Kolumne »Guten Tag allerseits«
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Sie finden hier die gesammelten Intro-Texte aus der Startseite von www.pecht.info im Monat August 2008 (beginnend beim ältesten Text, abwärts zu den jüngeren fortschreitend)
2008-08-04
Guten Tag allerseits,
beim Schreiben des Artikels über Alexander Solschenizyn
2008-08-04 Nachruf:
Zum Tod von Solschenizyn

schießen mir plötzlich zwei ganz themenfremde Gedanken durch den Kopf. Der erste: In der aktuellen Diskussion um die Renaissance der Atomkraft  wird zwar heftig um ökonomischen Sinn oder Unsinn respektive Notwendigkeit oder nicht dieser Form der Energieproduktion diskutiert. Deren Risiken im Betrieb und deren "Restrisiken" für den Eintritt eines großen Unfalls sind indes kaum noch Gegenstand der Debatte. Einfach ausgeblendet der Faktor, dass ein AKW-GAU zwar höchst selten vorkommen mag, dass er im Ereignisfall aber ganze Kontinente dauerhaft in Mitleidenschaft zieht, während selbst allergrößte Unfälle in konventionellen Kraftwerken stets temporäre lokale Ereignisse bleiben. Der denkbare Wirkungsgrad von Atomunfällen sollte eigentlich hinreichen, diese Technik möglichst rasch zu verwerfen. Warum wird es nicht getan? Wohl auch, weil entgegen jeder vernünftigen Wahrscheinlichkeitsrechnung einfach im schier religiösen Sinne GEGLAUBT wird, dass ein Atomunfall wie in Tschernobyl (oder noch schlimmer) heute grundsätzlich ausgeschlossen werden könne. Tatsächlich aber kann das niemand, erst recht nicht, sollte sich die Zahl der Meiler global vervielfachen und sollten deren Laufzeiten bis ins Greisenalter verlängert werden.

Der zweite Spontangedanke stellt eine Verbindung zwischen Klimawandel und Weltüberbevölkerung her. Immer noch ist gelegentlich das Argument zu hören, Warmphasen habe es in der Menschheitsgeschichte schon öfter gegeben und noch jedesmal habe die Spezies überlebt. Mag ja so sein. Aber ein wesentlicher Unterschied zu "früher" ist: Ausweichen in andere Siedlungsgebiete geht kaum mehr auf einem Planeten, den sieben Milliarden Menschen bevölkern. Selbst einmal - unsinnigerweise - unterstellt, der aktuelle Klimawandel sei einzig eine natürliche Wärmephase und habe mit zivilisatorischer Umweltbelastung gar nichts zu tun: Die neuerdings aufkommende Diskussion über Strategien für den Umgang mit Klimawandel-Folgen hat die Dimension etwa des Flächen- und Ressourcenbedarfes einer derart dichten und sich quantitativ wie "qualitativ" sprunghaft  entwickelnden Weltbevölkerung noch nicht mal im Ansatz erfasst.

Was das alles mit Solschenizyn zu tun hat? Keine Ahnung. Vielleicht wollte das Hirn einen Zusammenhang herstellen zwischen einem Mann, der unangenehme Wahrheiten unabhängig davon äußert, wem sie gerade in den Kram passen oder nicht, und unangenehmen Wahrheiten, die zurzeit von interessierter Seite ziemlich raffiniert aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt werden.             

Wünsche Erhellung und Anregung
bei der Lektüre nebenstehender neuer Texte

Andreas Pecht
 
2008-08-10:
Guten Tag allerseits,
wird das Datum 8. August 2008 eher als Eröffnungstag denkwürdiger 29. Olympischer Spiele oder als Ausbruchstag des Kaukasus-Krieges im historischen Gedächtnis bleiben? Für den medial zugeschalteten Zeitgenossen entfaltet die Gleichzeitigkeit der Ereignisse jedenfalls desillusionierende Wucht. "Eine Welt, ein Traum" heißt es in Peking, und Putin klatscht im olympischen Vogelnest dazu Beifall - wissend, dass im selben Augenblick nur ein paar Tausend Kilometer weiter auf sein Geheiß hin russische Truppen in den Krieg ziehen. Noch während der Feiern in China wechselt vor dem geistigen Auge das Olympia-Leitmotto seinen Charakter von ersehntem Ideal zu realexistierendem Wahnsinn: Eine Welt, ein Albtraum.

Was da im Kaukasus derzeit vor sich geht, ist im Grunde bloß die Wiederaufführung eines uralten Stückes: Großmächte (Russland vs. USA/Nato) machen ihr Spiel um Macht und Einflusssphären, eine unscheinbare Mittelmacht (Georgien) gibt den Spielball ab und das Schicksal eines winzigen Völkchens in einer scheinbar vergessenen Weltecke (Südossetien) wird zum Spielanlass zurechtgebogen. Georgien will zum Westen, der Westen will Georgien; Russland hingegen will Herr im eigenen Vorhof bleiben, kann Georgien deshalb nicht dem Westen überlassen. Wer´s  bis hierhin noch nicht versteht, nehme einmal die Trassenverläufe existierender wie noch geplanter Öl- und Gaspipelines in jenem Teil der Erde unter die Lupe: Geriete Georgien unter Nato-Einfluss, die geostrategische Position Russlands würde erheblich geschwächt.

Zurück nach Peking, hin zu den Eindrücken von und den Resonanzen auf die olympische Eröffnungsfeier. Die Auftritte mancher Moderatoren und Kommentatoren hatten etwas Bemühtes, auch etwas Bigottes an sich. Mit entnervender Ausdauer suchte Sandra Maischberger als TV-Sprecherin bei der Liveübertragung Sportler und Publikum unaufhörlich nach irgendwas ab, das irgendwie als politischer Protest gegen das chinesische Regime gedeutelt werden könnte. Nachgerade absurd waren dann Bemerkungen einiger West-Beobachter, die Bombast und Masseninszenierungen des Eröffnungsprogramms  teils als typischen Ausdruck totalitär-kommunistischer Ästhetik verstanden wissen wollten. Schon vergessen? Für Veranstaltungen dieser Art waren, egal wo sie stattfanden, immer Bombast und durchchoreografierte Massenauftritte charakteristisch - ob Olympia oder bloß Deutsches Turnfest. Man kann das mögen oder nicht, aber man kann den Chinesen doch nicht zum Vorwurf machen, dass sie es ziemlich gut hingekriegt haben und sie sich darüber auch noch freuen.

Natürlich sind diese Olympischen Spiele ein Politikum und ist auch mein Verhältnis dazu ein fast schmerzhaft ambivalentes. Wo heute vor allem der repressive Charakter des China-Regimes die Freude am sportiv-multikulurellen Weltjugendfest trübt, war es - neben dem Dauerärgernis Doping - in den Vorjahren schon dessen widerwärtige Totalkommerzialisierung bei den im Westen ausgetragenen Spielen. Erinnert sei an die diesbezüglich hoch aufschäumende Diskussion etwa während der Olympiade von Atlanta 1996. Erinnert sei ebenso an den Disput über die irrwitzigen Sicherheitsmaßnahmen bei den Winterspielen von Salt Lake City 2002. Wir vergessen zu schnell und neigen gerne dazu, mit ungleichem Maß zu messen. Und das diesmal besonders kräftig angesichts des Selbstbewusstseins, das der wirtschaftlich boomende 1,3 Millarden-Menschen-Gigant China verströmt; jetzt eben auch mit seinem eindrucksvollen olympischen Hinweis auf eine 5000-jährige Hochkultur.

 Woran also werden wir uns in einigen Jahren eher erinnern: an Olympia in Peking oder den Krieg im Kaukasus? Das hängt ab vom weiteren Gang der Dinge – vor allem auf dem Schlachtfeld. Mein Wunsch: Mögen die olympischen Spiele 2008 ein großes Kapitel im Geschichtsbuch schreiben und ein schon im Anfangsstudium wieder beendeter Krieg als Fußnote in selbigem verschwinden.                 
                            

Wünsche Erhellung und Anregung
bei der Lektüre nebenstehender neuer Texte

Andreas Pecht            
2008-08-14:
Guten Tag allerseits,
heute nur ein kurzer Hinweis in eigener Sache. Theaterkritiken (Schauspiel und Ballett) sind einer der Schwerpunkte mener Tätigkeit und gehören auch in  diesem Artikeldienst zu den besonders häufig besuchten Seiten. Deshalb habe ich mich entschlossen, als Service für die theaterinteressierten Leser im Großraum von Darmstadt bis Köln einen monatlichen Premierenkalender zu erstellen. Die regionale Begrenzung ist praktischen Erfordernissen geschuldet, orientiert sich an meinem eigenen Einsatzraum als Kritiker (plus Nachbarschaft) sowie an der Kernreichweite von www.pecht.info.

2008-08-12 Service:
Theaterpremieren August/September
im Großraum von Darmstadt bis Köln


In welchem Haus kommt demnächst was wann neu auf die Bühne? Darüber gibt der Kalender monatlich aktualisiert einen knappen Überblick. Über direkte Links zu den Internet-Auftritten der jeweiligen Theater kann der Interessierte sich schnell weitere Infos über Folgevorstellungen, ggf. Stücke und Besetzungen verschaffen sowie Karten bestellen. Der Kalender umfasst Staatstheater, Stadttheater und Landesbühnen in Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Kaiserslautern, Mainz, Koblenz, Neuwied, Trier, Bonn und Köln. Sie finden den Zugang zum Premierenkalender jeweils im oberen "Hinweis"-Feld der aktuellen Inhaltsleiste am linken Rand der Startseite von www.pecht.info.   
           

Wünsche Erhellung und Anregung

2008-08-21:
Guten Tag allerseits,
das sind so Nachrichten aus der Rubrik "Vermischtes", die einem
beim Frühstück die Kaffeetasse aus der Hand hauen können:

* 61-jährige Japanerin bringt als Leihmutter für ihre Tochter die eigene Enkelin zur Welt. 77-jährige Inderin gebärt Zwillinge. Beides so absurd, dass es einem die Sprache verschlägt.
 
* Carl Philipp Emanuel Bach, Sohn von Thomaskantor Johann Sebastian, habe den Schluss der berühmten "Kunst der Fuge" aus der Feder seines Vaters absichtlich verschwinden lassen. So Organist Ton Koopman in einem Interview mit Spiegel-online. Als Grund vermutet Koopman: Der Junior wollte womöglich die legende "Bach" forcieren. Heute würde man das einen Marketing-Gag nennen, einen Versuch, den Marktwert der Marke "Bach" mittels Geheimniskrämerei zu steigern.

Weg von den Nachrichten, hin zu einer kleinen Geschichte aus der realexistierenden Geschäftswelt:

Fragt im Bioladen ein langjähriger Stammkunde die ihn seit vielen Jahren bedienende Verkäuferin: "Sind diese Äpfel da etwas für mich?" Antwort: "Nein. Ihre Sorte kriegen wir erst nächste Woche wieder rein." Woraufhin der Kunde diesmal keine Äpfel kauft. Diesen Vorgang verfolgt ein zeitgleich anwesender Marketing-Spezialist, vom Großhändler ausgesandt, kleinen Ladenbetreibern weiterbildende Beratung angedeihen zu lassen. Besagter Spezialist schlägt nachher im Gespräch mit der Verkäuferin die Hände über dem Kopf zusammen: "Warum, um Gottes Willen, haben Sie den Kunden daran gehindert, Äpfel zu kaufen?" Antwort der Verkäuferin: "Weil der Mann saure Äpfel noch nie mochte, die jetzige Lieferung aber ausgesprochen sauer ist." Dem Marketing-Menschen will die Auskunft jedoch partout nicht einleuchten: "Das ist doch kein Grund, freiwillig auf diesen Umsatz zu verzichten! Ihre Aufgabe muss sein, die Kunden zum Kauf zu animieren, nicht, sie davon abzuhalten."

Nachfolgend betet der Spezialist allerlei Empfehlungen daher, wie man Kunden bewegt, Waren zu erwerben, die sie ursprünglich gar nicht haben wollten. Die Suada gipfelt in der Feststellung: "Wenn wir es gescheit anstellen, können wir jedem Kunden alles verkaufen." Dies wiederum will der Verkäuferin, die zugleich die Ladenbesitzerin ist, nicht einleuchten: "Was habe ich von drei Euro mehr Umsatz heute, wenn der Mann morgen nicht mehr kommt, weil ich ihm wider besseres Wissen saure Äpfel angedreht habe. Das über Jahre gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Stammkunde und Geschäft wäre futsch, und obendrein käme ich mir auch noch unanständig vor." Über so viel "Weltfremdheit" schüttelt der Spezialist nur ungläubig den Kopf, und sucht schließlich unverstanden das Weite.

Ich erzähle diese Geschichte nicht etwa, um der Bio-Branche auf die Zehen zu treten. Vielmehr soll sie eine Form von vermeintlich geschäftstüchtiger Abgefeimtheit  vorführen, die im allgemeinen Geschäftsleben längst Normalität ist und die jetzt sogar die kleinen Bio-Läden (wie den noch nicht vollends verseuchten kleinen Einzelhandel) erobern will. Wobei, näher betrachtet, diese Abgefeimtheit zur schieren Dummheit wird - zumindest in Geschäftsbereichen, die auf einen gehörigen Anteil Stammkunden setzen. Denn dort sollte, müsste Beratung in erster Linie Dienst im Interesse des Kunden sein und nicht blindwütige Kauf-Animation,  die die Kundschaft als blöde Schafsherde betrachtet. 

Wünsche Erhellung und Anregung