Kolumne »Guten Tag allerseits«
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Sie finden hier die gesammelten Intro-Texte aus der Startseite von www.pecht.info im Monat Juni 2008 (beginnend beim ältesten Text, abwärts zu den jüngeren fortschreitend)
2008-06-09
Guten Tag allerseits,
bei der Vorbereitung auf einen Seminarvortrag bin ich auf "Das Hungerlied" von Georg Weerth aus den 1840er-Jahren gestoßen, das auf so schön einfach Art verdeutlicht, warum die Entwicklung der Lebensmittelpreise auch saturierte Globalisierungskapitäne beunruhigt.


"Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig,
Und am Dienstag aßen wir nicht.

Und am Mittwoch mussten wir darben,
Und am Donnerstag litten wir Not;
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod.

Drum lass am Samstag backen
Das Brot, fein säuberlich -
Sonst werden wir Sonntags packen
Und fressen, o König, dich!"

Wünsche anregende Lektüre,
Andreas Pecht
 
2008-06-16
Guten Tag allerseits,
zwei kurze Anmerkungen zur Krise der SPD.

1.) Es wird deutlich, dass die Soziale Frage noch immer eine der entscheidenden Triebfedern des politischen Geschehens ist. Die Regierung Schröder hat die Sprengkraft der Sozialen Frage verkannt, die SPD seither keine Antworten mehr geben können auf die sozialen Sorgen der Menschen im wiedererstandenen und ungehemmten "Raubtier-Kapitalismus". Die Neigung ehedem führender Sozialdemokraten (und Gewerkschafter) sich von Partei- und/oder Amtssesseln direkt in flauschige Polster auf Wirtschaftsseite fallen zu lassen, hat das Misstrauen ins soziale Verantwortungsgefühl der Sozialdemokratie obendrein generell erschüttert.

2.) Die SPD hat noch immer nicht begriffen,  geschweige denn sich darauf eingerichtet, dass sie wieder in einer historischen Normalsituation angekommen ist, wie sie für systemkonforme und bestenfalls reformistische Sozialdemokratien im Grunde unvermeidlich ist. Die deutschen Sonderbedingungen nach Kriegsende hatten der SPD erspart, was für die Mehrzahl  ihrer "Schwesterparteien" im übrigen Westeuropa jahrzehntelang Alltag war: die ständige Auseinandersetzung mit teils sehr starken Parteien links von der Sozialdemokratie. Die deutsche Linkspartei stößt deshalb derzeit auf eine kopflose, weil diesbezüglich völlig unerfahrene  SPD-Generation. Weshalb es gescheit wäre, wenn die Sozis sich mal wieder mit ihrer eigenen Parteigeschichte von der Gründung bis 1933 befassen würden. Um zu sehen, wie das geht, wenn es Konkurrenz von links gibt. Und um zu sehen, was man in solcher Lage sonst noch falsch machen kann. (Etwa wie 1914 Patriotismus zur ersten Bürgerpflicht zu erklären und mit Hurra in Kriege einzutreten; oder eben vor lauter Begeisterung darüber, dass man zum staatstragenden Establishment gehört, Not, Angst und Wut am unteren Ende der Gesellschaft auszublenden).


 
Wünsche Erhellung und Anregung
bei der Lektüre nebenstehender neuer Texte
2008-06-25
Guten Tag allerseits,
fürs gedankliche Urlaubsgepäck ein paar schöne Sätze, gefunden und aufgehoben bei der besseren Lektüre der vergangenen Tage.

"O Müßiggang, Müßiggang! du bist die Lebensluft der Unschuld und der Begeisterung; dich atmen die die Seligen, und selig ist wer dich hat und hegt, du heiliges Kleinod! einziges Fragment von Gottähnlichkeit, das uns noch aus dem Paradies blieb."
(Friedrich Schlegel im Roman "Lucinde")

Was ist Luxus? "Die unabwendbare Apokalypse mit einer endlosen Liturgie aus raffinierten, leeren und verzweifelten Gesten vorwegzunehmen."
(Alessandro Baricco im Roman "Diese Geschichte")

"Jetzt, wo ich diesen stechenden Schmerz kenne, wenn man Wünsche hat, die viel zu jung für einen sind."  Aber auch dies: "Wenn das Erwachsenenleben dir das gegeben hat, was du wolltest , muß das Alter eine Art zweiter Kindheit sein, in der du wieder spielst und es keinen mehr gibt, der dir sagen kann, daß du aufhören sollst." (Baricco, ebenda)

"Es war eine Mischung aus Glück und Unglück. Es war Glück, das sich wie Unglück anfühlte." (Peter Stamm in "Wir fliegen")

"Daran, dass man alt ist, stirbt man nicht."
(Martin Walsers Goethe in "Ein liebender Mann")

"Dass niemand in dich verliebt ist, ist nur eine Gemeinheit, wenn du in jemanden verliebt bist und deine Liebe wird nicht erwidert."
(Walser, ebenda)

"Wir leben nie, wir warten darauf zu leben!" (Voltaire)

"Man weiß ja als Schriftsteller nie, ob das, was man geschrieben hat, Blödsinn ist oder nicht." (Hermann Broch)

"Kunst entsteht nicht aus einem Gefühl, sondern aus der Erinnerung an ein Gefühl." (Hans Sahl in "Memoiren eines Moralisten")

"Ich kämpfte mit jedem Buchstaben und glaubte eine große Tat getan zu haben, indem ich das Gewöhnliche bekämpfte, wo immer ich es antraf." (Sahl, ebenda)
  
Wünsche schöne Sommertage sowie Erhellung und Anregung
bei der Lektüre nebenstehender neuer Texte