Kritiken Theater | |||
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Matthias Fontheim inszeniert am Mainzer Staatstheater einen dreckigen „Richard III.“ In Shakespeares Kloake der Machtgier |
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ape. Mainz. Am
Ende liegt die ganze Bagage tot im Dreck. Drei Stunden hatten sie sich
in einer Kloake von Königshof gegenseitig massakriert. Wer übrig
blieb, dem gab Richmond den Rest, obsiegender Feind von außerhalb.
Gelassen, schmunzelnd steht er zum Schlussbild von Shakespeares
„Richard III.“ im Staatstheater Mainz an der Rampe, zieht die
verschlammten Klamotten aus und einen feinen Anzug über: Der König ist
tot, es lebe der König. |
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Es wäre müßig, hier zu erzählen, wer in der letzten der drei Shakespeare-Tragödien über die Rosenkriege wen, wann, wie, warum meuchelt. Wie immer, wenn vielfach verbandelte Machtgruppen um Herrschaft streiten, wird die Sache unübersichtlich: Jeder ist Täter und Opfer zugleich, Schuld und Unschuld sind kaum auseinander zu halten. Weshalb es seine Logik hat, dass in der Inszenierung von Intendant Matthias Fontheim sich sämtliche Akteure über und über mit Matsch und Theaterblut besudeln. Erzählt sei lieber von einer jungen Schauspielerin, die eine der großen Männerrollen Shakespeares spielt, als ginge es um ihr Leben: Katharina Knap gibt Richard III. Allerdings tritt sie mehr als Bub denn als Frau auf: Aus einem viel zu großen Wollpullover lugt unter kurz geschnittenem Haar ein blasses Gesicht mit kecken Grübchen, das aus wasserblauen Augen neugierig in die Welt blickt. Das ist so gar nicht die Gestalt, der man zutraute, dass sie mit kalter Berechnung über Leichenberge den Thron erobert. Damit passt die Mainzer Figur sehr gut auf den verwachsenen Richard von Shakespeare. Gleiches gilt für Knaps Spielkunst: Schmeicheln, weinen, unschuldig tun oder sich schuldbewusst grämen – damit nimmt dieser Bub selbst die Hinterbliebenen seiner Opfer für sich ein. Betören, versprechen, drohen – damit schafft er sich Mitverschworene, die er nachher doch über die Klinge springen lässt. Shakespeares Stück ist auch ein Lehrstück über die Verführungskraft der Verstellungskunst, der Schauspielkunst. Katharina Knap ist dafür eine famose Besetzung, erfüllt diese Aufgabe mit einer faszinierend intensiven Ambivalenz. Wie überhaupt der auf acht Mimen in Mehrfachrollen reduzierte Abend an bemerkenswerten Spielleistungen reich ist. Stellvertretend seien genannt: Lukas Piloty als nassforscher Allround-Organisator Buckingham mit politischem Marketing-Talent; Tim Breyvogel u.a. in der Rolle des zynischen König Edward; Nicole Kersten als sich selbst zerfleischende Mutter der von Richard ermordeten Prinzen und Königinwitwe. Großes Schauspielertheater also, geboten auf einer Einheitsbühne (Michael Rütz), wie sie dreckiger hierorts wohl nie zu sehen war. Inmitten knöcheltief verschlammter Fläche ein Aluminiumpodest, darauf eine Tafel aus billigem weißem Balkonmobiliar. Die Akteure sitzen in der ersten Reihe des Zuschauerraumes, treten von dort nach Bedarf auf. Auftritt heißt allemal: Waten und wälzen im Schlamm, die Mitmenschen mit Dreck beschmeißen – sich und die Welt mit der Gier nach Macht und Pfründen besudeln. Eine offene Szene zwischen Spiel und Beobachtung desselben. Gewissermaßen die Illusion von der Desillusionierung des Theaters durch eine treffende Metapher auf die Realität. Sehr schmutzig, aber von durchaus stimmiger Wahrhaftigkeit. Andreas Pecht Infos: www.staatstheater-mainz.com (Erstabdruck 5. Februar 2010) |
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