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2009-07-12 Fernsehkritik:

Premiere von "Die Vorleser" im ZDF
 

Das neue Literaturmagazin:
kurz und sehr artig
 
 
ape. Mit „Die Vorleser“ brachte das ZDF am Wochenende eine neue Literatur-Sendung auf den Bildschirm. Das Duo aus Moderatorin Amelie Fried und Literaturkritiker Ijoma Mangold trat beim Mainzer Sender in die  Nachfolge von Marcel Reich-Ranickis  „Literarischem Quartett“ und Elke Heidenreichs „Lesen!“.  Mit nur 880 000 Zuschauern fiel der vorab  kräftig beworbene Sendestart indes eher verhalten aus.


Das haben sie  irgendwie nett gemacht, „Die Vorleser“ Amelie Fried und Ijoma Mangold. Zwei gut gelaunte, sympathische Menschen. Beide nicht auf den Kopf gefallen. Saßen auf roten Sofas. Sprachen im Fernsehen 30 Minuten über Bücher. In summa über acht Titel. Dazu gab's: Zwei Film-Einspieler, Talk mit Gast Walter Sittler, Gewinnspiel für Zuseher, An- und Abmoderation. Pralles Programm. Schnell geschnitten, eilig durchschritten. Gut geölt; vorbeigeflutscht.

Seltsamerweise kam einem die Premiere der neuen Literatursendung trotzdem fast gemütlich vor. Was von den beiden Moderatoren rührte. Die hatten die Ruhe weg, plauderten unaufgeregt miteinander, als hätten sie alle Zeit der Welt –  als seien die paar Minuten meist völlig hinreichend, das Wichtigste zu sagen, was über die zur Rede stehenden Bücher zu sagen sei. Kaum eine Spur jenes Widerwillens, mit dem einst die kritischen Streiter beim „Literarischen Quartett“ ihre Dispute, den Zwängen des Fernsehen gehorchend, vorfristig abbrachen.

„Die Vorleser“ war ein bis auf die Sekunde genau inszenierter Auftritt. Dessen Leichtigkeits-Diktum unterwarfen sich die 50-jährige, in  Moderationen erfahrene Schriftstellerin Fried und der 37-jährige neue Vize-Feuilletonchef der „Zeit“ ebenso brav wie in TV-professioneller Glätte. Die Sendung will familien- und breitentauglich sein, will Leser-nützlich und unterhaltsam sein, will Elemente von Reich-Ranickis Kritiker-Quartett und Heidenreichs Empfehlungs-Solo zu einer Art Talk-Magazin vor allem über jüngst erschienene Romane verbinden. Das ist zuviel gewollt.

Themen- und Methodenwechsel im Minutentakt gehen zu Lasten des Gegenstandes: Fried und Mangold wechselten schon munter zum nächsten Buch, während der Zuseher noch versuchte, wenigstens einen Hauch vom vorherigen festzuhalten. Bücherlesen ist eine der letzten langsamen Beschäftigungen, ein Entschleunigungs-Hobby. Fernsehen kann solcher Langsamkeit von Natur nur schwer folgen. Aber muss es deshalb auch auf einer der Literatur verschriebenen winzigen Sendeinsel gleich ein derart hohes Schnitttempo vorlegen?

Fried mimte die Freizeitleserin, Mangold den gemäßigten Intellektuellen. Am schönsten war’s, wenn sie  stritten. Aber was heißt hier stritten: Er erhob freundlich kleine Einwände gegen ihre Freude über Joey Goebels „Heartland“, sie umgekehrt gegen seine Begeisterung für Per Olov Enquists „Ein anderes Leben“. Inszenierte Widerreden. Streit geht anders, Diskussion auch, und Literaturkritik sowieso. Aber die Vorleser wollen ja nur „vorkosten“, etwas orientieren im Bücher-Dschungel.

Dennoch: Die Sendung hat Potenzial – über den von Verlagen und Buchhandel erhofften Verkaufsimpuls hinaus. Fried und Mangold müssten allerdings davon ablassen, jedermanns Liebling und einander nie Kontrahent sein zu wollen. Solche Artigkeit ist schließlich auch ihrem Gegenstand, der besseren Literatur, ziemlich fremd. Vor allem aber sollten sie die mickrigen 30 Minuten nutzen, sich auf weniger Bücher etwas intensiver einzulassen. Das hat die Literatur selbst im Fernsehen verdient.                                                                                             Andreas Pecht


(Erstabdruck am 13. Juli  2009)
 
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