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2009-11-30 Musikwelt:

Ludwigshafen und Mannheim werfen
je eigenen „Ring“ in den Ring


Wagnermania am Rhein
 
 
ape. Mit „Ring“ assoziiert man in Rheinland-Pfalz derzeit vor allem „Nürburgring“ und das chronisch virulente Landespolitikum der fragwürdigen Finanzierung eines modernistischen Erlebnisparks an der altehrwürdigen Eifel-Rennstrecke. Nicht so in Ludwigshafen. Die Bürger der ewigen BASF-Stadt denken jetzt bei „Ring“ vornehmlich wieder an Richard Wagner. Denn dessen Opern-Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ ist dort seinerseits zum Politikum geworden. Das örtliche Theater im Pfalzbau will von 2010 bis 2013 das opus magnum des Herrn vom Grünen Hügel auf die Bühne bringen. Ein Ehrgeiz, der dem benachbarten Mannheim bitter aufstößt. Weshalb dessen Nationaltheater am Tag nach Verkündung der Ludwigshafener Pläne flugs anzeigte, selbst eine neue „Ring“-Produktion herausbringen zu wollen. Seither spricht die Lokalpresse süffisant vom „Ring-Kampf am Rhein“.


2013 ist Wagner-Jahr: Es jährt sich dann am 22. Mai der Geburtstag des deutschen Maestros für mythologische Großopern zum 200. Mal. Dass dies allenthalben und zumal in Deutschland Anlass sein würde, manchen neuen „Ring“ auf die Bühnen zu hieven, war absehbar. Nicht absehbar war, dass Ludwigshafen dabei mitmischt. Dessen Theater im Pfalzbau hat sich in der „Metropolregion Rhein-Neckar“ um Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen zwar eine respektable Stellung erarbeitet als Kooperations- und Gastspielbühne für hochrangiges Theater aus dem In- und Ausland. Eigene Produktionen auf die Beine zu stellen, war allerdings nie vorgesehen. Denn dazu fehlt es dem Haus an fast allem, von den Finanzmitteln über die Werkstätten bis zu Spielensemble und anderem künstlerischem Personal – sieht man vom Intendanten Hansgünther Heyme ab, einem der großen alten Männer des deutschen Regietheaters.

Folglich war es ein rechter Paukenschlag, als Ludwigshafen für alle Welt völlig überraschend verkündete: „Wir machen die gesamte Ring-Tetralogie.“ Wie soll das gehen, wie unter solchen Bedingungen der Gigant aus vier großen Opern mit insgesamt 16 Stunden Spieldauer realisiert werden? Zumal das einzige große Orchester am Ort, die „Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz“, sich bislang vor allem als Konzert-Reiseorchester verstanden und mit Musiktheater eher wenig am Hut hatte. Doch ausgerechnet dort, in der Philharmonie, war das Ring-Projekt ureigentlich ausgeheckt worden. Und zwar von Karl-Heinz Steffens, dem neuen Chefdirigenten, kaum dass er im Spätsommer 2009 sein Amt angetreten hatte.

Wie Steffens auf die Ring-Idee kommen konnte, wird verständlicher beim Blick auf die derzeitigen beruflichen Verflechtungen des gebürtigen Trierers und vormaligen ersten Soloklarinettisten bei Sir Simon Rattles Berliner Philharmonikern. Der Ludwighafener Chefdirigent hat nämlich einen Doppeljob: Er steht zugleich dem Opernhaus und der Staatskapelle in Halle an der Saale als Opern- und Generalmusikdirektor vor. Der rührige 48-Jährige betrachtete sich die Ressourcen und Möglichkeiten seiner beiden Wirkungsstätten und kam zu dem Ergebnis: Zusammengeführt lässt sich damit etwas für beide Städte richtig Großes machen. Und was wäre im Augenblick das dickste Theater-Ding? Im Hinblick aufs Wagner-Jahr 2013 der ganze „Ring“.

Gedacht, besprochen, aufs Gleis gesetzt: Hansgünther Heyme übernimmt die Regie, Steffens die musikalische Leitung; produziert wird mit der Logistik und dem Ensemble der Oper Halle nebst einigen zugekauften Solisten; bei den Aufführungen dort musiziert die Hallenser Staatskapelle, bei den Vorstellungen in Ludwigshafen die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Die Gesamtkosten von mehr als drei Millionen Euro werden geteilt, 80 Prozent entfallen auf Halle, 20 auf Ludwigshafen.  Selbst dann bleibt die Belastung beträchtlich, weshalb Heyme und Steffens eine offensive Sponsorenakquise betreiben und alle Beteiligten glücklich sind, dass inzwischen das Theater Heilbronn als dritter Kooperationspartner eingestiegen ist, etliche Aufführungen des „Rings“ überninmmt. Denn eines hatte der keineswegs einhellig begeisterte Stadtrat in Ludwigshafen dem Regisseur und dem Dirigenten von vornherein beschieden: Es gibt von uns keinen Cent zusätzliches Geld, ihr müsst euer Projekt mit dem hinkriegen, was ihr als Regelbudget habt. 

Heyme ist zuversichtlich, das zu schaffen, „ohne dass durch den Ring die restliche Kulturarbeit dieses Theaters, dieser Stadt gefährdet ist“. Das vorausgesetzt, wird der Wagner-Marathon im November 2010 mit dem „Rheingold“ passend in Ludwigshafen starten und gleich darauf nach Halle ziehen. Umgekehrt 2011: Im September „Walküre“-Premiere an der Saale, hernach Umzug an den Rhein. Weiter im Wechselspiel der Städte folgen dann 2012 im Frühjahr „Siegfried“ und im Herbst „Götterdämmerung“. 2013 schließlich, im eigentlichen Wagner-Jahr, gibt es je eine Gesamtaufführung. Heilbronn steigt etwas nachgezogen 2011 mit eigenem Aufführungs-Zyklus zu.

Und Mannheim knirscht derweil vernehmlich mit den Zähnen. Es ist ein harter Schlag für die geschichtsträchtige baden-württembergische Stadt mit dem ältesten Wagner-Verband Deutschlands, ihrem berühmten Nationaltheater und dessen großer Wagner-Tradition: Ausgerechnet der von den Mannheimern seit jeher als hässliches rheinland-pfälzische Entlein betrachtete Nachbar am gegenüberliegenden Rhein-Ufer wirft keck und auch noch zuerst seinen „Ring“ in den Ring. Was fällt der zur „gesichtslosen Stadt“ gewucherten „Chemiearbeitersiedlung“ ein?! Heyme wundert sich, dass man auf der anderen Seite der Rheinbrücken beleidigt tut, statt die „Ring“-Herausforderung der „Kunststadt Ludwigshafen“, wie er sich selbstbewusst ausdrückt, als produktive Provokation anzunehmen.

Am Ende werden eingefleischte Wagnerianer selbst von weither sich um die Eintrittskarten schlagen, egal ob in Mannheim, Ludwigshafen, Halle, Heilbronn oder anderswo. Und wer wird den besseren „Ring“ machen? „Wir natürlich!“, sind sich die Lokalpatrioten sicher – beiderseits des Rheins.        Andreas Pecht 

   

Ring des Nibelungen; in Mannheim, Ludwigshafen, Halle; Steffens, Heyme

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