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2009-03-09 Ballettkritik:

Anthony Taylors neue Choreografie "Home-Thoughts, from abroad" vertanzt britische Musik


Koblenzer Ballettchef hat Heimweh
nach Britannien
 
ape. Koblenz.  Zeitgleich zum ballettmainz brachte auch die Koblenzer Compagnie eine neue Tanzproduktion heraus. Wir sahen im dortigen Stadttheater die zweite Vorstellung von Anthony Taylors jüngster Choreografie „Home-Thoughts, from abroad“ (Gedanken aus dem Ausland an die Heimat).  Der Brite erfüllt sich damit im 27. Jahr als Koblenzer Ballettchef einen  persönlichen Wunsch: Musik aus seiner alten Heimat zu vertanzen, die ihn einst begleitete oder heute beeindruckt.
 
"Home-Thoughts, from abroad" ist eine musikalisch-tänzerische Collage aus sieben Teilen,  die einen Bogen schlägt vom frühen 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Da steckt naturgemäß eine Menge Nostalgie drin. Als Zugang dient ein alter Schlager von Vera Lynn: Zu „The White Cliffs of Dover“ tanzt Melanie Bürkle hinter einem Videoprospekt der Dover-Felsen ein Solo, das auf kecker Spitze die Fräulein-Attitüde der 1950er aufleben lässt.

Der zweistündige Abend folgt nicht strenger Chronologie. Historisierende Tanzgesellschaften der vornehmeren Art gibt es vorne wie kurz vorm Schluss – mal im luftigen Sommeroutfit zur Musik von Edward Elgar, mal in großer Abendrobe zu einer Serenade von Ralph Vaugham Williams. Das ist beidesmal ein recht ausuferndes Schweben, Drehen, Beugen, Heben, Posieren. Taylor ruft das Bewegungsrepertoire auf, das er üblicherweise für Tanzgesellschaften benutzt. Erzählt wird nichts, psychologische Tiefen sind kaum erkennbar. Das Ganze bleibt Blick auf die Oberfläche eines Tanzvergnügens von ehedem.

Die Teile dazwischen sind interessanter. „Drei schreiende Päpste“ nennt sich eine Komposition von Mark-Anthony Turnage. Auf der Bühne schälen Michelle Branson, Rory Stead und Campbell Watt aus päpstlichem Ornat quasi-nackte Kreaturen mit ritueller Körperbemalung. Die drei erfahren in archaischen Tanzbewegungen Aspekte des Daseins zwischen Animalität, Individualität und sozialer Gruppendynamik.

Es folgt ein Sprung in die  Jugendkultur der 1960er. Cliff Richards Ferienmusik tönt vom Band, und im knalligen Badeoutfit (Kostüme: Erika Landertinger)  entspinnt sich, wofür Taylor schon immer ein Händchen hatte: juveniles Flirtgetändel. Das macht Spaß, ist ein Hingucker – und gibt endlich der überragenden Tänzerpersönlichkeit der Compagnie Raum: Irina Golovatskaja führt die Strandbande bald frech,  bald anmutig, stets in fraulich selbstbewusster Strahlkraft vom neckischen Spiel zum Ernst des Seelenlebens.

Dort übergibt sie an  Bürkle, die zu "Arcadiana" von Thomas Adès in Momenten gestischen Tragikausdrucks ihre eigentliche Stärke findet. Der auch im künstlerischen Niveau sehr gemischte Abend verklingt schrill kostümiert, tänzerisch indes allzu gemächlich mit einer Hommage an die britischen TripHopper von Portishead.
                                                                                        Andreas Pecht

(Erstabdruck am 10. März 2009)


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