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2010-03-18 Romankritik:

"Die Demütigung", neuer Roman von Philip Roth

 
Vom Zwang des Vergeblichen

 
ape. „Empörung“ hieß sein voriger Roman. „Die Demütigung“ ist der jetzt erschienene überschrieben. „Nemesis“ (ausgleichende Gerechtigkeit) soll der Titel des nächsten lauten. Der 77-jährige US-Autor Philip Roth schreibt an einer fünfteiligen Kurzromanreihe. Im ersten ging es um einen jüdischen Metzgerssohn, der sich in den 1950ern gegen die Sorge-Diktatur des Vaters empört, dann gegen die Zumutungen eines bigott-christlichen Internates. Der kommende dritte Roman wird eine große Epidemie zum Gegenstand haben.

 
Dazwischen nun also „Die Demütigung“. Dies Buch ließe sich leicht abtun als weiterer Erguss eines betagten Schriftstellers zum Thema: Alter Mann erlebt mit junger Frau späten Frühling. Kaum einer der  älteren Großliteraten ließ den Stoff aus. Bloß Altmännerfantasien? Der Verdacht liegt auch bei Roth nahe, denn was er in „Demütigung“ konstruiert, wirkt vorderhand ziemlich abstrus und geil

Dem mittsechziger Schauspieler Simon Axler schneit die gut 20 Jahre jüngere Tochter eines ehemaligen Kollegenpaares ins Haus und ins Bett. Doch diese Pegeen ist nicht einfach eine scharfe Braut: Sie ist seit Jahr und Tag lesbisch, will mit Axler einfach mal versuchen, ob sie auch anders kann. Sie kann. Und wie sie kann! Wie auch er kann –  trotz Alters, Rückenschmerzen und existenzieller Lebenskrise wegen unüberwindbarer Schauspiel-Blockade.

Drüber, drunter, vorwärts, rückwärts, mit oder ohne einschlägige Hilfsmittel, zu zweien und auch mal im Dreier. Philip Roth nimmt beim Sex wie seit jeher kein Blatt vor den Mund. Aber wie seit jeher landet er auch diesmal nicht im pornografischen Sumpf, sondern bei der Fleischeslust als Katalysator menschlichen Hoffens und Bangens.

Vom ersten Moment an weiß man, das kann nicht gut gehen zwischen dem krisengeschüttelten alten Schauspieler und der jüngeren Lesbe. Axler ist sich dessen selbst völlig bewusst. Aber es nützt dem Ertrinkenden nicht, zu wissen, dass der Strohhalm ihn nicht retten kann. Er wird dennoch verzweifelt danach greifen. Diese kreatürliche Vergeblichkeit ist es, worum es in dem Roman eigentlich geht.

Axler sieht in Pegeen seine Lebensretterin. Er spendiert ihr schicke Kleider, träumt von gemeinsamen Kindern, glaubt sogar wieder, seine Berufskrise überwinden zu können. Illusionen, die lebendig erhalten, die aber das Leben kosten, sobald sie platzen. Auf diesen Punkt treibt Roth seinen Roman in unerbittlicher Absehbarkeit rigoros zu.

Dabei lässt er kurz einige wenige Nebenfiguren auftauchen und wieder verschwinden, denen er Funktion zuteilt, aber sich nicht die Mühe macht, sie genauer zu zeichnen. Pegeens Eltern etwa, die an der Homosexualität ihrer Tochter stets zu kauen hatten, aber die jetzige Liaison mit dem alten Ex-Kollegen als noch viel schlimmer empfinden.

Das Ende: Pegeen verlässt ihn, kehrt in ihr natürliches Metier zurück. Für Axler ist das die finale Demütigung. Für den Leser ist es die unvermeidliche Konsequenz einer langen Reihe von Demütigungen, die der Mann sich zugefügt hat und wohl zufügen musste. Diesem zwingenden Prozess zu folgen, ist ein beunruhigendes Lektüreerlebnis. Andreas Pecht

Philip Roth: Die Demütigung. Hanser, 138 Seiten, 15,90 Euro    

 
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