Kritiken Theater
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2009-01-10 Schauspielkritik:

"Merlin oder Das wüste Land" am Stadttheater Koblenz.
Regie: Annegret Ritzel

Opulenter, aber unentschlossener Bilderbogen ohne Mitte
 
ape. Koblenz. Gerne hätte man Intendantin Annegret Ritzel eine glanzvolle Abschieds-Spielzeit gegönnt. Doch gerade am angestrengten Bemühen darum könnte es scheitern. Da werden Gigantproduktionen in Serie gestemmt, bis das kleine Koblenzer Stadttheater in allen Fugen knirscht. Nach Goldoni open air, „Ariadne“ im überbauten Parkett, Opern-Gala und Verdis „Otello“ kam jetzt „Merlin oder Das wüste Land“ vors Publikum.


Ausgespielt würde das Stück von Tankred Dorst mit seinen gut 50 Einzelrollen mehr als zwölf Stunden dauern. In Ritzels Regie ist es mit vier Stunden und 15 Minuten dennoch der längste Schauspielabend, den es in Koblenz je gab. So erlebt bei der zweiten Ersatzpremiere am 9. Januar, die dann doch zur „Voraufführung“ deklariert wurde. Wie zur geplatzten Premiere am 20. Dezember und bei der ersten Ersatzpremiere am 29. Dezember war die Inszenierung noch immer nicht fertig. Sie wird es wohl auch nie wirklich, denn schon am Samstag kommt mit Brechts „Mutter Courage“ der nächste Brocken auf die Bühne, während bereits die Vorbereitungen für einen Opernriesen laufen: Wagners „Walküre“.

Wie sieht er nun aus, der Koblenzer „Merlin“? Unfertig eben, was sichtlich nicht bloß  an der krankheitsbedingten Umbesetzung der Titelrolle liegt. Die Inszenierung kann sich nicht entscheiden zwischen Liebes- und Generationendrama, Vergangenheit und Gegenwart, Märchenspiel und  Königstragödie, Musical-Schmalz und Menschheitstheater, Kammerspiel und Effektzauber.

Natürlich, Dorsts Vorlage von 1981 bietet für all dies Anregung. Mit zahllosen Szenen rund um die Legende von König Artus und der Tafelrunde, von der Liebe zwischen seiner Königin und Lancelot sowie der Suche nach dem Gral ist das Stück eine Art Welttheater. In dem sich freilich verliert, wer den Mut nicht findet, die überbordende Vielfalt auf ein Konzentrat eigenmächtiger Schwerpunkte zu reduzieren. Ritzel wollte wohl die Substanz des ganzen Werkes in einem Drittel der Zeit. Solch Ansinnen ist nicht nur für Koblenz ziemlich verrückt.

Geblieben ist ein opulenter Bilderbogen – unentschlossen, unaufgeräumt, kurzatmig, aber gar nicht mal langweilig, weil es immer irgendwas was zu sehen und zu rätseln gibt. Ideen reichlich, allerdings hängend im Stadium grob angespielter Skizzen. Fürs Auge hat Gera Graf an Kostümen alles erdenkliche aufgefahren, von der ollen Blechrüstung bis zum Travestiefummel. Siegfried E. Mayer hat die sandbestreute Bühne mit einem Sternennebel-Rundhorizont nebst vielen Durchgängen umfasst. Dort lässt sich spielen.

Christoph Quest gibt einen lakonischen Merlin, der die Tafelrunden-Utopie als Gesellschaftsexperiment initiiert. Markus Angenvorth (Artus), Werner Tritzschler (Lancelot) und Madeleine Niesche (Königin Ginevra) spielen ihr schwieriges Dreieck im klassischen Tragödenstil. Königssohn Mordred wird von Steffen Casimir Roczek in eher moderner Spielart mit beiläufiger Boshaftigkeit ausgestattet. Olaf Schaeffer gibt trocken einen Clown, Daniel Eriksson mimt und singt den Ritter Gawain wie man eben als Musical-Held  mimt und singt.

Sie und alle andern auch – darunter etliche Amateure – scheinen einfach zu spielen, was und wie sie es am besten können. Daraus ergeben sich ein paar schöne Momente, aber das meiste holpert darstellerisch doch in einer Art aneinandner vorbei, die die Regisseurin etwa bei ihrem „Faust“ vor zehn Jahren nie hätte durchgehen lassen.                                                                                                                                                               Andreas Pecht       

Infos: www.theater-koblenz.de

(Erstabdruck am 13. Januar 2009)



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