Thema Gesellschaft / Zeitgeschichte
Thema Politik
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2008-12-09 Analyse/Kommentar:

Zum 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO am 10. Dezember 1948

 

Meilenstein zivilisatorischer Entwicklung

 
ape. Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die UNO-Generalversammlung die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Erstmals in der Geschichte wurden damit unveräußerliche Rechte des Individuums durch eine internationale Vereinbarung festgeschrieben. 60 Jahre später werden jedoch überall auf der Welt Menschenrechte noch immer mit Füßen getreten.
 
In 150 Ländern wurden laut amnesty international auch in diesem Jahr mehrfach oder systematisch die Menschenrechte missachtet. Nicht nur im Sudan, in Somalia und Simbabwe, in China, Kolumbien oder Pakistan. Auch im EU-Land Ungarn; ja selbst in den USA, deren Unabhängigkeitserklärung 1776 zum ersten Mal überhaupt unveräußerliche Menschenrechte als Rechtsgut im Verfassungsrang definierte. Wenn in Budapest Homosexuelle gewaltsam drangsaliert werden, auf Guantanamo Willkürjustiz geübt wird, oder viele deutsche Betriebe Frauen für die gleiche Arbeit noch immer 30 Prozent unter ihren männlichen Kollegen entlohnen - dann verstößt auch das gegen die Menschenrechtskonvention.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, heißt es darin im ersten der 30 Artikel. Und der zweite besagt, jeder Mensch solle alle Rechte und Freiheiten ausüben dürfen „ohne irgendeinen Unterschied etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“. Doch rund drei Viertel der UNO-Mitgliedsstaaten halten sich nicht oder nicht    konsequent an die Deklaration.

Das könnte den Schluss nahe legen, die 1948 in Paris verabschiedete Grundsatzerklärung sei nur   eine Liste frommer Wünsche - eine edle, aber in der harten Realität bedeutungslose Utopie. Wohl keiner der vor 60 Jahren am Entstehen dieser Konvention beteiligten Diplomaten und Politiker war so weltfremd, zu glauben, dass mit der Verabschiedung dieser – völkerrechtlich unverbindlichen – Empfehlung auch zugleich ihre globale Verwirklichung eintreten würde.

Schon die Abstimmung in der damaligen UN-Vollversammlung signalisierte: Es gibt etliche Länder, die mit dieser Menschenrechtskonvention wenig oder gar nichts im Sinn haben. Von den seinerzeit 56 UN-Mitgliedsstaaten votierten 48 dafür. Die übrigen acht enthielten sich: Sechs kommunistische Staaten, das muslimische Saudi-Arabien und das Apartheid-Regime Südafrikas. Dennoch war, was in Paris unter dem nachwirkenden Schock der Gräuel des Zweiten Weltkrieges beschlossen wurde, eine Revolution - ein Meilenstein der zivilisatorischen Entwicklung.

Recht auf Leben, Ächtung der Folter, Verbot der Sklaverei, Gleichstellung von Mann und Frau, Recht auf Bildung für jedes Kind, auf ordentliche Gerichtsverfahren, auf Arbeit, auf Begrenzung der Arbeitszeit, Meinungs-, Versammlungs- und Organisationsfreiheit... Diese Charta definiert eine Vielzahl von Rechten für das Individuum innerhalb der Gesellschaft und gegenüber kollektiven Mächten wie Staat und Wirtschaft. Sie verlangt von den Regierungen, dass sie die Individualrechte der Menschen anerkennen und schützen, weil es sich um universelle Rechte handelt, die jedem von Geburt an und ohne Vorleistung zustehen.

So zahlreich die Verstöße gegen die Menschenrechtscharta auch sind, ihre Existenz hat über die zurückliegenden 60 Jahre weltweit doch ethisch-moralische Normen gesetzt. Nicht  nur, dass vieles von dem, was 1948 bloß Empfehlung war, inzwischen in Folgevereinbarungen teils verbindlich wurde: Etwa im UN-Sozialpakt von 1966 und im Abkommen gegen Rassendiskriminierung im gleichen Jahr; oder in der Anti-Folter-Konvention von 1984, ebenso in der Kinderrechtskonvention aus dem Jahr 1989.

Das Klima hat sich auch grundsätzlich verändert: Menschenrechtsverletzungen mag sich heute kein Land mehr vorwerfen lassen. In solchen Fällen wird vertuscht, dementiert oder der argumentative Versuch unternommen, die inkriminierten Praktiken vom Geruch der Menschenrechtsverletzung zu entlasten. So George W. Bush im Falle Guantanamo, so China und Russland bei der Behandlung ihrer Dissidenten, so alle Länder mit Todesstrafe. So auch islamische Staaten, wenn sie die Stellung der Frau in ihren Gesellschaften als im Grundsatz frei von Unterdrückung beschreiben.

Natürlich, zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen gewaltige Lücken. Aber wie die Zehn Gebote der christlich-jüdischen Kultur ein Gefühl für Recht und Unrecht im mosaischen Sinn einprägten, hat die Menschenrechtscharta einen allgemeingültig-weltlichen Kanon für Recht und Unrecht verbreitet. Der ist vor Missbrauch und Rückschlägen nicht gefeit. Militärische Interventionen aus Eigeninteresse unter dem Deckmantel der Menschenrechts-Verteidigung sind auch in jüngerer Zeit ein Übel. Anderes Beispiel: Die zunehmende Infragestellung des Folterverbotes in den vergangenen Jahren muss als höchst bedenklich gelten.

Doch ist mit der Menschensrechtscharta ein Bewusstsein herangereift, das zweifelhafte Staatspolitik und fragwürdigen Umgang mit Individualrechten generell in einem Maße unter Rechtfertigungsdruck setzt, wie das global in keiner Epoche zuvor der Fall war.  Andreas Pecht


(Erstabdruck am 10. Dezember 2008)
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken