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2009-01-11 Schauspielkritik:

"Die Räuber" von Friedrich Schiller am Staatstheater Wiesbaden. Regie: Ricarda Beilharz

Die ewig junge Kriegserklärung, diesmal an eine Gegenwart aus Packpapier
 
ape. Wiesbaden.  Friedrich Schillers „Räuber“ waren und sind immer für Aufregung gut. Denn zeitloser Kern des von einem noch nicht 20-jährigen Buben verfassten Schauspiels ist die Kriegserklärung der Jugend an die Normen ihrer Eltern. Und es würde jeden besseren Regisseur richtig Mühe kosten, wollte er dies Stück derart zurichten, dass kein Zuschauer mehr Anstoß nähme. Schließlich ist schon der Urtext selbst ein Stoff für Horrorvisionen. Dabei bleibt es  jetzt  auch am Staatstheater Wiesbaden.

Ricarda Beilharz stellt ihre Inszenierung in eine Traditionslinie, die den Klassiker auf jeweils aktuelle Formen des Generationenkonfliktes überträgt. Ihre jungen Leute sind  von heute. Sie tragen zum Businessanzug Turnschuhe, präsentieren ihre Namen und Funktionen auf T-Shirts, sprechen selbst hohe Schiller-Sprache im Umgangston der Gegenwart. Die auf zwei Etagen gebaute Bühne (ebenfalls Beilharz) wird begrenzt von Wänden aus Packpapier: Das Gefüge dieser Welt ist nur vordergründig stabil; der Zorn ihrer jungen Bewohner zerfetzt es rasch.

Es stinkt im Theater penetrant nach frischen Zwiebeln. Das ist der Gestank verlogener Mimikry: Franz zermatscht das Gemüse, um sein Schicksal als mißachteter zweiter Sohn des Grafen von Moor beheulen zu können. Echte Tränen kommen ihm keine, da er weiß, dass die Welt ihm nichts zu bieten hat, es sei denn, er nimmt es sich mit Tücke. Der kleingewachsene, quirlige Michael von Burg gibt als giftiger Kabale-Schmied eine große Vorstellung von Bosheit nach der Devise: Ich bin der, den ihr gemacht habt – ob im Schmuddel-Outfit oder im Comic-Kostüm.

Karl bekommt im Kontrast zu seinem Bruder bei Florian Thunemann eine weiche, introvertierte Färbung. Auch ihn machen die Umstände zum Gegenteil des braven Erstgeborenen: zum Räuber und Mörder. Dennoch bleibt er eine solitäre Erscheinung im Kreis der Spießgesellen. Die sind hier, trotz aller Uniformität, als Charaktere in durchaus Schillerschem Sinn sehr fein ausdifferenziert. Überhaupt: So weit die Inszenierung sich von historischer Spielweise auch entfernt hat, so verbunden bleibt sie doch dem Geist des Werkes.

Wie im Falle der Amalia, die von Franziska Werner ganz natürlich als freches, selbstbewusstes, robustes und dennoch überaus verletzliches Mädchen unsrer Tage gespielt wird. Ebenso bei der Besetzung des alten Grafen und des Pastors mit demselben Schauspieler (Uwe Kraus). Das ist nicht Personalnot, sondern gewollte Personalunion der alten Mächte: Vater, Staat und Kirche, die ihre Liebe abhängig machen von Anpassung und Unterwerfung.

Zu den Raffinessen des zweieinhalbstündigen Abends gehört die systematische Verzahnung eigentlich getrennter Zeit- und Ortsebenen. Dabei kommt Anca Munteanu-Rimnic besondere Bedeutung zu. Als gelassen-vergnügter Multifunktionsgeist treibt sie dem Stück den letzten Rest Naturalismus aus. Ricarda Beilharz geht es nicht um das gefällige
Erzählen einer Geschichte, sondern um das Verhandeln einer Tragik, die Jugend jetzt ebenso trifft wie ehedem. Deren Ausdruck ist rabiat und schnoddrig, auch comichaft und comedymäßig – jugendlich eben. Das mag ältere Klassikfreunde irritieren, aber das gleiche Prinzip hat die Älteren schon zu Schillers Zeit in Rage gebracht. Sehenswert.                               Andreas Pecht

Info: www.staatstheater-wiesbaden.de


(Erstabdruck am 13. Januar 2009)



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