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2009-12-28 Musikwelt:

Eine Begegnung mit Frank Lefers, dem neuen Intendanten der Rheinischen Philharmonie Koblenz

 

Neues Tandem an der Spitze des Staatsorchesters

 
ape. Koblenz. Dass betagte Herrschaften die klassischen Kulturinstitutionen fest im Griff hätten, dieser in Deutschland oft erhobene Vorwurf gilt für Koblenz nicht. Als Beate Reifenscheid 1997 die Leitung des hiesigen Ludwigmuseums übernahm, war sie gerade 36 Jahre alt. Wie Mario Kramp, seit 2002 Direktor des Mittelrhein-Museums, zählt sie heute zur Generation der quietschlebendigen Endvierziger. Auch die aktuelle Welle von Personalwechseln in Koblenz spülte vergleichsweise junge Leute in leitende Kulturfunktionen. Daniel Raiskin übernahm  2005 als 37-Jähriger das Amt des Chefdirigenten bei der Rheinischen Philharmonie. Markus Dietze wurde eben mit 38 Intendant des Stadttheaters, sein Musikdirektor Enrico Delamboye ist gar erst 32.

Verglichen damit könnte Frank Lefers, der vorerst letzte Neuzugang, mit seinen 44 Jahren schon beinahe als älterer Herr gelten. Allerdings nur auf dem Papier. Lifehaftig macht der Nachfolger von Rainer Neumann als Intendant der Philharmonie eher den Eindruck eines jungen Mannes, der mit frischem Unternehmungsgeist und sehr neugierig seinem neuen Amt entgegengeht. Am 1. Februar 2010 tritt er im Görreshaus beim Koblenzer Staatsorchester seinen Dienst an. Bis dahin hat er noch allerhand Arbeit an seiner bisherigen Wirkungsstätte: Lefers ist seit 2006 Orchestergeschäftsführer der Bielefelder Philharmoniker. Bis dahin muss er am neuen Dienstsitz eine Wohnung gefunden haben: für sich, die Gattin, den zweijährigen Sohn und ein weiteres Kind, das voraussichtlich im Mai – dann als erster echter Schängel in der Familie – zur Welt kommt.

Weil  außer der Findungskommission, dem Orchester und einigen Journalisten bei einer kurzen Pressekonferenz im November hierorts bislang kaum jemand den gebürtigen Wermelskirchener zu Gesicht bekommen hat, fingen wir Frank Lefers an seinem Wohnungssuche-Tag in Koblenz ab; zum Gespräch zwecks Beschnupperung. Nein, über konkrete Pläne und Absichten für seine Arbeit in den nächsten Jahren beim Koblenzer Orchester könne er leider noch nichts sagen. Nur so viel: „Die Chemie zwischen Herrn Raiskin und mir scheint zu stimmen. Von der Aufgabenteilung her ist klar, dass der Chefdirigent das musikalische Programm gestaltet. Die Verantwortung für das Ganze tragen wir gemeinsam.“ Zuerst einmal aber müsse er sich mit den Bedingungen hier vertraut machen, müsse die Kollegen intern und die Partner extern kennenlernen, müsse bisherige Entwicklungen, laufende Planungen, gegenwärtigen Status und Potenziale erkunden.

Der zurückhaltend auftretende, leise sprechende Mann mit rot-blonder Kurzhaarfrisur und viereckig-flacher Brille im schmalen Gesicht will also zuerst Bestandsaufnahme machen, will zuhören, hinschauen, analysieren, bevor er mit eigenen Vorstellungen ins komplexe Räderwerk des hiesigen Orchesterbetriebes eingreift. Viel Zeit für die analysierende Orientierung wird ihm allerdings kaum bleiben: Sein Wechsel erfolgt mitten in der Saison bei laufendem Betrieb. Besinnlichkeit ist nicht, dafür Ärmelaufkrempeln angesagt, auch wenn das aktuelle Programm noch von den Vorgängern organisiert wurde.

Lefers weiß, es wird höchste Eisenbahn, die nächste Spielzeit in trockene Tücher zu bringen. Obendrein muss er noch eine andere Baustelle sofort in Angriff nehmen: Die Mittelrhein Musik Momente (MMM), deren Leitung er zusammen mit der Philharmonie-Intendanz übernommen hat. Festivalorganisation, damit hat der studierte Kulturmanager und vormalige Orchesterhornist noch keine Erfahrung. Doch beunruhigt wirkt er nicht: “Das trau ich mir schon zu. So grundlegend unterscheidet sich das nicht von der Organisation von Orchesterauftritten mitsamt Agenturverhandlungen und Engagements der Gastsolisten.“ Und darin hat Lefers reichlich Erfahrung, gesammelt schon vor seiner Bielefelder Zeit am Dreispartentheater Pforzheim. Dort arbeitete er im künstlerischen Betriebsbüro, war auch Orchesterinspektor und Referent des Generalmusikdirektors. Markus Dietze und Mannschaft am Stadttheater Koblenz werden sicher erfreut sein, auf Seiten ihres „Hausorchesters“ einen Partner zu wissen, der sich mit den logistischen Bedindungen in der Theaterwelt bestens auskennt.

Erfreut zeigten sich bereits die Musiker der Rheinischen Philharmonie und Chefdirigent Daniel Raiskin darüber, dass sie einen der Ihren zum neuen Intendanten bekommen. Denn Lefers kennt die Orchesterpraxis auch aus Musiker-Sicht. Er war selbst einer, hatte schon als neunjähriger Bub im heimatlichen Posaunenchor das Horn geblasen, hatte nachher im renommierten Sinfonischen Blasorchester Hilgen mitgespielt. Seinen Wehrdienst leistete Lefers beim Stabsmusikkorps in Siegburg ab. Es folgte das Musikstudium an der Folkwanghochschule Essen und bei der Horn-Koryphäe  Hermann Baumann. Schließlich der Eintritt ins Berufsleben als Orchestermusiker: Anfang der 1990er Hornist im Gürzenich-Orchester Köln, dann erster Hornist an der Oper Wuppertal, eineinhalb Jahre Solohornist beim Orchester Trier, anschließend beim Rundfunkblasorchester Leipzig, zuletzt beim Philharmonischen und Theater-Orchester Hagen.

Was bewegte den Hornist 2001 zum Fernstudium im Fach Kulturmanagment und zum beruflichen Umsatteln weg vom aktiven Musizieren? Lefers spricht über eine Erkrankung namens Fokale Dystonie, die seit der Jahrtausendwende in einem schleichenden Prozess seine Lippen befallen habe und ihm schließlich das Hornspielen unmöglich machte. Die volkstümlich auch „Musikerkrampf“ genannte Krankheit ist der Schrecken aller Musiker, weil sie in ansonsten gesunden Körpern gerade die fürs jeweilige Instrument hochspezialisierten Muskelpartien aus dem Tritt bringt. Lefers macht um den Schicksalsschlag kein Aufhebens, er erläutert den Fall ruhig und sachlich als Wendepunkt in seinem Berufsleben. Wie hart ihn das damals getroffen haben muss, lässt sich nur erahnen, wenn er mit einem Anflug von Wehmut auf Nachfrage erklärt, dass das objektiv nichts mehr werden kann mit dem Hornspielen bei ihm.

Der 44-Jährige lässt sich das Leben deshalb nicht verdrießen: „Ich bin schließlich Rheinländer“, aufgewachsen an der ewig umkabbelten Demarkationslinie zwischen Köln und Düsseldorf. „Nicht ganz die überdrehte rheinische Frohnatur“ sei er zwar, aber mit nachdrücklicher Hilfe seiner Frau  sogar dem Karneval nicht völlig abhold. Na dann kommt Frank Lefers im Februar gerade zur rechten Zeit an den Mittelrhein.                                   Andreas Pecht        

(Erstabdruck Woche 53 im Dezember 2009)

Rheinische Philharmonie Koblenz, Neuer Intendant, Frank Lefers, Porträt
 
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