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2009-04-28b Porträt:

Neue Intendanz von Markus Dietze startet im September
 

Umbruch am Stadttheater Koblenz

Ambitionierter Spielplan mit Schwerpunkt 20. Jahrhundert


ape. Koblenz.
 Intendantenwechsel sind stets tiefe Einschnitte, für jedes Theater mitsamt Publikum. Neuer Stil, neues Programm, andere Bühnenakteure, ungewohnte Kunstformen. Das Stadttheater Koblenz erlebt nun einen solchen Umbruch: Nach zehn Jahren Intendanz Annegret Ritzel übernimmt mit der Spielzeit 2009/2010 Markus Dietze die Leitung des kleinen Dreisparten-Hauses.
 

Ortstermin in einem Koblenzer Hotel. Dort hat der designierte Chef des örtlichen Theaters im Frühstückssalon sein provisorisches „Feldlager“ aufgeschlagen. Dort rekrutiert er Mitstreiter fürs neue Ensemble oder gibt gut gelaunt wie wortreich Antwort auf Fragen naseweiser Journalisten. Vorausgesetzt, Markus Dietze ist nicht gerade in der Stadt unterwegs, um mit Gott und der Welt   Bekanntschaft zu schließen, sein Konzept zu erklären, über Verwaltung, Marketing, Kooperationen... zu verhandeln. Das wiederum bedingt, dass er gerade eine seiner Koblenz-Vorbereitungswochen einlegt. Denn im Hauptamt zeichnet der 37-Jährige noch bis zum Sommer fürs Zweisparten-Theater Altmark im sachsen-anhaltinischen Stendal verantwortlich. Derzeit   inszeniert er da  „Romeo und Julia“.

Alles neu macht der Neue? Sieht ganz danach aus. Und wird von seinem künftigen Arbeitgeber, der  Stadt Koblenz, wohl auch gewünscht: „Wir erhoffen uns natürlich, dass künstlerische Impulse gesetzt werden“, erklärte Kulturdezernent Detlef Knopp nach dem einstimmigen Votum des Stadtrates für Dietze. Den ersten Impuls gab gleich die Vorstellung des Spielplans 2009/2010: Das Programm enthält nur ganz wenige Evergreens des Repertiores, setzt stattdessen in sämtlichen Sparten einen Schwerpunkt auf Werke des 20. Jahrhunderts, liefert zudem vier Uraufführungen aus dem 21.

Für Koblenz ist das eine Sensation, und zwar keine kleine. Sofort treten örtliche Bedenkenträger auf den Plan, die um die Akzeptanz eines derart modernen Programms beim  Abonnementspublikum fürchten. Diesen ewigen Streit beantwortet der in Schwaben geborene, in Trier aufgewachsene und 19-jährig nach Hamburg umgesiedelte Theatermacher mit einem Konzept, das sich als Drei-Säulen-Strategie beschreiben lässt. Die erste Säule baut auf die Neugierde der Menschen, auch und vor allem der Theaterabonnenten, die schon so viel gesehen haben. Und die deshalb aufgeschlossen oder aufschließbar dafür seien, mal Anderes zu schauen. „Das Publikum wird zu oft und zu leichtfertig unterschätzt“, ist Dietze überzeugt.

Die zweite Säule besteht aus „der Qualität der von uns ausgewählten Werke und der Qualität von deren Realisierung“. Dabei wird der Intendant im Kern auf ein festes Ensemble setzen, statt auf den ungleich teureren Betrieb mit wechselnden Gästen. Die Treue des Publikums zum Theater hängt mit der Treue der Künstler zum Publikum zusammen, lässt sich sinngemäß Dietzes Credo deuten.  Er spricht oft von „wir“ und „uns“, meint damit das künftige Leitungssextett bestehend aus den jungen Koblenz-Neulingen Enrico Delamboye (Musikdirektor), Gabriele Wiesmüller (Operndirektorin), Anne Riecke (Schauspieldirektorin) und Dietze selbst. Übernommen wird der langjährige örtliche Ballettdirektor Anthony Taylor und Verwaltungsdirektor Michael Stein.

Die dritte Säule von Dietzes Strategie ist das Gespräch zwischen Theatermachern und Publikum - „mit allen und jederzeit!“,  unterstreicht der unternehmungslustige Mann, dem manchmal fast bübischer Schalk übers Antlitz und in die Stimme springt. Ein munterer Dauerdiskurs auf vielen Ebenen schwebt ihm vor. Der beginnt mit einem Brief an die Abonnenten, soll fortgesetzt werden mit Werkeinführungen vor allen Vorstellungen, mit regelmäßigen offenen Publikumsdiskussionen, mit einer systematisch erweiterten Theaterpädagogik (auch für Erwachsene), mit einer offensiven  Theater-Publizistik. „Wir wollen erklären, warum ein Stück toll ist, warum wir es toll finden.“

Zu häufig würde Theater heute verfahren nach dem Prinzip: Vogel friss oder stirb. Völlig unangemessen gerade in einer Zeit, da viele Theaterbesucher in der Kunst benutzte Chiffren oft nicht mehr kennen: Jungen Leuten sind die kulturellen Hintergründe der Klassiker fremd, älteren Theaterfreunden die Ausdrucksformen der Gegenwartskunst ein Rätsel. Deshalb versteht der Intendant unter Öffentlichkeitsarbeit vor allem Vermittlungsarbeit, weniger Werbung. Und darauf freut sich der Mann, der einst Klavier- und Flötenspiel erlernte, beinahe die Dirigentenlaufbahn eingeschlagen hätte.

Warum landete er bei der Theaterregie? „Ich bildete mir ein, am Piano nicht gut genug zu sein“, sagt er und lässt schmunzelnd offen, ob zurecht oder nicht. Also bewarb sich Dietze an der Uni Hamburg für die Studiengänge Musiktheater- und Schauspielregie. Wie des Lebens Zufälle spielen: Der Zulassungsbescheid für letzteren kam zuerst - und der  Jüngling aus Trier dampfte auf der Sprechtheaterschiene in ein Künstlerleben, das dann aber doch auch zahlreiche Abstecher zum  Musiktheater mit sich bringen sollte.

An der Lebensstrecke von Hamburg über Stendal nach Koblenz lagen Stationen als freier Regisseur, als Produktionsleiter des „Young Directors Project“ bei den Salzburger Festspielen, als erster Regieassistent bei der Neuinszenierung von Jürgen Flimms „Ring“-Produktion in Bayreuth. 2002 kam die Berufung zum Oberspielleiter am Theater Altmark, im Jahr darauf die Beförderung zum stellvertretenden Intendanten und noch ein Jahr später die zum Theaterchef.

Warum die Bewerbung nach Koblenz? „Mitte 30 überlegt man: Wo stehe ich, was kann ich, was will ich künstlerisch noch machen?“ Als sich die Chance auf die Leitung eines Dreisparten-Hauses bietet, obendrein quasi in der alten Heimat, schlägt Markus Dietze zu. Alles neu macht der Neue: Von 18. September an wird im Koblenzer Stadttheater zu sehen sein, was davon zu halten ist.                                                                             Andreas Pecht

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Die ersten Premieren der Dietze-Intendanz

Oper:
„Wozzeck“, Oper von Alban Berg (18.9.09).

Schauspiel: „Wolken sind ziehender Ärger“, Jugendstück von Ad de Bont (20.9.);  „Jeff Koons“, Stück von Rainald Goetz (2.10.).
 
Tanz: 
„Sind wir Helden?, Ballett nach Musik von Philip Glass (26.9.)
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(Erstabdruck 19. Woche im Mai 2009)

Stadttheater Koblenz, neuer Intendant, Markus Dietze, 
 
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