Kritiken Theater
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2009-12-08 Schauspielkritik:

„Ion“ von Euripides in Bonn von Klause Weise inszeniert zwischen Traumspiel und Multimedia-Performance
 


Apolls Lust macht Menschenleben schwer
 
 
ape. Bonn. Antike Stoffe haben Konjunktur. Mainz brachte zuletzt Homers „Ilias“ heraus, legt im Mai Aischylos’ „Perser“ nach. Koblenz ließ seine Hausautorin das erste Stück in der Theatergeschichte über Klytaimnestra, Gattin und Mörderin des Agamenon, schreiben. Und in den Godesberger Kammerspielen der Bühnen Bonn hat jetzt Intendant Klaus Weise den „Ion“ des Euripides' inszeniert.

 
Dort erinnert die Bühne von Martin Kukulies mit zwei Treppen und mittiger Säule an einen Tempel. Eine kleine Putzkolonne ist zugange, derweil ein Mann das antike Relikt mit Videokamera durchmisst. Der nur 75-minütige Abend beginnt in der Gegenwart – mit einer übermütigen Showeinlage, die den jungen, hippieesken Besenschwinger Ion bis auf die Unterhose entblättert.

Von da an verwirren sich die Zeiten, mutieren Putzfrauen (Tanja von Oertzen, Nina V. Vodopyanova) zum antiken Chor, dokumentieren mit Fotohandy und Video die  vor gut 2400 Jahren aufgeschriebene und jetzt von Hubert Ortkemper neu bearbeitete Geschichte. Das Zeitalter der alten Griechen war kein Zuckerschlecken. Zumindest zeigen es die Dichter als ewige Abfolge blutiger Heldenkriege und grausiger Familientragödien, an denen die Götter stets mitschuldig  sind.

Der Fall „Ion“ gründet in  übler Vergewaltigung der Menschenjungfer Kreusa (Katharina von Bock) durch  Apoll. Die Frau gebiert Sohn Ion heimlich, überlässt ihn kurz seinem Schicksal, das dann anonym der Gott in die Hand nimmt: Er erkennt das Kind zwar nicht an, verschafft im aber nachher einen Job als Reinigungskraft im Tempel. Mutter weiß nichts vom Sohn und umgekehrt. Sie begegnen einander unerkannt, als Kreusa Jahre später mit ihrem Gatten Xuthos (Ralf Drexler) im Tempel Hilfe gegen eheliche Kinderlosigkeit sucht.

Kinderloses Paar, elternloses Kind und ein Gott, der  partout keine Ordnung in die Sache bringen will. Der stattdessen mit obskuren Orakelsprüchen Eifersucht und Misstrauen so sehr anheizt, dass schier die Mutter den Sohn meuchelt. Das alles inszeniert Weise als vage Andeutungen zwischen Traumspiel und Multimedia-Performance.

Interessant sind die auf  Leinwände projizierten Nahaufnahmen der Handelnden.  Kinoeffekte, in den letzten Jahren allüberall oft zu erleben, deren Nützlichkeit fürs Theater indes fragwürdig ist.  Gewaltig vergrößtere Gesichter sorgen per se halt so wenig für tieferen Einblick in Innenwelten wie anhaltendes Wutgeschrei. Von beidem gibt's hier reichlich. Was leider die phasenweise  schön zurückgenommene, ungekünstelte Art des Spiels beim fünfköpfigen Ensemble, inbesondere bei Oliver Chomiks Ion, vedrängt.                                                                        Andreas Pecht


(Erstabdruck am 9. Dezember 2009)


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