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2009-12-20 Ballettkritik: | |
„Rebound“: Die zweite Tanz-Produktion unter Pascal Touzeau eröffnet in Mainz interessante Perspektiven ballettmainz unterwegs zu früherem William Forsythe |
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ape. Es
wird der Tag kommen, an dem Pascal Touzeau es nicht mehr hören
kann, als Erbe seines Lehrmeisters William Forsythe bezeichnet zu
werden. Im Moment allerdings scheint für das neue ballettmainz und
seinen Chef der eigene Findungsprozess erstmal tiefer in diese
spezielle Traditionslinie des zeitgenössischen Tanzes zu führen. Anders
als „Related“ im Oktober, beschränkt sich die jetzige zweite Mainzer
Produktion „Rebound“ nicht mehr auf Forsythe-Zitate: Die 20 neuen
Tänzer adaptieren mit sichtlicher Lust die damalige Stilistik der
Frankfurter Avantgarde als ein zentrales Ausdrucksmittel. |
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Die
überörtliche Ballettszene beobachtet die Mainzer Entwicklung mit
interessiertem Abwarten. Denn Touzeau knüpft an die 80/90er-Stilphase
von Forsythe an. Damit war das ballettfrankfurt weltberühmt geworden.
Sein Begründer hat sich davon derweil so radikal entfernt, dass nun dem
ballettmainz durchaus die Rolle des Erbwalters und Fortentwicklers
zufallen könnte. Der aktuelle fünfteilige Abend spricht dafür: Während
die Gast-Choreografien von Marc Spradling und Rafael Bonachela
sich als Gegensatz zwischen neoklassisch-weicher und modern-aggressiver
Paarbeziehung auffassen lassen, spielen die drei Touzeau-Teile intensiv
mit den Mitteln der Forsythe-Ästhetik. „hell.land“ heißt die erste der drei Eigenproduktionen. Ein Wortspiel auf Hölle und Land, angelehnt an Anton Bruckners Helgoland-Kantate, deren Motivik Bruno Raco am Flügel zur Klangmontage verarbeitet. Die Bühne ein düsterer Raum, durch den zwei Scheinwerfer pendeln – mit denen Tänzer einander anleuchten, zu erkennen trachten. In fremder, ungewisser Umgebung Andere und dabei auch sich kennenlernen, ist ein zentrales Element des Stückes. Vorsichtig tastendes Miteinander in Duos und Trios korrespondiert in dieser Uraufführung mit dem Suchen jedes Tänzers nach persönlichem Ausdruck zwischen der vertrauten Bewegungseleganz der Neoklassik und ihren kreatürlichen Brechungen im Frankfurter Stil. Herrscht in „hell.land“ noch eine gewisse distanzierte, auf tanztechnische Erprobung konzentrierte Kühle, fordert Touzeaus Choreographie „No Thumb“ von den Tänzern individuelle Hingabe bis zur schieren Ekstase. Die vor einiger Zeit für die Dresdner Semper Oper entstandene Arbeit zu Peteris Vasks Komposition „Dona nobis pacem“ ist der wohl schönste Teil des Abends, die abschließende Uraufführung „Direct/or cuts“ der geheimnisvollste. In rot-orangenes Licht getaucht die von gläsernen Becken gefasste Bühne. Von oben regnet’s kräftig. Mikrofone verstärken und vervielfachen jedes Plätschern, Scharren, Flüstern, Schreien raumfüllend. Eine barbusige Schöne in rotem Beinkleid sucht Zugang zu einer Gesellschaft aus dem Wasser verbundenen Naturwesen. Andere Deutungen sind möglich, die benutzten Mittel und Tanzformen indes eindeutig frankfurterisch. Will sagen: Wer Ballett als durch Geradheit, Ebenmaß, harmonische Streckung und eleganten Fluss idealisierten „schönen“ Körperausdruck versteht, erlebt hier das Gegenteil. Verkrümmte Leiber, verdrehte Glieder, zuckende Bewegungen öffnen das Spektrum des vermeintlich Hässlichen. Was für andere Künste seit jeher gilt, musste im späten 20. Jahrhundert William Forsythe ins Ballett erst einführen: die unschöne Kehrseite menschlicher Existenz als gleichberechtigte ästhetische Kategorie. Diese Tradition auf schon recht beachtlichem Niveau fortzuführen, steht dem ballettmainz nicht schlecht an. Andreas Pecht (Erstabdruck am 21. Dezemebr 2009) Info: www.staatstheater-mainz.com Staatstheater Mainz, ballettmainz, Touzeau, "Rebound", Kritik |
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