Thema Menschen 
Thema Kultur /Musik
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2010-01-12 Feature/Porträt:

Begegnung mit Karl-Heinz Steffens, dem neuen Chefdirigenten der Staatsphilharmonie in Ludwigshafen

„Ich will etwas bewegen“

 
ape. Ludwigshafen. Das Moselland nennt er „meine Heimat“, denn in Trier und Wittlich ist er aufgewachsen. Mit Frau und zwei Kindern fühlt er sich indes „in Berlin daheim“. Dennoch geht er mit Verve  einem Doppeljob in der Ferne nach: Seit 2007 steht Karl-Heinz Steffens in Halle an der Saale als Generalmusikdirektor dem Opernhaus und der Staatskapelle vor, seit dem Herbst 2009 leitet er zusätzlich als Chefdirigent die eben 90 Jahre alt gewordene Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen. Dort haben wir den 48-Jährigen besucht.
 

Starke Besetzung im Ludwigshafener Probensaal. Das Orchester hat die 4. Sinfonie von Brahms aufliegen, nachher steht Schumanns Violinkonzert auf dem Plan: Lieblinge des Dirigenten, der ein Faible für Romantik, aber auch die Zweite Wiener Schule hat. Die Stimmung im Raum ist ungezwungen, doch konzentriert. Zwischen dem mit 86 Musikern größten der drei rheinland-pfälzischen Staatsorchester und dem stoppelbärtigen Mann in Jeans und T-Shirt spielt sich jenes Miteinander ab, das Laien immer wieder als Faszinosum erleben: Viele erwachsene Individualisten beugen sich freiwillig einem Einzelnen und gehorchen zum Klangkörper verschmolzen dessen kleinsten Fingerzeigen.

Das wirkt hier, als seien Dirigent und Ludwigshafener Musiker ein lange eingespieltes Team. Tatsächlich aber ist Steffens „der Neue“ und studiert mit der Staatsphilharmonie gerade mal sein zweites Konzertprogramm als hiesiger Chef ein. Zu hören bekommt es Tags darauf das Publikum der Landeshauptstadt bei den „Mainzer Meisterkonzerten“. Das ist eine von etlichen auswärtigen Reihen, die das „Reiseorchester“ neben seinen Auftritten im Ludwigshafener Pfalzbau oder im BASF-Feierabendhaus bespielt. So lebt Karl-Heinz Steffens nicht nur im Dreieck Berlin-Halle-Ludwigshafen,  sondern wird angelegentlich auch in Landau, Kaiserlautern, Frankenthal, Neustadt, Pirmasens oder Worms den Takstock führen; von Abstechern der Staatsphilharmonie in andere Bundesländer und nach Österreich gar nicht zu sprechen.     

Die Arbeit an der Brahms-Sinfonie nimmt ihren Fortgang. Von den Geigen wünscht sich Steffens   „eine besondere, eine schöne Farbe.“ Welche, drückt er nicht in Worten, sondern beim Dirigieren mit Körper und Mimik aus. Ähnliches bei den Bläsern, denen er zuruft: „Wie der Kölner Dom muss der Ton aufstrahlen“ – um sich nach dem Einsatz ganz klein zu machen, dann in einer fließenden Bewegung aufzurichten,  zwischen auseinander schwingenden Armen das Gesicht mit der markanten Nase und weit geöffnetem Mund 'gen Himmel zu recken.

Nicht referieren, sondern zeigen und probieren

Steffens gehört zu den Dirigenten, die keine ausgreifenden Erklärungen über musikalische Interpretation abgeben. Beim anschließenden Gespräch in seinem noch büromäßig eingerichteten Dirigentenzimmer („das muss ich erst schön machen“) äußert er sich wenig begeistert über Orchesterleiter, „bei denen nach 20-minütigen Vorträgen, wie eine Stelle klingen soll, es immer noch so klingt wie vorher“.  Ansagen ans Orchester müsse man knapp halten. Alles Übrige entwickle sich im wiederholenden Musizieren, sofern die Vorstellungen des Dirigenten in seinem körperlichen Agieren Ausdruck finden.

Steffens weiß, wovon er redet, zumal er das Metier auch aus der Perspektive des Orchestermusikers kennt. Bevor er zum Dirigentenstab griff, war der gebürtige Trierer Klarinettist. Und zwar einer der besten, wie seine letzte Klarinettisten-Stellung als Erster Solobläser bei den Berliner Philharmonikern zunächst unter Claudio Abbado, dann bei Sir Simon Rattle bezeugt. Karl-Heinz Steffens war mit zehn Jahren als Gymnasiast in Wittlich zur Klarinette gekommen, hatte im Landesjugendorchester Rheinland-Pfalz gespielt, wurde unter anderem von Ulf Rodenhäuser, dem  spiritus rector des Ensembles Villa Musica, zur Meisterreife geführt.

Ein Bub von der Mosel, der als Orchestermusiker, Kammermusiker und Solist eine glänzende Karriere in der großen Musikwelt machte – dennoch keine Spur von Divenhaftigkeit zeigt. Wie kam er zum Dirigieren? Die Neigung habe sich früh abgezeichnet. Allerdings zuerst bloß in seinem Kopf. „Wie das Leben halt spielt: Mit der Klarinette lief es prima, da kam eine Sache auf die andere und schob das Dirigieren immer wieder beiseite.“ Mitte der 1990er griff Steffens dann doch zum Taktstock, war bald nicht mehr nur als Klarinettist, sondern ebenso als Dirigent gefragt. Auf seine Klarinettenpraxis heute angesprochen, stöhnt er: „Ich müsste üben, üben, üben“. Denn im Kalender sind noch etliche Projekte vermerkt, die er als Instrumentalist bestreiten wird.

Enorme Dreifachbelastung

GMD der Hallenser Oper mitsamt der 154-köpfigen Staatskapelle, Chefdirigent in Ludwigshafen und dazu noch anspruchsvolle Klarinetten-Engagements: „Die Belastung ist enorm. Ob das mit der Klarinette auf Dauer geht?“ Steffens stellt sich die Frage sehr nachdenklich. Den Autor erinnert dieser Moment an ein Gespräch, das er vor Jahren mit einem guten Kollegen von Steffens führte, mit Daniel Raiskin. Der war ein international renommierter Bratscher, hatte sich dann mit Erfolg aufs Dirigierfach verlegt, ist seit 2005 Chefdirigent beim Koblenzer Staatsorchester Rheinische Philharmonie und leitet seit 2008 zugleich die 100-köpfige  Philharmonie in Lodz. Steffens weiß, dass sein „Freund Dani“ die Bratsche an den Nagel hängen musste. Er ahnt wohl, dass es ihm alsbald  mit der Klarinette ähnlich ergehen könnte.

Denn wenn Steffens was macht, will er es richtig machen. „Ich will in Ludwigshafen etwas bewegen“ sagt der Mann mit Nachdruck. Für eine kleine Sensation hat er schon in den ersten Wochen mit der Einfädelung eines besonderen Projektes gesorgt: Seine Arbeitsstellen Halle und Ludwigshafen werden zwischen 2010 und 2013 gemeinsam Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ auf die Beine stellen. Steffens dirigiert, der Intendant des Ludwigshafener Theaters im Pfalzbau, Hansgünther Heyme, führt Regie; produziert wird in Halle, aufgeführt in beiden Städten unter Einbeziehung beider Orchester.                        Andreas Pecht


Infos: www.staatsphilharmonie.de

(Erstabdruck Januar 2010)



Siehe auch Artikel:

2009-11-30 Musikwelt:
Wagnermanie am Rhein - Ludwigshafen und Mannheim werfen je eigenen "Ring" in den Ring



 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken