Thema Musik
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2009-11-01a Konzertkritik:

Zwecks "Alpensinfonie" von Richard Strauss  vereint: Landesorchester in Koblenz und Ludwigshafen


 
Versuchter Gipfelsturm mit Rheinischer Philharmonie und Staatsphilharmonie

 
ape. Koblenz.  Aufi, aufi! Im Morgengrauen. Der Berg ruft. Durch dunklen Tann, über die Almen an glöckelnden Kühen vorbei. Hinan ins Reich der gewaltigen, gleißenden Gletscher. Gewittersturm und Irrweg entlang steilem Absturz trotzend, zum Gipfelglück...

119 Musiker machten die ausverkaufte Koblenzer Rhein-Mosel-Halle beim ersten Anrechtskonzert des Musik-Instituts zu einem Ort für großes Gefühlskino im Kopf. Eine Bergwanderung wird zum hochdramatischen, existenziellen Erlebnis. Nur dass in diesem Fall nicht Luis Trenker selig schwärmend davon erzählt, sondern Richard Strauss das  Ereignis in seiner 50-minütigen „Alpensinfonie“ als wirkmächtiges Musikpanorama ausmalt.


Der Vergleich hinkt, gewiss. Aber die Emphase des Naturerlebens zwischen höchstem Glück und Todesgefahr bei beiden gleicht sich doch. Die Ähnlichkeiten der Stilmittel in Filmmusiken zahlloser Bergsteigerdramen und bei Strauss sind kaum zufällig. Es ist nicht dem  Schöpfer der „Alpensinfonie“ anzulasten, dass sich hernach die Musikschreiber der Defa und Hollywoods bei ihm bedienten wie an einem offengelassenen Steinbruch. Gleichwohl hat sich der daraus entstandene Musikkitsch seither wie schmutziger Firn über die Rezeption des Ursprungswerks gelegt. Weshalb das Stück heute nicht mehr die Herzen aller Klassikfreunde erreicht.

Dennoch ist der Abend ein besonderer: Keiner kann sich erinnern, dass die Alpensinfonie in Koblenz jemals zuvor gespielt worden wäre, und sowieso kriegt man hier den vollen Sound von 119-köpfigen Orchestern nicht alle Tage zu hören. Die drei rheinland-pfälzischen Landesorchester sind viel zu klein, als dass eines allein die Besetzungsvorschrift von Strauss auch nur noch annähernd erfüllen könnte. Weshalb sich – wie schon bei Schostakowitsch' 4. Sinfonie im Frühjahr -  für hoch- und spätromantische Großwerke notgedrungen je zwei von ihnen zusammentun müssen.

Diesmal sind es Rheinische Philharmonie Koblenz und Staatsphilharmonie Ludigshafen, die unter dem engagierten Dirigat von Daniel Raiskin mit dramatischer Pathetik wie verträumter Naturlyrik ein hierorts seltenes Großton-Erlebnis bieten. Allerdings: Gute Musiker von dort und gute Musiker von hier ergeben in der Summe nicht zwangsläufig einen sehr guten Klangkörper. Kleine Unstimmigkeiten häufen sich, die Registerverschmelzung lässt ebenso zu wünschen übrig wie die Durchhörbarkeit des Gesamtklangs. Es ist nun mal so: Die partielle Kooperation eigenständiger Orchester kann zwar Ordentliches hervorbringen, aber per se doch nicht die Klasse gewachsener, permanent verschmolzener Klangkörper erreichen.

Vorab spielt das Koblenzer Orchester allein Beethovens berühmtes Violinkonzert. Im Verhältnis zur Sinfonie-Dichtung von Strauss mutet das fast wie Kammermusik an. Ein Eindruck, der durch die Interpration Raiskins und der Solistin Jennifer Frautschi noch verstärkt wird. So extrem langsam und intim hört man vor allem den zweiten Satz selten. Jeder Ton, jeder Akkord ein eigener Kosmos, das Ganze wie die rückhaltlos offene Beichte einer Menschenseele. Eine hinreißende Überraschung ist Frautschis Umgang mit ihren Solopassagen: Virtuos spielt die blutjunge Geigerin deren Mehrstimmigkeit aus. Und selbstbewusst erlaubt sie sich in den Kadenzen ein paar derart raffinierte Eigenwilligkeiten, dass selbst dem Dirigenten mal die sprichwörtliche Kinnlade herunterfällt.                Andreas Pecht      

(Erstabdruck am 1. November 2009)
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken