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2009-06-08c Porträt:

Begegnung mit Dirigent Enrico Delamboye
 

Der neue Chef im Orchestergraben
des Koblenzer Stadttheaters
 
 
ape. Köln/Koblenz. Sein Vorname entstammt dem Spanischen, der Familienname dem Französischen. Doch der Mann kam 1977 in Wiesbaden zur Welt, als Sohn des damals dort gerade engagierten Tenors Hubert Delamboye. Allerdings ist er seit Kindestagen niederländischer Staatsbürger. Als Erwachsener hat er dennoch überwiegend in Deutschland gearbeitet, zuletzt in Köln, wo er bis eben mit Gattin und zwei kleinen Buben auch lebte. Ein Europäer also durch und durch. Wenn dieser Artikel erscheint, wird Enrico Delamboye mit Familie bereits in ein Örtchen an der Untermosel umgesiedelt sein – um von dort den Dienst in seiner neuen Wirkungsstätte, dem Stadttheater Koblenz, anzutreten: Der 32-Jährige übernimmt im Leitungsteam des neuen Intendanten Markus Dietze die Funktion des Musikdirektors und Chefdirigenten am Theater.
 
Da das Staatsorchester Rheinische Philharmonie (SRP) dort „Hausorchester“ ist, avanciert  Delamboye gleich nach SRP-Chefdirigent Daniel Raiskin zu einem der künstlerisch wichtigsten Bezugspunkte für den Klangkörper. Beginnend mit der Spielzeit 2009/2010 wird der Niederländer zunächst für vier Jahre Herr im Theatergraben und somit dort in ähnlichem Umfang das Orchester leiten, wie es Raiskin im Konzertbereich tut. Wir trafen den designierten Musikchef des Theaters Koblenz am Bühneneingang der Oper Köln, wo er noch kurz vor seinem Wechsel ans Rhein-Mosel-Eck als Erster Kapellmeister für die musikalische Seite der Produktion von „Samson und Dalila“ verantwortlich war.

Klacke-di-klack-di-klacke-di-klack... rattert es aus dem Bauch des großen Kölner Opernbaus heran.  Man hört Enrico Delamboye, bevor man den dunkelhaarigen, freundlich lächelnden und ein Ideechen zu Korpulenz neigenden jungen Mann zu Gesicht bekommt. Das Geräusch rührt von einem kleinen  Rollkoffer, den er hinter sich herzieht. Nein, verreisen wolle er nicht, aber das Gefährt sei angenehmer, als Partiturwälzer und andere Utensilien in Tragetaschen zu schleppen. Dass der bebrillte Mann in weißem Hemd unter dunklem Sakko mit seinem Köfferchen ein bisschen nach Physiker unterwegs ins Tagungshotel ausschaut, stört ihn nicht. Sobald er über „gute Musik und interessantes Musiktheater“ spricht, wird klar: Diesem Menschen ist divenhafte Eitelkeit fremd, und was der Arbeit an „der Sache“ nützt, wird genutzt – und sei's ein Rollkoffer.

Sie kennen sich bereits, der Dirigent und das SRP. Bei mehreren „Schloss in Flammen“-Konzerten im Rahmen der Mittelrhein Musik Momente hatten sie miteinander gearbeitet. Und zwar ebenso gerne wie erfolgreich. Beiderseits wird bestätigt: Man schätzt sich, man mag sich, die Chemie stimmt. Delamboye beschreibt die bisherige Zusammenarbeit als „erfreulich, künstlerisch wie kommunikativ“. Er charakterisiert das Orchester als  „kompetent, freundlich, menschlich, aber vor allem immer für die Sache engagiert“.
 
Die unausweichlich Frage: Was reizt Delamboye am doch sehr kleinen Koblenzer Theater? Schließlich hat er an großen Häusern gewirkt, wurde gleich nach dem Musikstudium in Maastricht als Kapellmeister ans Staatstheater Wiesbaden engagiert, war unter Catherine Rückwarth auch Erster Gastkapellmeister am Staatstheater Mainz, ist Erster Kapellmeister an der Oper Köln.  Unverblümt ehrliche Antwort eines Mannes, der schon allerhand Publikumsbeifall und auch Kritikerzuspruch verbuchen konnte: „Ich habe es allmählich satt, in Funktionen zu arbeiten, wo ich immer nur die Pläne anderer ausführe. Ich will mitgestalten, auch bei Spielplänen und Besetzungen.“

Nach Koblenz hatte sich Delamboye nicht beworben, „ich wusste gar nicht, dass dort ein Musikdirektor fürs Theater gesucht wurde“. Dann der unerwartete Anruf von Markus Dietze mit dem Vorschlag, „sich mal zu unterhalten“. Und plötzlich öffneten sich Horizonte, zumal an einem Theater, das nach des Dirigenten Ansicht zwar klein sei, aber über eine „wunderbare Ausgeh-Atmosphäre“ verfüge und an dem sich „viele interessante Sachen“ würden realisieren lassen. „Ich wäre blöd gewesen, diese Chance nicht zu ergreifen.“ Anmerkung am Rande: Erste Hinweise auf Delamboye soll Markus Dietze aus Kreisen des Koblenzer Orchesters erhalten haben. „Was kaum der Fall gewesen wäre, hätten die Musiker befürchtet, die künstlerischen Auffassungen von Raiskin und mir vertrügen sich nicht.“ Mit diesem Satz kontert Delamboye Bedenken, zwei starke Dirigenten gleichzeitig könnten Orientierungsprobleme im Orchester verursachen. „Wann immer Raiskin und ich über Musik sprechen, stellt sich rasch Einverständnis in wesentlichen Fragen ein“, so Delamboye beim Kaffee in Köln.

Nein, da sieht er keine Probleme: „Wir wollen beide Partituren ausleuchten und manchen Klang entschlacken, wollen ein Bewusstsein für bestimmte Frequenzen im Orchester schaffen, die Nebenstimmen fördern und an der Modulatorik arbeiten.“ Kurzum: „Unser beider Musizieransatz liegt ziemlich nahe beieinander. Und was an unterschiedlichen individuellen Modi bleibt, kann von einem derart professionellen Orchester als Bereicherung verarbeitet werden.“

Überhaupt ist nach seiner Ansicht das Verhältnis zwischen beiden Dirigenten bestens und „voll an der Sache orientiert.“ Was sich auch darin niederschlägt, dass der Chefdirigent des Staatsorchesters und der Chefdirigent des Stadttheaters künftig bei einzelnen Projekten die Metiers tauschen werden. Dass Raiskin am Theater möglichst jede Saison eine Oper dirigiert, ist fester Wille der Dietze-Intendanz, beginnend mit der Spielzeit 2010/2011. Delamboye seinerseits wird bereits zum Jahreswechsel 2009/2010 Neujahrskonzerte des SRP dirigieren.

Enrico Delamboye freut sich auf Koblenz, freut sich auf die Arbeit mit dem SRP, dem Chor, dem Sängerensemble an den Musiktheaterstücken des neuen Spielplans. „Ja, wir riskieren was, aber wir sind von den Werken auch begeistert.“ Und „ja, für einige Abonnenten wird das nicht ganz einfach, aber wir hoffen mit künstlerischer Qualität zu überzeugen. Wenn die Mitwirkenden von der Sache entflammt sind, springt der Funke aufs Publikum über.“ Klacke-di-klack-di-klacke-di-klack...  Bis demnächst in Koblenz, Herr Delamboye.                                  Andreas Pecht


(Erstabdruck 23. Woche im Juni 2009)

Siehe zur neuen Intendanz am Theater Koblenz auch:

2009-05-29 Feature:
Theater Koblenz bricht mit Wechsel der Intendanz  zu neuen Ufern auf


2009-04-28b Porträt:
Umbruch am Theater Koblenz mit neuer Intendanz von Markus Dietze



Theater Koblenz, neuer Musikdirektor, Enrico Delamboye, Porträt

 
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