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2008-12-18 Schauspielkritik:

"Der große Krieg": Starke Uraufführung dreier Einakter
von Neil LaBute am Schauspiel Bonn


Erbarmungsloser Blick
auf erloschene Liebe
 
ape. Bonn.  Neil LaBute ist einer der bedeutendsten Autoren heutiger Dramatik. Seit der deutschsprachigen Erstaufführung seines Stückes „Bash“ 2001 durch Peter Zadek gehören die  Arbeiten des Amerikaners zum Kernbestand zeitgenössischer Theaterpflege in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In den zurückliegenden drei Jahren avisierte das Schauspiel Bonn zur wichtigen Erstaufführungsbühne für LaButes Stücke in Europa. Jetzt wurden dort unter der Überschrift „Der große Krieg“ an einem Abend drei neue Einakter uraufgeführt.

Krieg herrscht bei LaBute allemal – Beziehungskrieg. Den auf die Bühne zu bringen, braucht es äußerlich nicht viel: Mal einen Tisch mit vier Stühlen; mal zwei Stühle und ein Schüsselchen mit Chips. Mal, im Monolog „Was Ernstes“, genügt ein Quadrat aus Licht an der Wand, vor dem Birte Schrein zum Abschluss zweier intensiver Theaterstunden im Urvertrauen auf „ernsthafte“ Liebe vergeblich den Geliebten erwartet. Gesine Kuhns Bühne macht stets Platz fürs alles entscheidende Spiel der drei beteiligten Mimen. Jennifer Wighams Regie ist genau darauf konzentriert.

Zum Abend-Auftakt „Die Furien“. Da begegnen sich Paula und Jimmy, um ihre kriselnde Beziehung zu bereden. Er bringt als Verstärkung seine Schwester Jamie (Anke Zillich) mit, die ihm ständig Gehässigkeiten wider die andere einflüstert. Jamie die Kriegstreiberin, Jimmy unentschlossene Partei und ihre Waffe zugleich, Paula die Angegriffene: Vorgeführt wird das Sticheln, Treten, Verletzen im Vorfeld der finalen Beziehungsschlacht. Doch plötzlich bietet sich mit der Eröffnung Paulas, sie werde binnen sechs Wochen sterben, die Möglichkeit zum Friedensschluss. Was klappen könnte, gäbe es bei diesem Autor Happy-ends. Gibt es aber nicht, denn LaButes tragikomisch unterminierte Situations- wie Sprachgestaltung ist die des Desillusionisten.

So auch im folgenden titelgebenden Einakter „Der große Krieg“, der ein Paar in einer Phase der Nachverhandlung zur längst geschlagenen Ehe-Schlacht beobachtet. Über neun Jahre eingeschliffener Hass liegt offen zutage, wechselseitig verbale Erniedrigung prägen die Konversation. Es geht nur noch darum, wer wwelche Besitzanteile kriegt, und vor allem: Wer die Kinder übernimmt? Der Mann verzichtet, hat weder Platz noch Zeit; hatte sie überhaupt nur gezeugt, weil Kinder eben eine normative Größe im US-Lebensideal sind.  Überraschung: Die Frau will sie auch nicht, mochte sie noch nie – die Kleinen nerven als Abbild des verabscheuten Gatten und Symbol für vergeudete Lebenszeit.

Das ist starker Tobak in Zeiten allfälliger Rückbesinnung auf Familiewerte. Eine Provokation, die LaBute auffängt, indem er die Frau aus der Rolle fallen lässt: Birte Schrein erklärt unter Tränen ihrem Mitspieler Yorck Dippe, sie könne dieses Stück nicht weiterspielen. Die Zuseher ruft sie auf, sofort zu gehen, um daheim ihre Kinder liebend in die Arme zu schließen.

Ist die Wirklichkeit Theater oder Theater wirklich? Vor allem in der dichten, ungemein variablen, hohen Darstellungskunst der Birte Schrein werden die Grenzen fließend. Deshalb wohl hat Neil LaBute auch die jüngsten Stücke wieder eigens für die Bonner Schauspielerin geschrieben.                                         Andreas Pecht

Infos: www.theater-bonn.de

(Erstabdruck am 19. Dezember 2008)

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Kritiken weiterer Aufführungen von LaBute-Stücken:

2008-04-06 Schauspielkritik:
"Tag der Gnade" von Neil LaBute im
Koblenzer Off-Theater Konradhaus


2007-02-08 Schauspielkritik:
Deutsche Erstaufführung von drei Stücken Neil LaButes in Bonn


2006-05-01 Schauspiel:
Deutschsprachige Erstaufführung
von LaButes "Wie es so lief" in Bonn




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