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2009-01-24a Feature:

Privates Engagement ermöglicht Veranstaltungszentrum in Bad Ems – CasaBlanca zieht um

 

Neues Theater im historischen
Badhaus an der Lahn

 
ape. Bad Ems. Mancher Bad Emser glaubte an einen Scherz, als 2007 in der Kurstadt die Nachricht umging: Zwei Privatleute haben der Staatsbad GmbH das historische Badhaus am Vier-Türme-Hotel abgekauft und wollen daraus so richtig was machen. Für einen Spaß sprach das Datum: Der Handel sollte just am Montag des Bartholomäusmarktes zustande gekommen sein. Schwer vorstellbar war die Sache ohnehin, weil das flache Langgebäude von 1845 derart marode war, dass es  dem Einsturz näher stand als einer denkbar zukunftsträchtigen Nutzung. Doch was 2007 wie ein Scherz erschien, entpuppte sich als Auftakt zu einer furiosen Restaurierungs- und Umbauphase. Die mündet nun vom 6. bis 9. März in ein Eröffnungswochenende für das neue Veranstaltungszentrum „Badhaus im Kurpark Bad Ems“.


Ortstermin wenige Wochen vor Beginn des Theaterbetriebes dort. Von der Römerstraße aus schaut man hinab auf das 56 Meter lange, von alten Bäumen überragte Gebäude. In strahlendem Weiß die Fassade, die Bogen-Fenster etwas dunkler abgesetzt, das Dach runderneuert. Erstbegegnung im Innern: Ein hübsch in dunklem Holz über Keramikfließen  und unter Bogendecke herausgeputztes Restaurant mit dem geheimnisvollen Namen „D.A.T.“. Diese gastronomische Einrichtung, die raffiniert einstige Badestuben als kleine Nebenzimmer nutzt, war der erste Mieter im Badhaus und hat den Betrieb bereits aufgenommen. Andere, laut Nutzungskonzept „kurverträgliche“, Mieter sind seither nachgezogen, etwa ein Heilpraktiker und ein Wellness-Studio.

Herzstück des neuen Badhauses ist freilich ein Theater am Kopfende des Gebäudes, also an der Nahtstelle zum anschließenden Vier-Türme-Haus, das heute vom Statistischen Landesamt belegt wird. Bei unserem Besuch ist das noch ein Baustelle, die aber schon die Struktur des späteren Theaters erkennen lässt. Der Zuschauerraum teil sich in ein ebenerdiges Parkett und eine Empore. Unten sollen 120 Besucher Platz finden, oben 50; macht ein 170-köpfiges Auditorium maximal. Damit wird das Theater im Badhaus knapp doppelt so viele Besucher fassen wie das Bad Emser Kellertheater CasaBlanca in der Weißen Villa. Und in diesem Zahlenverhältnis steckt auch die Motivation für Hans F. Jörnhs und Erich Krausbeck, als Bauherrengemeinschaft das historische Gemäuer zu kaufen, es mit eigenem Kapital- und privatem Arbeitseinsatz wieder auf die Beine zu stellen.

Denn wie das Theater Herzstück des restaurierten Badhauses sein wird, so das bisherige Kellertheater CasaBlanca Herzstück des Theaters dort. Und CasaBlanca ist jene dem Kabarett verschriebene Einrichtung in Bad Ems, an die nun wiederum Jörnhs und Krausbeck ihr Herz verloren haben. Will sagen: Das CasaBlanca zieht von der Weißen Villa mit der 99-Plätze-Kellerspielstätte ins Badhaus um und macht dort künftig für je 170 Zuschauer Programm. Mitte Januar wurde mit der 112. Veranstaltung die rund 10-jährige Keller-Ära abgeschlossen. Zwischen Festakt am 6. März und Tag der offenen Tür am 8. beginnt der Bühnenbetrieb an neuer Wirkungsstätte mit dem ersten Kabarett-Doppel von Matthias Brodowy und Detlef Wutschik. Im Monatsabstand folgen dann Auftritte von Künstlern aus der ersten Riege der Polit- und Gesellschaftssatire: Hans Scheibner, Das Bundeskabarett, Lars Reichow, Kabbaratz, Venske & Busse, Bill Mockridge, Münchner Lach- und Schießgesellschaft, Hubert Burghardt. Beibehalten werden die beiden traditionellen Extern-Veranstaltungen jährlich im Kurtheater: Zu „Sternstunden des Kabaretts“ kommt im Mai Matthias Deutschmann, und die „Lange CasaBlanca-Kabarettnacht“ führt Dieter Thomas (Frankfurter Fronttheater), Jürgen Becker und „ABBA jetzt!“ zusammen.

Damit setzt CasaBlanca seine anspruchsvolle Programm-Politik fort, legt aber noch eine Schippe drauf: „Bei 170 Besuchern lässt sich ganz anders kalkulieren, und dem einen oder anderen Künstler waren 99 Zuschauer denn doch etwas wenig“, sagt Jörnhs. Kalkulieren müssen die beiden Bauherren auch hinsichtlich der Immobilie Badhaus mit spitzer Feder. Ihr privates Finanzengagement ist beträchtlich – trotz 25 Prozent Bezuschussung durch Stadt und Land. Dieses Engagement der Öffentliche Hand ist überwiegend zweckgebunden an das Theater als Einrichtung im Sinne eines kulturellen und strukturellen Gemeinwohlinteresses. Um am Ende wenigstens auf eine schwarze Null zu kommen, bedarf das Gesamtprojekt allerdings einer Mischkalkulation. Deshalb die diversen Mieter. Nicht nur deshalb ein Nutzungskonzept auch des Theaters ausdrücklich als „Veranstaltungszentrum“ und nicht als Kulturzentrum.

Die Bühne hat nur geringe Tiefe. Damit ist sie ungeeignet für Schauspiel, Opern oder Orchesterkonzerte, jedoch ideal für Kabarett, Kleinkunst sowie Vortragsveranstaltungen,  Podiumsdiskussionen oder Filmvorführungen. „Schon die bauliche Anlage signalisiert anderen Kultur-Veranstaltern am Ort, dass wir ihnen keine Konkurrenz machen wollen“, erklärt Erich Krausbeck. Der Kommune kommt der neue Saal sehr recht, denn eine vergleichbare Größenordnung gibt es in Bad Ems sonst nicht mehr. Weshalb die Stadt sich vorneweg eine Option auf 25 Veranstaltungen pro Jahr im Badhaus gesichert hat. Auch der örtliche Verein „Lichtblick“ will künftig seine Filmvorführungen im Badhaus-Theater anbieten. Der Bundestagsabgeordnete Josef Winckler aus Bad Ems hat vier Abende gebucht für einen öffentlichen Talk mit interessanten Gästen. „Der Anfang ist ermutigend“, meint Hans F. Jörnhs und verweist auf eine Reihe weiterer Interessensbekundungen von diversen Seiten.

So könnte denn in Bad Ems einer jener Glücksfälle eintreten, bei dem privates Engagement vom Verfall bedrohte historische Bausubstanz rettet und einer verträglichen Nutzung zuführt, von der der gesamte Umgebungsort etwas hat. Womit zugleich der Bogen geschlagen sei zur Ursprungsfrage, die Jörnhs, Krausbeck und andere vor Jahren schon umtrieb: Wie können wir unsere Stadt voranbringen? CasaBlanca und die Weiße Villa waren Ende der 1990er eine der ganz praktischen Antworten, das Veranstaltungszentrum „Badhaus im Kurpark“ ist nun die Folge. Dass in ihrem Kern mit dem Kabarett zeitkritische Widerständigkeit als tragende Säule steht, darf gewiss als passend gelten für eine couragierte Eigeninitiative freier Bürger.
                                                                                  Andreas Pecht


Infos:  www.badhaus-im-kurpark.de
           www.kellertheater-casablanca.de


(Erstabdruck 5. Woche im Januar 2009)
 
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