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2009-02-03 Analyse:

Angst in Peking, Ratlosigkeit in Davos,
Selbstbewusstsein in Belém

 

Die Krise der Weltwirtschaft beherrscht alle Diskussionen
 

ape. 
Die Finanzkrise als Chance für eine gerechtere Wirtschaftsordnung. So sah es vergangene Woche das Weltsozialforum im Belém, während in Davos das Weltwirtschaftsforum sich in Pessimismus erging. Im fernen China fürchtet die Staatsführung derweil Unruhen, weil Millionen Arbeiter ihre Jobs verlieren. Drei Schauplätze, dieselbe Krise, eine Welt.

Wenn die Rede auf Chinas Wirtschaftswunder kommt, schauen West-Medien gern auf den Moloch Peking oder die Glitzermetropolen Hongkong und Shanghai. Doch China bezieht seine ökonomische Kraft wesentlich aus der Provinz, aus den gut 700 Millionen dort arbeitenden Menschen und den 130 Millionen von dort stammenden Wanderarbeitern. Dieses gewaltige Heer von Arbeitskräften bereitet der Führung in Peking jetzt Kopfzerbrechen. Und zwar so sehr, dass sie soeben das Militär an seine Pflicht zur Loyalität erinnerte.

Die Besorgnis rührt von derzeit drastisch sinkenden Löhnen bei drastisch steigender Arbeitslosigkeit infolge der globalen Wirtschafskrise. Betroffen sind insbesondere die   Wanderarbeiter. 20 Millionen seien im Augenblick ohne Job und Einkommen, heißt es aus offizieller Quelle. Ende 2008 sollen es noch 6 Millionen gewesen sein. Peking fürchtet angesichts eines vom zweistelligen Bereich auf unter 9 Prozent gefallenen Wirtschaftswachstums die Gefahr sozialer Unruhen erheblichen Ausmaßes.

Soziale Unruhen befürchtet

Enttäuschte Hoffnungen auf Besserung des Lebensstandards könnten in der Tat vor allem unter den von keinem sozialen Netzwerk mehr abgefederten Wanderarbeitern zu gefährlichen Entwicklungen führen. Und nicht nur unter ihnen: Denn auf die Provinz wirkt sich die Krise besonders hart aus. Agenturen berichten von gehäuft auftretenden Demonstrationen entlassener Arbeiter.

Mit der Sorge vor sozialen Unruhen steht Peking nicht allein. Sie trieb auch manchen der Redner auf dem Weltwirtschaftsforum vergangene Woche in Davos um. 2500 Köpfe stark war die globale Wirtschaftselite dort vertreten, dazu die Oberhäupter von 40 Staaten. Dieses 39. Treffen seit 1971 stand unter dem offiziellen Motto „Die Welt nach der Krise gestalten“ – und hatte damit das allen Teilnehmern auf den Nägeln brennende Thema verfehlt. Das da lautet: Wie können wir die Krise bewältigen?

Dazu fiel dem Forum von Davos eher wenig ein. Es wurde der Ernst der Lage beschworen. Es wurden neue Größen genannt für die von den Banken noch abzuschreibenden Schrottpapiere. Die höchste Schätzung belief sich auf vier Billionen Euro. Vor diesem Hintergrund scheute sich die Hochfinanz nicht, nach Regulierung der Weltwirtschaft zu verlangen. Dies freilich stets verbunden mit der Warnung vor Überregulierung und Protektionismus.

Weißwein statt Champagner

Spöttelnd notierte die Weltpresse, dass heuer bei den Empfängen und Partys in Davos eine neue Bescheidenheit herrschte: Es habe weniger Champagner und Kaviar gegeben, mehr Weißwein und  Schweizer Spezialitäten. Interessiert stellten Beobachter eine   Verschiebung des „Machtgefüges“ auf diesem Gipfel fest: Führten früher Manager und Banker vor allem aus den USA das große Wort, so schimpfte diesmal etwa der chinesische   Premier auf die schuldenfinanzierte Ökonomie „mancher Länder“, die unter anderen nun sein Land auszubaden habe.

In Washington las Barack Obama vor laufenden Kameras Wall-Street-Größen wegen ihrer Selbstbedienungs-Mentalität die Leviten. In der Schweiz kanzelte unterdessen Wladimir Putin westliche Manager derart ab, dass die sich „wie Schulbuben behandelt“ fühlten, weiß die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu berichten. Und  Angela Merkel  empfahl in Davos der Welt Deutschlands soziale Marktwirtschaft als Alternative zum Turbokapitalismus. Dafür gab es einige Zustimmung – ob von Kennern der jüngeren deutschen Realitäten oder solchen, die bloß von den hehren Prinzipien sozialer Marktwirtschaft gehört haben, ist nicht überliefert.

Von Davos ging kein richtungsweisender Impuls aus.  Veränderungen der Tagungsatmosphäre und allfälliges Bekenntnis zu gemeinsamem Handeln können   kaum als solcher verstanden werden. Hilflosigkeit angesichts der  Krise kennzeichnete das Klima. Vor Selbstbewusstsein strotzte indes die Gegenveranstaltung in der  brasilianischen Millionenstadt Belém. Das Weltsozialforum brachte dort 100 000 Menschen aus 150 Ländern zu kulturellem Austausch und Diskussion zusammen unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“.

Hoffnung auf globale Wende

Die Armen und Unterprivilegierten haben die Krise nicht verursacht, werden aber zu den härtest Betroffenen gehören. Globalisierungskritiker und Nichtregierungsorganisationen sehen sich in ihrer negativen Einschätzung der Weltwirtschaftsordnung bestätigt. Aus dem „Bankrott des Marktliberalismus“ leitet das Sozialforum die Erwartung ab, dass seine Konzepte   eines gerechteren Wirtschaftssystem künftig ernster genommen werden. Dazu passt der in Belém vielfach variierte Gedanke: Wirtschaftliches Handeln müsse zuerst den Menschen dienen. Allen Menschen. Um das durchzusetzen, bedürfe es einer neuen Politik, die sich nicht mehr als Dienstleister einer primär auf pure Rendite hin orientierten Ökonomie begreift.    Andreas Pecht


(Erstabdruck am 4. Februar 2009)
 
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