Kritiken Theater | |||
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2009-11-01 Ballettkritik: | |
Neuer Ballettabend von Stephan Thoss zwischen verquaster Philosophiererei, wunderbarer Ästhetik und reizendem Humor Wiesbaden schickt seine Tanzcompagnie ins „Labyrinth“ |
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ape. Wiesbaden.
„Das ganze Theater ist ein Irrenhaus, aber die Oper ist die Abteilung
für Unheilbare.“ Der hintersinnige Kalauer steht im Programmheft zum
neuen Ballett von Stephan Thoss am Staatstheater Wiesbaden. Der
dreiteilige Abend trägt den Gesamtitel „Labyrinth“. |
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Er
beginnt mit der Uraufführung einer „Irr-Garten“ genannten Choreografie.
Er endet mit „Carmencita“, der Neufassung einer schon 1999 entstandenen
Tanzpersiflage von Thoss auf Verstaubtheiten im Opernbetrieb.
Dazwischen die Uraufführung von „Sweet Shadow“: Eine Arbeit, die in
ihrer belebten, frischen, leichten, zarten, hochmusikalischen
Körperlichkeit ohne tiefenpsychologische Deutungsmühen als reine
Ästhetik genossen werden darf. Dieser Mittelteil zu jazzig
treibender bis versonnener Musik von Leszek Mozdzer ist das vielleicht
schönste Stück, das Thoss bislang in Wiesbaden kreiert hat. Ganz anders „Irr-Garten“. Da qualmt dem Betrachter bald der Kopf vor Anstrengung. Offenkundig ist, dass Thoss Botschaften hat, etwas sagen, womöglich erzählen will. Doch die Flut wild sprudelnder, oft gleichzeitiger Einzelszenen zu enträtseln, ist schier unmöglich. Wohin schauen, wenn entlang einer Allee und über einen daneben liegende Platz mal zwei Soldaten paradieren, mal eine Dame im Schleppenkleid geistert, mal drei Nymphen im Tutu greinende Gören geben... Und wenn paralell Männer wie Frauen in atemlosen Tanzwirbeln mit sich, miteinander, mit Schicksal und Welt ringen. Eine anfangs als Leitfigur verstandene Tänzerin (Eve Ganneau) in auffällig rotem Kostüm geht unterwegs verloren. Ihr Begleiter (Sandro Westphal) irrlichtert immer wieder mal als Leidensfigur durch die Szenerie. Bleibt schließlich bloß die Pauschallehre: Nichts ist, wie es scheint; nichts wird, wie erhofft; das Leben ist ein Irrgarten (oder die Welt ein Irrenhaus), sein Fundament das ewige Prinzip Hoffnung. Sollte das des Pudels Kern bei dieser – technisch formidablen – Tanzdarbiertung sein? Thoss philosophiert gern in Form getanzter Rätsel. Bisweilen indes verrennt er sich allzu sehr im selbst gebauten Labyrinth. Ebenso gern allerdings spielt er mit untergründiger bis plakativer Humorgkeit. „Carmencita“ treibt manchen Zuseher vergnügte Jauchzer über die Lippen. Auf riesigem, schiefem Plüschsofa lümmeln abgeschlafft gepuderte Helden der Grande Opera herum. Erst wenn die Ohrwürmer von Puccini, Verdi, Bizet erklingen, kommt ein bisschen Restleben in die Bande: Noch einmal werfen Soprane, Tenöre, Chöre sich in die Brust und geben Helden von einst. In diesem Fall übersetzen Tänzer alle Eitelkeiten und Manierismen der Opernwelt in veralbernde, aber treffenliche Bewegungskomik. Reizend. Andreas Pecht (Erstabdruck am 2. November 2009) Staatstheater Wiesbaden, Ballett, Stephan Thoss, "Labyrinth", Kritik |
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