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2010-03-21 Schauspielkritik:

Marina Carr
, "In Marmor": Deutschsprachige Erstaufführung in Bonn, Regie Klaus Weise

Ein Traum wider die Leere im Ehealltag


 
ape.  Zwei Ehepaare. Obere Mittelschicht, heutig. Die Männer beruflich eingespannt, erfolgreich. Die Frauen daheim, mit Kindern. Die Ehen gesetzt, solide, von Überraschungen frei. Der Gang der Dinge vom Jetzt zum Alter vorgezeichnet. Würde sich nicht ein Traum ins bürgerliche Zwei-Paare-Quartett einschleichen, das eben vom Schauspiel Bonn als deutschsprachige Erstaufführung herausgebrachte Stück „In Marmor“ der Irin Marina Carr könnte ausgehen: Und sie lebten zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.

 
So aber hat Art diesen Traum, von dem er seinem besten Freund Ben bei einem Männerabend mit Brandy und Zigarre erzählt: Er habe im Traum mit Bens Frau in einem Zimmer aus weißem Marmor fantastischen Sex gehabt. Es stellt sich heraus, dass Bens Frau Catherine den gleichen Traum hatte. Von diesem Moment an beginnt sich die bisherige Zufriedenheit beider Ehen als im Alltäglichen verborgene Lebenslüge zu offenbaren. Aus ist's mit Ruhe und vorgeblichem Eheglück.

130 Minuten braucht's in Klaus Weises Inszenierung, bis Catherines Wut wider die Sinnlosigkeit des Standard-Daseins in die Flucht aus dem Familienhort einmündet. Bis Art begreift, dass er vergeblich das wohlgeordnete Nichts seiner Ehe zu bewahren trachtet. Er verlässt sein Heim, seine Anne, seine Kinder. Catherine und Art widerlegen jenes Dogma, wonach sich Lebenssinn in familiärer Pflicht und Treue nebst dem Streben nach wohlfeiler Auspolsterung des Nestes erfüllt. Für beide gilt am Ende: Von hier geh ich nun und kann nicht anders.

Manfred Blößer hat den Godesberger Kammerspielen eine fast leere, neutrale Einheitsbühne gebaut. Welcher Ort das gerade sein soll, muss in jeder Szene neu erspielt werden: Wohnung des einen oder anderen Paares, Büro von Art und Ben, Bar. Weises Regie lässt die Räume ineinander fließen. Man telefoniert miteinander, und steht doch direkt nebeneinander. Ben spricht daheim mit Catherine, derweil geistern Art oder Anne durchs Zimmer... Örtliche Trennungen sind fadenscheinig, wo Gedanken und Gefühle sich ums Hier oder Dort nicht scheren.

Vier Menschen teilen das gleiche Schicksal, doch sie sind verschieden. Birthe Schrein ist als Catherine die Frau, die in ihrer Verzweiflung über das Leben zur zynischen Furie wird. Falilou Seck ist ein Ben, der nur eines will: Dass es wieder werde, wie es vorher war. Der Art von Yorck Dippe braucht eine Weile, bis seine naive Gelassenheit durchlässt, was er mit dem Traumgeständnis losgebrochen hat. Und Christine Schönfelds Anne wird wohl nie begreifen, wieso ihre Ehe zu Bruch ging, obwohl sie deren Zügel nach strengem Reglement entschlossen in Händen hielt.

Marina Carr hat dem Theater mit „In Marmor“ ein kleines Stück von großer Nachdenklichkeit geschenkt. Das prangert nicht Gut oder Böse an, sondern beobachtet, was geschieht, wenn der Trott des Alltäglichen zu geist- und gefühlloser Leere verklumpt. Klaus Weises Inszenierung verdichtet diesen Hinweis zu einem gleichermaßen leichten wie tiefen Kammerabend, aus dem man eine Menge Gesprächsstoff mitnehmen kann.          Andreas Pecht



Infos: www.theater-bonn.de


(Erstabdruck 22./23 März 2010)


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