Kritiken Theater
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2009-05-21a Ballettkritik:

Programm XXX beim ballettmainz


Martin Schläpfer verabschiedet sich mit einem Experiment von Mainz
 
 
ape.Mainz.  Abschied. Aber wer jetzt am Staatstheater Mainz einen glanzvollen Abschluss-Event erwartet hatte, liegt bei Martin Schläpfer falsch. Für ihn ist jede Produktion gleich wichtiger Teil seines künstlerischen Entwicklungsprozesses. So auch die letzte, bevor er mitsamt Tanzcompagnie von Mainz zur Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf wechselt. Schlicht „5“ nennt sich die zur Auftragskomposition von Paul Pavey entstandene Choreografie. Sie bietet zum Ende der zehnjährige Schläpfer-Ära in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt einen Ballettabend, der das Publikum mehr irritiert als euphorisiert.

Wie so oft in den zurückliegenden Jahren besteht auch dieser Abend aus drei sehr unterschiedlichen Teilen: die Uraufführung vom Ballettchef selbst; „Simple Things“ vom niederländischen Altmeister Hans van Manen; „In The Upper Room“, eine Arbeit der Amerikanerin Twyla Tharp nach der gleichnamigen Musik von Philip Glass.

Was soll man halten von der schweißtreibenden Dauer-Power-Gymnastik, die der Star der US-Tanzszene, Tharp,  dem ballettmainz da abverlangt? Erst im Streifenpyjama, nachher in flammendrotem Sportdress wird in endlosen Variationen bei Höchsttempo das ganze Spektrum dessen aufgefächert, was der körperbewusste Zeitgenosse sich zwischen Fitnesszentrum, Turnhalle und Tanzsaal an rhythmischer Ertüchtigung zumuten kann. Soll das Zeitgeist-Persiflage sein? Oder sollen da einfach nur mal Könner mit dem Konventionellen spielen? Die Leichtigkeit, mit der das  geschieht, ist hübsch anzusehen. Damit hat sich's.

Von anderem Kaliber sind van Manens „Simple Things“. Zwei Männer, zwei Frauen und der Ernst wechselseitigen Miteinanders in klassischer Strenge. Mal Bogdan Niculai und Remus Sucheana in burschenhaftem Überschwang, mal mit Marlúcia do Amaral und Yuko Kato in konzentrierten Pas de Deux'. Grazie und Eleganz, Kraft und Technik zur ballettösen Ausdruckskunst verdichtet – mehr nicht, aber davon Großes.

Und Schläpfer selbst?  Seine Choreografie „5“ wirkt wie ein Experiment. Eines, das viele der beim ballettmainz über die Jahre entwickelten Schritte und Figuren auf neue Verwendungsmöglichkeiten hin untersucht. Pavys Klangkollage weist mit ihren fernen, teils düsteren Horn-Passagen auf Archaik – als riefen urzeitliche Töne zum Ritual. Den Tänzern sind Federn, Pelz- und Haarteile ankostümiert. Stampfen und kreatürliches Gliederzittern machen sich allweil breit, bekannte Schläpfer-Figuren mutieren zu überhöhten Verwandten prämoderner Beschwörungstänze.

Animalität und Humanität, magisches Zeitalter und Aufklärung: Auf den Spuren dieser anhaltend wirkmächtigen Dualität bewegt sich „5“ musikalisch und tänzerisch. Für Schläpfer ist das thematisch durchaus kein Neuland, Anknüpfungspunkte vor allem zu frühen Arbeiten sind signifikant. Aber die jetzt intensive Hinwendung des Fortgeschrittenen zu diesem Thema markiert womöglich den Versuch einer Neuorientierung im Schaffensprozess.  So ist „5“ mehr Anfang, denn Abschluss.                                                                                                     Andreas Pecht

Infos: www.staatstheater-mainz.com

(Erstabdruck am 22. Mai 2009)




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