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2009-05-29a Kulturgeschichte:

Ausstellung im PuK Bad Kreuznach erinnert an
„60 Jahre Augsburger Puppenkiste“

 

Ei-ne Insel mit zwei Bergen ...
 
 
ape. Bad Kreuznach. Kisten. Lauter Kisten. Ein ganzer (kleiner) Saal voll. Puppenkisten. Augsburger Puppenkisten! Drinnen stecken Bekannte. Alte Bekannte. Helden, Gefährten, Freunde von einst, aus Jugend-, aus Kindertagen. Televisionäre Megastars einer Zeit, da  man dies Wort noch gar nicht kannte und auch Superstars noch nicht suchen musste:  Jim Knopf, 's Urmele, Kater Mikesch nebst Maunzerle, Bill Bo, Hotzenplotz, die Blechbüchsenarmee...  Sie alle haben sich im Museum für Puppentheater-Kultur (PuK) Bad Kreuznach versammelt, um dort bis 13. September an „60 Jahre Augsburger Puppenkiste“ zu erinnern.


Eng geht’s zu in den Kisten. Ein alter zerzauster Löwe beispielsweise muss sich die seine mit einer ganzen Blechbüchsen-Kompagnie und noch ein paar anderen Figuren teilen. Was durchaus seine Ordnung hat, spielten die „Eins, zwei, drei, vier marschieren wir“-Schrottsoldaten doch in der vom Hessischen Rundfunk für die ARD produzierten Serie „Gut gebrüllt Löwe“ mit. Dieser Zusammenhang war uns über die Jahre seit der Ausstrahlung 1967 abhanden gekommen. In Bad Kreuznach fällt es dem Betrachter wieder wie Schuppen von den Augen, wird auch die Erinnerung an einen Disput unter den damals Erwachsenen lebendig: Ist der Aufmarsch der Klapperkrieger eine militaristische Entgleisung der Augsburger Puppenkiste oder handelt es sich eher um eine antimilitaristische Satire?

Den Kindern war das seinerzeit völlig wurscht. Sie kreischten vor Begeisterung, wenn den Mannen des bösen Rao angesichts des Löwen die Glieder klapperten, die Marschordnung durcheinander geriet und sie mit dem Kommando „roll, roll, roll“ schleunigst  scheppernd Fersengeld gaben. Deutlicher war der Erwachsenen-Disput kaum zu entscheiden. Mal wieder „Gut gebrüllt, Löwe“ - den Titel hatten sich die Augsburger bei Shakepeare entliehen, der Spruch stammt aus dem Handwerkertheater im „Sommernachtstraum“. Wie überhaupt manches bei den Fernsehproduktionen der Augsburger Puppenkiste ein Spiel mit doppeltem Boden war: den Kindern ein geschmackvolles Vergnügen, in dem eine eigene Subebene, bisweilen subversive Ebene für Erwachsene drinsteckte.

Hier Theater, da Fernsehen

Die Kisten im Ausstellungssaal erinnern mit ihren gläsernen Frontscheiben ein bisschen an Fernsehapparate. Das ist Absicht. Das Kistenkonzept selbst geht auf ein Prinzip des Gründers der Marionettenbühne zurück. Walter Oehmichen wollte von 1948/49 an sämtliche Figuren einer Produktion in einer eigenen Kiste verpackt wissen; alles schön beisammen und leicht zu transportieren. Wie es für fahrendes Bühnenvolk eben praktisch ist. Und sie war viel auf Tour, die Augsburger Puppenkiste. Ihre tragenden Säulen allerdings waren über Jahrzehnte das feste eigene Theater in Augsburg sowie die Arbeit fürs Fernsehen.

Zwei Felder, die in der Praxis wenig miteinander gemein haben. Noch nie sei einer ihrer Fernsehhits von den Augsburgern live am Stück auf einer Bühne vorgestellt worden, erklärt Markus Dorner, Chef des Bad Kreuznacher Museums. Weshalb die (ausverkaufte) Uraufführung des Stückes „Urmels große Reise“ im Rahmen der jetzigen Ausstellung eine Uraufführung im doppelten Sinne sei.

Am 222 Zuschauer fassenden Stammtheater in Augsburg boten/bieten die Puppenspieler mit ihren Marionetten unabhängig von den TV-Produktionen einen quasi regulären Stadttheaterspielplan: Schauspielklassiker wie Strindbergs „Traumspiel“, speziell aufbereitete Opernklassiker wie „Don Giovanni“ oder die „Zauberflöte“ und natürlich Kinderstücke von „Aladin“ über „Frau Holle“ bis zu Ottfried Preußlers  „Die kleine Hexe“.

Denkwürdig die Erstaufführung der „Dreigroschenoper“ als Marionettentheater in Bert Brechts Geburtstadt im September 1960, zu einer Zeit also, da der Autor in Westdeutschland noch als Persona non grata und daheim als ungeliebter Sohn der Stadt galt. Die Kisten zu vielen dieser „Hausproduktionen“ sind im PuK ebenfalls vertreten, geben Einblicke in eine dem großen Publikum wenig bekannte Seite der Augsburger Puppenkiste.

„Ei-ne Insel mit zwei Bergen...“. Markus Dorner kurbelt wild an der Leier, um der Drehorgel die Titelmelodie zu „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ zu entlocken. Singen tut er nicht, könnte es aber ruhigen Gewissens, selbst wenn er als Sänger ziemlich untalentiert wäre. Denn der alte Oehmischen hatte stets verlangt, es solle bei den Liedern für die Fernsehstücke absichtlich „nicht schön“ gesungen werden. Ihm schwebte ein schnoddriger Bänkelgesang vor, dessentwegen beispielsweise auch Brecht und Kurt Weill die „Dreigroschenoper“ nie mit professionellen Opernsängern besetzt haben wollten. Die Geschichten von der inmitten eines Folien-Ozeans liegenden Insel Lummerland mit dem tollen Schienennetz, über das munter die kleine Lok Emma schnauferlt, war der größte Erfolg im Kinderprogramm des deutschen Fernsehens der frühen 1960er-Jahre.

Sonntags die erste Wahl

Und beim Blick in die Lummerland-Kiste schleichen sich geisterhaft Szenen aus der Kindheit ins Hirn: Gemurre aus sämtlichen Kindermündern, wenn am Sonntagnachmittag der Papa ausgerechnet zur Puppenkisten-Zeit meinte, den Familienspaziergang einläuten zu müssen.  Jim Knopf war Kult 1961/62, danach 1963 der kleine dicke Ritter, 1964 Kater Mikesch, dann der Löwe,  Bill Bo und seine Bande, schließlich „Urmel aus dem Eis“. In den 70ern – da hatten die Kinder sich Richtung Knutsch im Jugendzentrum verabschiedet, hielt aber der ergraute Papa der Puppenkiste die Treue - kamen Kalle Wirsch, Don Blech, Lord Schmetterhemd, wieder Jim Knopf und Urmel. In den 80er/90ern wird der Papa zum Opa und verfolgt nun mit den Enkeln die Abenteuer der Opodeldoks, des Schlupp vom grünen Stern oder des Prinz' von Pumpelonien – sofern er und die Kleinen sich nicht im Wirrwarr der unendlich vervielfachten Fernsehsender verlaufen.

Wie die Helden der Puppenbühne nicht durch äußerliche Größe bestechen, so ist auch die Ausstellung in Bad Kreuznach räumlich kein Riesenevent. Doch bringt sie mit gut 100 Figuren richtig Leben in Herz und Hirnkasten – als Schlüssel der Erinnerung mindestens zweier, meistens dreier Generationen von Fans der Augsburger Puppenkiste. So unproblematisch wie bei dieser Ausstellung war die Gewinnung von Unterstützern wahrscheinlich noch nie. Ob Stadtrat, Landesministerin, Bankvorstand oder Unternehmenschef: In diesem Fall sind sie, wie alle etwa vor 1985 Geborene, unmittelbar „Betroffene“ - Teilhaber an einem einst kollektiven Glückserleben. Denn die Augsburger Puppenkiste war einer der angenehmsten Teile unser aller Kindheit, in vielen Fällen bis ins Erwachsensein hinein.                                     Andreas Pecht

Infos: www.stadt-bad-kreuznach.de/puk

 
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