Thema Ökologie
Thema Politik
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2009-11-30 Analyse Teil 1:

Im Vorfeld der Weltklimakonferenz Kopenhagen
ein Blick auf den Stand der Wissenschaftsdiskussion

 

Zwischen dramatischer Polareisschmelze und Stillstand der Durchschnittstemperatur
 
 
ape. In diversen Foren wird derzeit wieder verstärkt die These vertreten, der Mensch habe keinen Einfluss auf das Klima. Dessen ungeachtet lautet der kleinste gemeinsame Nenner der am Montag in Kopenhagen beginnenden Weltklimakonferenz: Um den Klimawandel einzudämmen, muss der weltweite CO2-Ausstoß reduziert werden. Ein Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft.

 
Es herrscht Unruhe in Wissenschaftskreisen, die mit Ursachen, Wirkungen und Folgen des Klimawandels befasst sind. Der alte Streit mit Klimawandelskeptikern ist wohl nicht zufällig im Vorfeld der Weltklimakonferenz mit neuer Vehemenz aufgeflammt. Hier die große Mehrheit derer, die vor gravierenden Auswirkungen einer überwiegend vom Menschen verursachten Klimaveränderung warnen. Dort die Minderheit der  „Skeptiker“, die im Klimawandel ein natürliches Phänomen sehen oder ihn generell bestreiten.

Die Politik orientiert sich in den meisten Staaten mittlerweile an der Mehrheitsposition, deren   Erkenntnisse wesentlich im vierten Weltklimabericht des UN-Klimarates von 2007 zusammengefasst waren. Seither sind eine Menge Forschungsergebnisse hinzu gekommen, die den Befund des Berichts in seinen Grundzügen bestätigen oder eine noch dramatischere Entwicklung befürchten, sollte der zivilisatorische CO2-Ausstoß nicht drastisch gesenkt werden.

Da attestieren viele jüngere Forschungen, dass die Eismassen der Polarregionen und die kontinentalen Gletscher deutlich schneller abschmelzen als angenommen. Das Ausmaß  der Schmelze hat nachhaltigen Einfluss auf die Höhe des Meeresspiegels, diese wiederum wird zur Bedrohung für insulare und küstennahe Siedlungsräume. Ein australischer Regierungsbericht konstatierte soeben ein erhebliches Gefährdungspotenzial für die Küstengebiete des fünften Kontinents, in denen 80 Prozent der Bevölkerung leben. Für etliche südpazifische Inseln ist der steigende Meeresspiegel bereits ein handfestes Gegenwartsproblem.

Ähnlich verhält es sich mit dem Auftauprozess der Permafrostböden in Sibirien, Kanada und diversen Hochgebirgen: Er geht rascher vonstatten als erwartet – weicht die Festigkeit  des Alpenfelses oder die Untergründe von Straßen und Häusern in den nördlichen Siedlungsgebieten auf. Vor allem aber setzt schwächelnder Permafrost großen Mengen des Klimagases Methan frei.

Höchster CO2-Gehalt seit 2 Millionen Jahren

So hoch wie heute sei der CO2-Gehalt unserer Atmosphäre in den letzten zwei Millionen Jahren nicht gewesen, stellten im Juni 2009 Forscher der Columbia Universität fest. Drei Monate später vermeldete die Queens Universität als Ergebnis von Bohrkernuntersuchungen: Eine derart extreme Wärmeperiode wie jetzt habe es in der Arktis sei 200 000 Jahren nicht gegeben. Zeitgleich verwirrte  ein Team aus Utrecht mit der Meldung, dass einst am Nordpol tropische Bedingungen herrschten. Allerdings war das vor 50 Millionen Jahren, mithin auf einer völlig anders strukturierten Erde, weshalb dieser Faktor für die derzeitige Klimadiskussion belanglos ist.

Jüngst tauchten indes auch Forschungsergebnisse auf, die nicht nur für Laien verwirrend sind.  Britische und deutsche Forscher publizierten im Frühjahr, der globale Temperaturanstieg sei zum Stillstand gekommen. „Der Klimawandel macht Pause“, mit dieser Schlagzeile reagierte die Presse etwa auf Berechnungen des Kieler Klimaforschers Mojib Latif. Bestätigt wurde, dass die globale Durchschnittstemperatur von 1970 bis 1999 rapide angestiegen war. Neu hinzu kam, dass seither die Temperaturen auf dem erreichten Niveau verharren. Klimaskeptiker leiteten daraus das Motto ab: „Der Klimawandel fällt aus“.  Eine Interpretation, die Latif und Kollegen jedoch entschieden verneinen. Sie verweisen stattdessen auf altbekannte natürliche Klimaschwankungen, die den von Menschen verursachten Klimawandelprozess vorübergehend beinflussen können.

Über die Ursachen der Schwankungen ist man sich noch nicht recht schlüssig. Latif geht von zyklischen Veränderungen der Meeresströme aus, andere Wissenschaftler tippen auf variierende Sonnenaktivität. Übereinstimmung gibt es jedoch darüber, dass die momentane Temperaturstabilität nur wenige Jahre anhält und die globale Erwärmung danach umso schneller voranschreitet.  Überflüssigerweise haben ein paar Heißsporne in der Klimaforschergemeinde versucht, den Temperaturstillstand unter den Teppich zu kehren; wohl aus Angst, das Phämomen möchte die Bereitschaft zu engagiertem Klimaschutz untergraben. Die Skeptiker sehen in diesem Verhalten bloß einen weiteren Beweis für eine weltweite Verschwörung der Klimaschützer um eigener Pfründe wegen.

Klimawandel ist kein geradeliniger Prozess

Sehr beunruhigend ist unterdessen: Trotz Gleichbleibens der globalen Durchschnittstemperatur  setzen sich polare Eisschmelze und Auftauen der Permafrostböden fort. Hinter der Durchschnittstemperatur verbergen sich regional teils gegensätzliche Prozesse. Während in Europa augenblicklich die Temperaturen stagnieren, in Nordamerika, Arabien und im Westpazifik sogar etwas sinken, steigen sie in der Arktis nach wie vor dramatisch.

Wovon wir uns verabschieden sollten, ist die naive, auch von medialen Vereinfachern beförderte Vorstellung, der Klimawandel verlaufe als geradlinige Entwicklung von einem Hitzerekord zum nächsten. Schon die frühen Vorhersagen vor bald 20 Jahren warnten vor solchen Erwartungen und prognostizierten ein verwirrendes Wechselspiel hochkomplexer Prozesse mit chaotischen Wettererscheinungen und scheinbar widersprüchlichen Klimaphänomenen. Von Entwarnung kann also gar keine Rede sein – es sei denn, man teilt die Ansicht der „Skeptiker“ und sieht in Abermilliarden Tonnen durch zivilisatorische Verbrennung erzeugtem CO2 nur willkommenen Pflanzendünger.                                                          Andreas Pecht

Weiter zur Analyse Teil 2

(Erstabdruck Woche 49 im Dezember 2009)




Auswahl früherer Artikel zum Klimawandel:

2009-08-24 Analyse:
CCS-Technik und der Traum vom sauberen Kohlestrom


2009-08-23 Kommentar:
Drei Schritte vor, zweie zurück - Deutschland wird selbstgesteckte Klimaziele nicht erreichen


2009-07-10 Analyse:
Neuigkeiten von der Klimafront. Jüngere Forschungsergebnisse


2008-11-09 Vortrag:
Frisst Wachstum den Klimaschutz weg? Ein pessimistischer Beitrag zum großen Dilemma der Klimaproblematik


2007-12-03 Dossier:
Kommentare und Analysen 2007 über
Klimawandel und Klimaschutz



 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken