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2009-12-19 Essay:


Wozu Denkmalschutz?

 
ape. Es gibt im Volksmund das kleine Wort „verschandelt“. Auf die Lippen springt es dem Betrachter zumeist, wenn er eine Landschaft, einen Stadtteil, ein Gebäude durch unbedachte oder mutwillige Eingriffe gestört sieht. Hochhaus im Jugendstilpark, blecherne Autogarage im Hof eines Renaissance-Schlosses, geschmackloser Betonkasten im mittelalterlichen Stadtkern, Aluminiumhaustür mit Plastikvordach für eine historische Bauernkate...  Die gleiche Wirkung kann  hervorrufen, wenn irgendwo historisch wertvolle Bausubstanz achtlos verrottet. Jedem sind derartige „Verschandelungen“ schon begegnet, jeder hat sich schon einmal darüber geärgert. Warum? Weil es nicht passt. Weil etwas falsch daran ist. Weil es das fast allen Menschen eigene Gefühl für Stimmigkeit beleidigt. Und: Weil durch solche Eingriffe oder Vernachlässigungen kulturelle Schätze der Vergangenheit sichtlich entwertet werden.

Solch berechtigter Ärger der Allgemeinheit über „Bausünden“, über die Verschandelung wertvoller Kulturgüter begründet unter anderem den Denkmalschutz. Er soll unersetzbare Zeugnisse der Geschichte zum Nutzen der Gegenwart und künftiger Generationen erforschen und bewahren. Woraus besteht dieser Nutzen? Ein ganz unmittelbarer Nutzeffekt fällt sofort ins Auge, auch wenn er im Gedanken des Denkmalschutzes bei weitem nicht der wichtigste ist: der wirtschaftliche. Was zieht alljährlich Millionen Touristen aus aller Herren Länder in Städte wie Trier, Koblenz, Mainz, Speyer? Gewiss nicht die in jeder größeren Stadt übliche Ballung von Geschäften, Gasthäusern, Behörden, Schulen. Es ist in erster Linie die Aussicht auf Begegnung mit interessanten, mit beeindruckenden, womöglich mit einmaligen Hinterlassenschaften aus unlängst oder längst vergangenen Zeiten.

Ohne Zeugnisse der Vergangenheit wären wir arm dran

Man denke sich einfach mal Speyer ohne seinen Dom, Trier ohne seine Antikenstätten oder Koblenz ohne Festung Ehrenbreitstein, Deutsches Eck und historische Altstadt. Man denke sich den Mittelrhein und die Pfalz ohne Burgen und Schlösser, Mosel und Ahr ohne historische Winzerhöfe und Weinstuben. Man stelle sich die Dörfer in Eifel, Hunsrück, Westerwald, Rheinhessen ohne altehrwürdige Fachwerkkaten, Bruchsteinhäuser und Kirchen vor. Die Zahl der Besucher möchte ins Bodenlose fallen – und auch den Einheimischen würde, neben entgangenen Einkünften, so allerhand zu ihrer heutigen Lebensqualität und ihrem Wohlempfinden fehlen. Denn es ist eine Eingenart des Menschen: Er lebt gerne in der Gegenwart und strebt der Zukunft zu, aber ohne Einbettung in die  Geschichte, ohne Beziehung zu Traditionen und Herkommen fühlt er sich unwohl, ja arm.

Doch der Zahn der Zeit nagt in Form von Umwelteinflüssen, politischen Katastrophen, manchmal auch einfach Gleichgültigkeit oder kurzsichtigen Interessen am Bestand der Kulturdenkmäler –  seien es Festungen, Kirchen, Burgen, seien es Altstadtquartiere oder nur einzelne historische Wohnhäuser. Nicht zu vergessen die Zeugnisse vergangener Arbeitswelt wie herausragende Industriebauten, Werkstätten, Gruben, Maschinen, Arbeitersiedlungen... Denn  auch wenn diese vielleicht nicht als schön empfunden werden, gehören sie doch zur großen Erzählung darüber, woher wir kommen, wie wir geworden sind, was wir sind.

Und um eben diese Erzählung geht es vor allem bei Denkmalschutz und Denkmalpflege. Kulturgeschichte, auch Naturgeschichte, soll nachvollziehbar und erfahrbar bleiben durch eigene Anschauung am erhaltenen, erforschten, geschützten Erbe der Vergangenheit. Deshalb heißt es im rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz ganz schlicht: „Aufgabe des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege ist es, die Kulturdenkmäler zu erhalten und zu pflegen, insbesondere deren Zustand zu überwachen, Gefahren von ihnen abzuwenden und sie zu bergen.“

Denkmäler sind die große Erzählung über unsere Wurzeln 

Wie wichtig das fürs menschliche Leben ist, mag der Blick auf kleine Kindern verdeutlichen. Die hängen gespannt an den Lippen ihrer Großeltern, wenn diese erzählen, wie es einst war – in der Familie, im Haus, im Dorf, im Land. Die Neugierde setzt sich bei den Erwachsenen fort: Nie wurden so viele geschichtliche Filme und Sendungen produziert, nie so viele Historienromane gelesen wie heute. Und mag die Zeit noch so schnelllebig geworden sein, noch immer werden familiäre Fotoalben und ererbte Erinnerungstücke an Eltern, Großeltern, Ahnen geschätzt, verwahrt, gepflegt.

Diesem Drang zum Wissen-Wollen, Erhalten und Bewahren im privaten Kleinen wohnt derselbe urmenschliche Grundgedanke inne wie dem Denkmalschutz im Großen. Wobei keine Kopie und kein Nachbau, keine filmische Rekonstruktion oder digitale Nachbildung die Begegnung mit dem original erhaltenen Zeitzeugnis wirklich ersetzen kann. Damit solche Begegnungen heute und morgen möglich bleiben, dazu braucht die Gesellschaft, brauchen die Menschen sachkundigen, engagierten, wirksamen Denkmalschutz.                                                           Andreas Pecht

Zum Thema siehe auch
2009-12-19a Feature: Was ist ein Kulturdenkmal?



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