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2010-02-25 Feature/Vorbericht:

Literaturtage Koblenz im 3. Jahr: Länger und größer, aber so hochkarätig und intensiv wie bisher
 


Koblenz ist auch 2010 wieder „ganzOhr“

 
ape. Koblenz. Gemeinhin wird hierzulande jede Unternehmung, die zwei oder drei Jahre hintereinander stattgefunden hat, in den Rang einer Traditionsveranstaltung erhoben. In diesem Sinne dürfen auch die Koblenzer Literaturtage schon als gute Tradition gelten, denn an diesem 7. März starten sie in ihren dritten Jahrgang (bis 21.3.). Die Traditionsmeierei mal beiseite gelassen und ernst gesprochen: Das Festival unter dem trefflichen Titel „Koblenz – ganzOhr“ ist in Wahrheit blutjung. Es hat   dennoch jene Versuchsphase zwischen Hoffen und Bangen bereits hinter sich, mit der bislang noch jede neue Veranstaltungsreihe zu schaffen hatte.


Wobei in diesem Fall das Anfangsproblem für die Macher ein eher angenehmes war. Deren bange Frage lautete nicht: Kriegen wir genug Publikum für unser Festival der Autorenlesungen mit Musik? Vielmehr standen die Koblenz-Touristik als Veranstalter und ihre literarische Fachpartnerin Ruth Duchstein von der Buchhandlung Reuffel gleich nach dem Start des Vorverkaufs im ersten Jahr 2008 vor dem Problem: Wie kriegen wir das enorme Interesse befriedigt? Denn die jeweils sieben Veranstaltungen der ersten beiden Jahrgänge von „ganzOhr“ waren im Nu ausverkauft. Das waren stolze 1300 Besucher pro Festival – doch der Bedarf lag spürbar höher.

Wie hoch das Publikumsinteresse tatsächlich ist, wird sich in diesem Jahr erweisen: Die Koblenzer Literaturtage sind von einer auf zwei Wochen und von sieben auf elf Veranstaltungen – teils in größeren Räumen –  ausgeweitet worden. Das Festival kann nun in summa 2500 Besucher fassen. Werden die auch kommen? Dem Vernehmen nach brummt der Vorverkauf. Sowohl Ruth Duchstein wie auch der bei der Koblenz-Touristik zuständige Tom Steinebach sind zuversichtlich, dass am Ende bei den meisten Lesungen sämtliche Stühle besetzt sein werden. Frage an die beiden, ob sie damals bei den Planungen fürs erste Jahr sicher waren, dass dieses neue und in seiner Art durchaus nicht alltägliche Festival so gut angenommen würde?

Antwort Duchstein: „Weil ich das literarisch interessierte Publikum am Mittelrhein gut kenne, hatte ich keinerlei Zweifel: Unser Konzept, Autorenlesungen mit atmosphärisch stimmiger Musik und einem schönen Gläschen Wein in passenden Räumen zu verbinden, wird prima funktionieren.“ Antwort Steinebach: „Ganz so sicher war ich nicht. In meinem Job weiß man, neue Veranstaltungsreihen sind immer ein Experiment. Trotzdem waren wir bei der Koblenz-Touristik der festen Überzeugung, dass es richtig ist, der Literatur im kulturellen Veranstaltungsspektrum unserer Stadt mit diesem Festival größeres Gewicht zu verleihen. Auch eine breitere Wirkung zu erzielen, als es die normalen Lesungen der Buchhandlungen können.“ Und Ruth Duchstein ergänzt: „Das Konzept des Festivals zielt ja nicht zuletzt auch auf Leute, die nicht zum traditionellen Kreis von Lesungsbesuchern in der Buchhandlung gehören.“

Wie sieht es aus, dieses Konzept? Von der Verbindung Autorenlesung/Musik/Wein/Räumlichkeit war schon die Rede. Den Wein liefern örtliche Weingüter. Die Musik organisiert der in  diesem Metier erfahrene Mann von der Koblenz-Touristik. Und zwar nach der Devise: „Der Literatur einen Teppich bereiten“. Soll heißen: Steinebach lässt sich von Themen, Rhythmen,  Kolorit des jeweils zur Rede stehenden literarischen Stoffes inspirieren und schaut dann, welche passenden Musiker er hinzuengagieren kann. Wenn heuer Martin Suter in Koblenz aus seinem neuen Roman „Der Koch“ liest, wird es zur Einstimmung und in der Pause Musik asiatischen Charakters geben, weil es sich beim Titelhelden des Buches um einen tamilischen Sternekoch handelt. Wenn das Autorenduo Klüpfel/Kobr an angemessenem Ort, nämlich im Koblenzer Polizeipräsidium, aus ihrem neuen Allgäu-Krimi lesen,  kommt Alpenjazz dazu.

Um das Kernstück von „ganzOhr“, die Autoren, kümmert sich Ruth Duchstein. Sie bringt aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Buchhändlerin und Organisatorin der Lesereihe im Hause Reuffel die notwendigen Kontakte zu Verlagen und ausgezeichnete Kenntnisse der Autorenszene mit – nebst besten Verbindungen zu hoffnungsvollen Newcomern wie zur etablierten Creme der literarischen Welt. Aus diesem Fundus schöpft das Festival ein Programm, das die ganze Bandbreite der Literatur-Genres auffächern will. Da erzählt der 71-jährige schweizer Altmeistes Urs Widmer im Ehrenbreitsteiner Coenen Palais vom Lebensreisebericht eines Greises, blickt der 49-jährige Gerhard Henschel in der KUFA auf (s)eine Jugend in den 1970ern, stellt  Martin Walsers Tochter Alissa im Görreshaus ihren ersten Roman vor.

Von den Romanen zu kürzeren Formen, aber nicht minder großer Literatur. Da streift Raoul Schrott im Stadttheater bei der ins Festival integrierten Literaturmatinee durch 4000 Jahre paradiesische Liebespoesie, spießen die Kolumnisten Harald Martenstein (bei Reuffel) und Axel Hacke (im Café Hahn) süffig-giftig-hintergündig das Profane und Allzumenschliche auf. Da zelebrieren Schauspielerin Andrea Sawatzki und Partner im Palais anhand einer E-Mail-Romanze die hohe Kunst der Hörbuchinterpretation, servieren Gemmel und Ferri im Ludwigmuseum abenteuerliche Mitmach-Geschichten für Kinder, tritt im Circus Maximus eine Elitetruppe von Poetry Slamern zum Wortkonzert an.

„Es geht uns nicht darum, große Hallen zu füllen, sondern darum, in ansprechender Atmosphäre die Sinne für die interessante Vielfalt der Literatur zu öffnen und zu schärfen“, erklärt Ruth Duchstein. Weshalb die Veranstaltungsräume so gewählt sind, dass eine gewisse Nähe des Publikums zu den Autoren gewahrt bleibt. Mit seinen rund 400 Plätzen ist das Stadttheater bereits der größte Raum des Festivals, gefolgt vom Palais mit 300. Die übrigen Locations sind noch kleiner. „Rhein-Mosel-Halle  ginge gar nicht, so ein großer Saal würde nicht zum Charakter unserer Veranstaltungen passen“, meint die Buchhändlerin. Tom Steinebach sieht das genauso: „Der Reiz an Lesungen ist doch, wenn der Autor seinen Text vorträgt, man ihn aus der Nähe hört, seiner Sprechinterpretation folgt und ihm dabei ins Gesicht schauen kann, dann entstehen noch ganz andere Dimensionen als bei der normalen Lektüre.“                                    Andreas Pecht

Infos: www.koblenz-ganzohr.de   


(Erstabdruck 8. Woche im Februar 2010)


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