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2008-11-11 Buchkritik:

"Schwarz und ohne alles", der neue Erzählband
von Gabriele Wohmann

 
Labsal im Beziehungszirkus

 
ape. Sie ist eine der stillen Qualitätsarbeiterinnen der literarischen Szene: Die 1932 in Darmstadt geborene Schriftstellerin Gabriele Wohmann, die 1985 auch das Stadtschreiberamt zu Mainz bekleidete. Sie machte nie große Schlagzeilen, tauchte selten an der Spitze der Bestsellerlisten auf. Und doch gehören vor allem ihre seit den 1950ern erschienen Erzählungen zum Grundbestand deutscher Gegenwartsliteratur.  Wohmanns jüngstes Buch versammelt unter dem alltäglichen Kaffeewunsch „Schwarz und ohne alles“ (Titel) 17 Geschichten aus dem weiten Feld ihres engsten Themenkreises: Beziehungen zwischen Männern und Frauen, Eltern und Kindern, Familien und Welt. Auch diesmal wohnt in den Erzählungen das normale Leben normaler Mittelklassemenschen. Genauer: Kleine Unregelmäßigkeiten und Zuspitzungen desselben.
 
Schneit die junge, bildhübsche Pizza-Ausfahrerin Pamela zufällig hinein in den wohl geordneten Ehealltag des Feuilletonisten Norbert und seiner Frau Greta. Da wird, man kennt das, der gesetzte Zeitungsschreiber putzmunter. Was die Gattin erst missmutig und von Eifersucht gezwackt beobachtet. Doch auch sie kann sich dem Reiz von Pamelas Jugendfrische nicht entziehen, verfällt ihrerseits auf altersungemäßes Girly-Gehabe.

Was anläuft wie ein trivialer Wettstreit zwischen knackiger Maid und reifer Frau wird bei Wohmann zur unaufgeregt literarisierten Episode einer Ehe, die mit gefährlichen Möglichkeiten bloß spielt. Die denkbaren Sündenfälle finden nie statt. Selbst ein Besuch der lesbischen Pamela in Gretas Bett führt zu gar nichts. Am Ende bleibt eine den Alltag etwas belebende, weil ziemlich skurrile Freundschaft zwischen den Generationen.

Die 76-jährige Autorin ist altersmilde geworden. Wie schon in ihrem 2006 erschienen Band „Scherben hätten Glück gebracht“ fehlt auch den jüngsten Erzählungen die satirische Galligkeit früherer Arbeiten im Blick auf die hintergründigen Beschädigungen ihrer Protagonisten. Dennoch gibt es auch in „Schwarz und ohne alles“ Momente von enormer Schärfe. So in der Geschichte „Sperrmüll“ über die 14-jährige Bina, die wechselweise bei ihren überbeschäftigten leiblichen Eltern und bei Gasteltern lebt.

Wohmann schießt nicht gegen diese Familienkonstellation an sich. Sie beobachtet vielmehr sehr genau die pubertären Nöte, Träume, Sehnsüchte des Mädchens darin und die völlige Stumpfheit respektive Ignoranz beider „Elternpaare“ dafür. Liberale Spießer, die sie sind, können sie über eine Phase religiöser Inbrunst bei dem Mädchen nur lachen. Erzieherische Tyrannei „zum Besten“ Binas: Ihr kleiner, selbst gebastelter Hausaltar wird von den Eltern ohne Vorwarnung auf den Sperrmüll entsorgt.

Damit endet diese Erzählung. Belehrung ist Wohmanns Sache nicht; interpretieren, denken, Schlüsse ziehen darf der Leser selbst. Wie überhaupt Vieles in diesen Beziehungsgeschichten nicht aufdringlich auf der Hand liegt, sondern aus der mittels feiner Sprachnuancen aufgebauten Atmosphäre abgeleitet werden will. Nicht in allen, aber doch in der Mehrzahl der 17 Erzählungen  ist der so entstehende Blick auf Menschenbeziehungen eine Labsal inmitten gedruckter und TV-versendeter Flut banaler Beziehungsdramatik.                                                   Andreas Pecht

Gabriele Wohmann: Schwarz und ohne alles; aufbau-Verlag, 221 S., 19,95 Euro


(Erstabdruck am 14. November 2008)
 
 
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