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2008-11-29 Feature:

Spannende Brückenschläge von akademischem Campus zu städtischem Leben und umgekehrt


Junge Liebe zwischen
Stadt und Uni Koblenz

 
ape. Koblenz. 

Sie ist blutjung, recht klein und liegt ziemlich weit draußen: die Universität Koblenz; Benjamin unter den rheinland-pfälzischen Unis. Zwischen der 1990 gegründeten akademische Anstalt und der über Jahrhunderte vor allem als eine der bedeutendsten Militärgarnisonen Deutschlands bekannten Stadt fremdelt es noch. Der Schulterschluss von Stadtbevölkerung und Universität steckt erst in den Kinderschuhen. Die junge Uni will das Erwachsenwerden mit einer Öffnungs-Offensive beschleunigen. Die soll Brücken schlagen zwischen Campus und Stadt nach der Devise: Raus aus der Gelehrtenstube, hinaus auf Straßen und Plätze!

 

Samstagvormittag, beste Einkaufszeit. Im Koblenzer Zentrum herrscht reges Getriebe. Da tritt im historischen Geburtshaus des Fürsten Metternich, gelegen am innerstädtischen Münzplatz, ein Universitätsprofessor ans Rednerpult. Rudolf Lüthe lehrt sonst Philosophie an der vier Kilometer die Mosel hinan auf dem Gelände einer ehemaligen Pionierkaserne angesiedelten Uni. An diesem Morgen referiert er fernab des Campus über „Das Projekt Globalisierung und das Problem der Fundamentalismen“. Sein putzmunteres Publikum besteht aus – jedermann/frau, der/die gerade mal Zeit und Lust hat, am Samstag zwischen Frühstück und Mittag, Einkaufstour und Stadtbummel für eine Stunde kostenfrei den Hirnzellen Bewegung zu verschaffen.


Inmitten allen Volkes


So begann im Frühjahr 2008 unter dem Titel „Forum Wissenschaft“ eine ungewöhnliche Veranstaltungsreihe, von Universität und Volkshochschule Koblenz gemeinsam auf die Beine gestellt. Wobei Forum hier – in Nachbarschaft von Kaufhäusern, Boutiquen, Kaffeewirtschaften und Kneipen - buchstäblich als öffentlicher Platz freier Rede vor interessiertem Volk gemeint ist. Bis Ende November referierten an gleicher Stelle zu denselben Konditionen noch Lehrstuhlinhaber aus den Bereichen Biologie, Pädagogik und Geschichte. Fortsetzung für 2009 geplant, zumal der Publikumszuspruch beachtlich ist und alle Beteiligten sichtlich ihre Freude daran haben: Die Akademiker am Interesse und gegebenenfalls auch an bohrender Nachfragen der „normalen Leute“; die Koblenzer an der lehrreich-belebenden Begegnung mit „ihren“ Professoren.


Dieses „Forum Wissenschaft“ ist eine von etlichen Initiativen in jüngerer Zeit, die letztlich immer auch auf den Brückenschlag von Stadt und Region einerseits zur Universität andererseits abzielen. Wolf-Andreas Liebert, der jetzt scheidende Vizepräsidenten der Uni Koblenz, hatte bei seinem Amtsantritt 2004 dieses Zusammenrücken zum Programm erklärt. Nutzen davon hätte nicht nur die Region, sondern im Gegenzug gilt nach seiner Überzeugung auch: Angewandte Forschung braucht eine Universität, die fest in der Region verankert ist.“


Dieser heute weithin anerkannten Auffassung kommt für den Koblenzer Campus zudem in einem speziell rheinland-pfälzischen Sinne Bedeutung zu. Mit seinen inzwischen 6000 Studierenden steckt die akademische Einrichtung in einer abstrusen, bundesweit ziemlich ausgefallenen Konstellation: Sie ist nur die halbe Universität; die andere Hälfte steht mit weiteren 6000 Studierenden im mehr als 150 Kilometer entfernten Landau; das gemeinsame Präsidialamt sitzt derweil mittig in Mainz. So gesehen ist die Universität Koblenz-Landau, wie sie offiziell heißt, eigentlich ein verwaltungstechnisches Konstrukt ohne Bodenhaftung. In der Realität allerdings entwickeln sich die beiden Standorte weitgehend eigenständig – nicht zuletzt bei den Bemühungen um Verankerung in ihrer jeweiligen Region.


Diese Bemühungen gehen für Koblenz in zwei Richtungen. Einerseits von der Universität in die Stadt hinein, wie im Falle des „Forums Wissenschaft“. „Dabei suchen wir die Kooperation mit allen denkbaren in Stadt und Region ansässigen Institutionen“, erklärt Liebert. Andererseits öffnet die Universität ihre Tore weit und lädt das Stadtbürgertum zu sich ein. Die Liste von aushäusigen Gemeinschaftenprojekten ist mittlerweile lang. Einige Beispiele: Vortragsreihe „Bilder, die lügen“ in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung in deren Koblenzer Domizil; europäischer Medienkunstwettbewerb in Zusammenarbeit mit dem Kultursommer Rheinland-Pfalz nebst Ausstellungen auf dem Campus und im städtischen Rathaus; Markt der Sprachwissenschaft in der Innenstadt als Kooperation mit der kaufmännischen Interessensgemeinschaft Obere Löhr.


Inspirierend für Forschung und Lehre


2008 gab es dann erstmals eine Werk-Präsentation der universitären Kunstwissenschaftler in den städtischen Ausstellungsräumen des Hauses Metternich. Ein ganz junges Kind der Außerhaus-Kooperationen ist die Vortragsreihe „MachtMarktKunst“ in Zusammenarbeit mit dem Künstlerhaus des Landes Rheinland-Pfalz auf Schloss Balmoral im benachbarten Bad Ems. Besonders faszinierend fand Liebert dabei die Begegnung von Akademikern mit den auf Balmoral arbeitenden Stipendiaten der jüngsten Avantgarde-Kunstrichtungen. Überhaupt spricht der Uni-Vizepräsident den vielfältigen Kontakten zwischen verschiedenen Gruppen am Ort eine inspirierende Wirkung auch und gerade für den Forschungs- und Lehrbetrieb zu.


Wie umgekehrt offene Veranstaltungen in der Universität deutliche Bereicherung des städtischen Kultur- und Geisteslebens sein sollen und in wachsendem Maße auch sind. Drei gemeinsam mit dem Freundeskreis der Universität veranstaltete öffentliche juristische Ringvorlesungen je Semester auf dem Campus sind in der instanzenreichen, sich bis zum Verfassungsgerichtshof erstreckenden Justizstadt Koblenz eine weit über universitäres Interesse gehende Einrichtung. Gleiches lässt sich von den Universitätsmusiktagen und den regelmäßigen Produktionen der Universitäts-Theatergruppe sagen. Beide konnten in 2008 starken Publikumszuspruch auch von außerhalb der Uni-Gemeinde verbuchen. Dies gilt erst recht etwa für die speziell auf externe Nutzer ausgerichtete „Kinder-Universität“, ebenso für die „Eltern-Universität“.


Die Stadt und ihre Uni: In Mainz, Trier, Marburg oder Heidelberg, wo seit ewigen Zeiten Studierende und Hochschullehrer eine der größten Gruppen innerhalb der Stadtbevölkerung darstellen, leben beide wie ein altes Ehepaar in größter Selbstverständlichkeit fast symbiotisch zusammen. Doch leben sie nicht selten lieblos wie maulfaul nebeneinander her. In Koblenz beschnuppern und umwerben Uni und Stadt sich noch wie Jungverliebte vor dem ersten Rausch. Mag sein, dass manch ehrwürdige Alma mater sich am mittelrheinischen Geturtel wieder ein bisschen Belebung abgucken könnte. Andreas Pecht


Infos: www.uni-koblenz.de

(Erstabdruck Woche 48 im November 2008)

 
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