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2009-01-22 Kommentar/Analyse:

Eine Welt im Wandel hofft auf
gedeihliche Partnerschaft mit Barack Obama

 

Dienstantritt mitten im Zeitenwechsel

(Eine Variation des Artikels 2009-01-20 Kommentar:
Anlässlich der Amtseinführung von Barack Obama als US-Präsident
)

ape.
Wenige Tage ist Barack Obama Präsident der Vereinigten Staaten. Doch schon seine ersten Amtshandlungen zeugen von  völlig neuen Herangehensweisen der US-Politik an die Fragen, die die Welt  bewegen. Es ist eine zutiefst verunsicherte Welt  – angesichts  grundstürzender Veränderungen rund um den Erdball.  Mit Hoffen, aber auch Bangen sieht man der Rolle entgegen, die Obama und sein Land dabei  spielen werden.

Es war wie immer: Amerika beging die Amtseinführung seines neuen Präsidenten mit Pomp und Pathos. Ein bescheidener Staatsakt für den ersten Diener des Volkes, wie im alten Europa überwiegend gebräuchlich, liegt diesem Land nicht. Es braucht seine Helden, will sich scharen um einen, der Geist und Herz der Nation repräsentiert. Es war wie immer, und doch alles anders: Amerika feiert die Inthronisation eines Präsidenten, von dem es nicht weniger erwartet als kluge Führung durch eine Zeit, in der sich die Welt von grundauf ändert. Mit dieser Erwartung verknüpfen sich weltweit Hoffnungen, der neue Mann im Weißen Haus möge der richtige Partner sein für die sich eben vollziehende welthistorische Zeitenwende.

Seit den Gründervätern erreichte kaum ein US-Präsident einen so hohen Symbolwert wie Barack Obama. Das rührt nicht allein von den  Trümmern, die George
W. Bush hinterlässt. Nicht allein von der Finanz- und Wirtschaftskrise. Fast mehr noch macht diesen Mann zum Symbol, dass er als erster Farbiger die noch immer mächtigste Nation auf Erden führt. Eine Nation, deren Ursprünge auf einen schmerzlichen Widerspruch zurückgehen: Hier das Streben nach Unabhängigkeit, Freiheit und Glück; dort die schiere Ausrottung der Urbevölkerung sowie  Sklavenhaltung und Rassendiskriminierung.

Im Geiste des Humanismus

Obama wird als Symbol und Hoffnungsträger dafür verstanden, dass mit ihm dieser Widerspruch ein für allemal sein Ende findet. Dass sich Amerika tatsächlich in einen multi-ethnischen, freiheitlichen und endlich auch sozialen Rechtsstaat verwandelt. Oder um es europäisch auszudrücken: Mit dem neuen US-Präsidenten verknüpfen sich Erwartungen auf Vollendung der Französischen Revolutionsideale von Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit für alle, ungeachtet ihrer Herkunft und Hautfarbe, ihres Geschlechts oder Glaubens. Es sind große Hoffnungen geweckt und werden derzeit in Fülle große Worte gesprochen. Zu große? Eher nicht, denn die realen Herausforderungen sind danach.

Die Welt befindet sich in einem Epochenumbruch, dessen Dimension durchaus vergleichbar ist mit der Französischen Revolution, der industriellen Revolution oder dem Zusammenbruch von deutschem Kaiserreich und Zarismus im frühen 20. Jahrhundert, mit dem Beginn des Kalten Krieges in dessen Mitte. Die Wende von 1989 wird gerne als das eigentliche Ende der Nachkriegszeit beschrieben. Womöglich aber betrachten spätere Geschichtsbücher die 20 Jahre seither nur als Übergangsphase, die mit dem Zusammenbruch des Sozialmus begann und mit dem Bankrott des Kapitalismus endete. Und womöglich gilt die Wahl Barack Obamas dann als historische Zäsur, als Startsignal für den Aufbruch in eine neue Weltordnung.

Nicht, dass dieser einzelne Mensch das bewirken könnte: Die Dinge sind in Bewegung geraten, bevor Obama die Bühne der Weltpolitik betrat. Die Verschiebung der geopolitischen Achsen durch den Aufstieg vormaliger Drittweltländer in Asien und Lateinamerika zu politischen, ökonomischen und umweltwirksamen Mittel- und Großmächten findet er bei Amtsantritt vor. Ebenso die Renaissance des Islam, die Ost-Ausdehnung der EU oder die Rückkehr Russlands ins globale Mächtespiel. Dass er sich vielleicht mit dem Aufbau einer ganz neuen Weltwirtschaftsordnung wird befassen müssen – die etwa der Leitartikler Ulrich Jörges im „Stern“ als „Mischsystem zwischen Sozialismus und Kapitalismus“ heraufziehen sieht –, ahnte Obama zum Zeitpunkt seiner Kandidatur eventuell noch nicht einmal. Hingegen dürfte ihm die erstmals in der Zivilisationsgeschichte selbstverschuldete Gefährdung unserer Lebensart durch maßlose Ausbeutung und Verschmutzung des Planeten bewusst gewesen sein.

Barack Obama wird amerikanischer Präsident in einem Augenblick, da alle globalen  Entwicklungen und Probleme zugespitzt nach Lösungsansätzen verlangen, für die es keine Vorbilder gibt. Zwar ist Amerika nicht mehr der Nabel der Welt, aber ohne Amerika  lässt sich noch immer keine der großen Gegenwartsfragen nur halbwegs befriedigend beantworten.

Über alle Gräben hinweg

Vor dieser Situation stand schon Vorgänger Bush, allerdings ohne es zu begreifen. Dessen Kurs rücksichtsloser Machtpolitik ist dem Nachfolger versperrt, selbst wenn er ihn gern beschreiten würde. Was nicht der Fall zu sein scheint. Die Welt ist dem primitiven Griff nach Bush-Art entwachsen. Wer dennoch so zugreift, verbrennt sich vor allem die eigenen Finger. Das ist es, was Globalisierung letztlich bedeutet. Deshalb konzentriert sich die Hoffnung auf den neuen US-Präsidenten in einem Punkt: Der Mächtigste sucht über sämtliche Gräben hinweg die Verständigung im Interesse globaler Gemeinsamkeit.

Die Art, wie Obama  mit seinen vormaligen Wahlkampfgegnern umgeht, wie er seine Regierung besetzt, wie er als Farbiger die Farbenlehre überwindet, wie er Vernunft der Logik der Stärke vorzieht, diese Art macht ihn zum Hoffnungsträger weit über Amerika hinaus. Wunschdenken? Natürlich auch das. Die Wirklichkeit der nächsten Monate wird so allerhand wieder relativieren. Und die traditionelle Skepsis des alten Europa gegenüber dem jüngeren Bruder jenseits des großen Teiches wird noch manches Futter bekommen. Wann aber sollten die Dinge eine Wendung zum Besseren nehmen, wenn nicht jetzt mit diesem neuen US-Präsidenten. Die Chance ist da, die Notwendigkeit sowieso. Also hoffen und wünschen wir.  Andreas Pecht

(Erstabdruck am 26./27. Januar 2009)
 
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