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2009-02-10a Romankritik:

Neuer Roman „Empörung“ über jungen Außenseiter
im Amerika der 1950er


Keine Spur von Altersmilde
bei Philip Roth

 
ape. So viel Bitterkeit. So viel Wut. So viel Empörung gegen Krieger, Väter, Gottesdiener und deren System normativer Fesselung. Philip Roth, der große Senior der US-Literatur schäumt. Doch er tut es quasi versteckt zwischen den Zeilen seines nur 200-seitigen neuen Romans „Empörung“. Die kommen vordergründig in meisterlicher Klarheit, Schlichtheit,  Abgeklärtheit daher. Jedes Wort passt, jeder Satz sitzt, die Konstruktion des Buches ist makellos.

 
Anders als die Vorgänger „Das sterbende Tier“, „Jedermann“ und „Exit Ghost“ handelt „Empörung“ nicht von alten Männern und ihren späten Lebenslust-Kämpfen. Diesmal erzählt Roth vom 18-jährigen Sohn eines koscheren Metzgers in New Jersey. Doch hat dieser Marcus Messner mit dem Tod mehr zu schaffen, als jeder Altersheld der vorherigen Bücher. Denn der junge amerikanische Jude ist bereits tot, gefallen im Koreakrieg. Nur seine Erinnerungen an das so kurze Leben geistern noch als Echo durchs Nichts.

Dies Geist-Ich erzählt von einer Kindheit im Metzgersladen.  Dort steht der Papa mit blutiger Schürze seinen Mann und der Junge ihm zwischen Ekel und Selbstverständlichkeit zur Seite. Bis der Sohn dem Vater ins Erwachsenwerden entgleitet. Von da an verfällt der Alte in die Tyrannei der Überfürsorglichkeit. Mit der Angst um die Gefährdung des Sprösslings „da draußen“ treibt er ihn erst recht hinaus.

Marcus entflieht der Sorge-Diktatur ins weit entfernte konservative Winesburg College. Ihn interessiert nur, einmal als Jahrgangsbester abzuschließen; so auch seiner Herkunft zu entkommen. Am College reihen sich kleine Probleme zu argen Verwicklungen. Der strebsame, sich jedoch dem „normalen“ Studentenleben entziehende Junge gerät als Außenseiter in die Mühlen scheinliberaler Pädagogen-Fürsorge.

Marcus soll partout ein glückliches Glied der Schulgemeinschaft werden. Aber er will bloß in Ruhe lernen. Und: Er mag nicht am Gottesdienst teilnehmen müssen. Nicht etwa, weil er Jude wäre, sondern weil er Atheist ist – einer also, der sich sowohl gegen seine Herkunftskultur als auch gegen das puristisch-christliche Reglement von Winesburg behaupten muss. Roth fasst den Moment schließlich explodierender Empörung bei seinem Helden in eine auf Nobelpreisträger Bertrand Russell zurückgreifende Suada wider den bigotten Dekan des Colleges. 

Selbstbehauptung des Atheisten mit jüdischen Wurzeln in christlich dominiertem Umfeld ist ein zentraler Topos im Oeuvre von Philip Roth. Wie der Sexus auch, der hier Marcus mit einem anderen Außenseiter zusammenführt: mit der suizidgefährdeten Schülerin Olivia. Das Mädchen  verunsichert den Jungen tief mit von ihm kaum erträumter sexueller Offenheit. Er stürzt in eine Liebe, die ebenso perspektivlos ist wie sein Versuch unglücklich, der Gottesdienstpflicht zu entrinnen.

Am Trunkenheits-Aufstand, der die Winesburg-Burschen in den 1950ern die Mädchenunterkünfte erstürmen lässt, ist Marcus nicht beteiligt. An der Schwangerschaft Olivias hat er keinen Anteil. Und doch gerät er nachher beim moralischen Großreinemachen durch das Rektorat wegen Schwänzens des Gottesdienstes unter die Räder. Der Junge fliegt von der Schule, landet in Korea und wird von einem Bajonett aufgeschlitzt, das so scharf ist, wie es die Metzgermesser des Vaters waren.

Ein bedrückend erhellendes Buch – von einem Meister, der auch 76-jährig noch mit den Zähnen knirscht vor Zorn. Andreas Pecht

Philip Roth: "Empörung". Hanser, 200 S., 17,90 Euro        


(Erstabdruck im Februar 2009)


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Besprechungen früherer Roth-Romane:

2008-02-22 Romankritik:
In "Exit Ghost" lässt Autor Philip Roth sein Alter Ego  der Welt verloren gehen


2006-08-28 Romankritik:
Philip Roth' "Jedermann"  - ein trauriges Meisterwerk


2003-02-27 Romankritik:
"Das sterbende Tier" von Philip Roth


2002-04-25 Romankritik:
Philip Roth' "Der menschliche Makel"


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