitgeschehens einzunehmen. Damit dienen sie auf ihre Weise dem Roman – und das machen sie sehr gut, sehr eindringlich und sehr genau dem Geist des Textes folgend.

Wir erleben also eine Art szenische Lesung, die hineinführt in zwei Tage im Leben eines ebenso aufrechten wie schlussendlich scheiternden Demokraten. Denn dieser Kettenheuve ist Pazifist und widersetzt sich als Abgeordneter sowohl der Wiederbewaffnung wie der Westintegration der Bundesrepublik. Man will ihn an die Kandarre nehmen, bestechen, wegloben. Doch der Mann bleibt sich treu – und scheitert politisch ebenso wie im Privaten: Die trunksüchtige Gattin ist Kettenheuve übers Politgeschäft weggestorben, seine Neigung zu ganz jungen Frauen treibt ihn in noch tieferere Aussichtslosigkeit.

Ein pessimistischer Roman, ein pessimistischer Theaterabend. Ersterer über die Maßen bewegend, interessant, aufschlussreich. Letzterer auf durchaus einnehmende Art zur Lektüre motivierend.                                                                                     Andreas Pecht

(Erstabdruck am 17. Oktober 2008)


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