Thema Kultur
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2010-05-28 Feature:

Aus „Mittelrhein Musik Momente“ wird „Mittelrhein Musik Festival“ – 15 Veranstaltungen im Juli und August
 


Zum 10. Geburtstag ein neuer Name

 
ape. Mittelrhein.  Kommt Ihnen das eine oder andere dieser Kürzel bekannt vor: MMF, MFW, RMF, SRP,  MMM? Falls nicht, machen Sie sich darob keinen Kummer. Denn die wie Aktenvermerke, Parteibezeichnungen oder Ortskennungen auf Nummernschilder wirkenden  Buchstabenkombinationen werden ohnehin außer Dienst gestellt. Zumindest, wenn es nach Frank Lefers geht, seit Februar Intendant des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie (bislang abgekürzt SRP) in Koblenz. Bei der Programmvorstellung fürs diesjährige „Mittelrhein Musik Festival“ machte der zugezogene Musikmanager keinen Hehl aus seiner Verwunderung über die in der hiesigen Gegend verbreitete Neigung zu obskuren Kürzeln. Also weg damit!

Eine weise Entscheidung, die gerade jetzt allerlei denkbaren Verwirrungen vorbeugt. Warum? Weil heuer in ihrem zehnten Jahr die bisherigen „Mittelrhein Musik Momente“ (MMM) in „Mittelrhein Musik Festival“ unbenannt wurden. Und weil schon im vergangenen Jahr gleich nebenan auch das größte rheinland-pfälzische Musikfestival seinen Namen von „Mosel Festwochen“ (MFW) in „Mosel Musik Festival“ geändert hatte. Sie erkennen die Krux? Würde man beim Kürzelgebrauch bleiben, so entfielen auf die Konzertreihen am Mittelrhein und an der Mosel dieselben Buchstaben: MMF.  Dem interessierten Beobachter bleibt freilich der Drang der Veranstalter zur Namensänderung etwas rätselhaft. Heißt es doch gewöhnlich in der Marketingbranche: Gut eingeführte und etablierte Markennamen soll man ohne Not nicht aufgeben.

Gewichtige Nachbarn an der Mosel und im Rheingau

Hermann Lewen – an der Mosel Chef über 60 Konzerte von Oberfell über Bernkastel und Trier bis Schengen – hatte die  Namensänderung für sein Festival sinngemäß so begründet: Die neue Bezeichnung „Mosel Musik Festival“ sei dem Aufstieg des Events in die Premiumklasse der europäischen Musikfestivals eher angemessen als es „Mosel Festwochen“ war. Ein Schelm, wer mutmaßt, Lewen wäre es beim Etikettenwechsel um gleiche Augenhöhe mit den beiden Klassik-Giganten im deutschen Sommerfestivalbetrieb zu tun: dem „Schleswig-Holstein Musik Festival“ und vor allem dem nahen Rheingau Musik Festival (früher auch mal RMF abgekürzt). Und nochmal Schelm, wer jetzt daran erinnert, dass der Rheingau zweieinhalb mal mehr Veranstaltungen aufbietet (154) als die Mosel und mit gewöhnlich rund 120 000 die sechsfache Besucherzahl anlockt. Bescheidenheit ist eine Zier, aber besser geht es ohne ihr, mag man sich an der Mosel denken.

Beim Mittelrhein Musik Festival ist sowieso alles ein paar Hausnummern kleiner. Weshalb auch die Begründung für den Namenswechsel bescheidener ausfällt: Der neue Name solle eine gewisse Neuorientierung im Zuge des jetzigen Führungswechsels dokumentieren sowie Verwechslungen mit der kulinarischen Reihe „Mittelrhein Momente“ vermeiden. Und nicht zuletzt: Mit dem heuer zehnten Jahrgang darf die im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal ansässige Konzertreihe schließlich als etabliertes Festival gelten und hat mit  provisorischer Momenthaftigkeit längst nichts mehr zu schaffen. Derart etwa lassen sich die Erklärungen von Frank Lefers und Ulrike Piel   verstehen. Muss man nicht, kann man aber so sehen. Am Ende gelten dem Kulturfreund ohnehin die alten Weisheiten: Namen sind nur Schall und Rauch; auf den Inhalt kommt es an.

Neues Leitungsduo musste ranklotzen

Lefers und Ulrike Piel sind das neue Leitungsduo des Festivals. Er ist erstmals dabei. Sie war schon Mitglied des vorherigen Leitungstrios zusammen mit Rainer Neumann und Frauke Bernds, die bekanntlich zum Jahreswechsel ihr Engagement in Koblenz beendet hatten. Der Übergang holperte ein bisschen. Lefers musste sich binnen weniger Wochen erstmal einen Überblick über Strukturen, Örtlichkeiten, Möglichkeiten des Festivals verschaffen. Wie oft bei solchen Neuanfängen, gab es auch hier hinter den Kulissen ein paar Irritationen, beispielsweise hinsichtlich Finanzen, Trägerschaft, Sponsoren, Kooperationspartnern. Leidlich spät kam dann doch alles in trockene Tücher – und hatte das neue Leitungsduo heftig zu tun, in kürzester Frist mit etwas abgespecktem Budget noch ein attraktives Festivalprogramm auf die Beine zu stellen.

15 Veranstaltungen in 15 verschiedenen Spielstätten zwischen St. Goar und Andernach sind es für die Jubiläumssaison 2010 dann doch noch geworden. Träger des Festivals ist wieder die Romantischer Rhein Tourismus GmbH, Beistand kommt vom Freundeskreis des Festivals, geldwerte Unterstützung von drei Dutzend Sponsoren und Partnern aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Das Programm schließt nahtlos an das vorrangig auf perlige Sommerunterhaltung  von Niveau abzielende Mixture-Konzept der Vorjahre an: ein bisschen ernsthafte Klassikmusik, ein bisschen Jazz und Schlager, ein bisschen Musik-Comedy/-Kabarett, ein bisschen Musik plus Literatur, ein paar Grenzgänge zwischen den Genres. Das alles stets mit Wein-Begleitung und in möglichst netten Locations.

Ursprung: Begleitmusik zum Welterbe-Antrag

Damit liegt das Mittelrhein Musik Festival im Trend. Denn auch die gewichtigen Nachbarn im Rheingau und an der Mosel haben während der mehr als 20 Jahre, die beide nun existieren, es aufgegeben, reine Festivals für klassische Musik sein zu wollen. Während der Sommerwochen darf, soll, muss halt alles ein bisschen leichter, luftiger, beschwingter sein. Das gilt für die Kleiderordnung wie für den Speiseplan oder die Arbeitsmoral. Wenn hiesige Gefilde tun, als habe Goethe sie gemeint mit seinem „Land, wo die Zitronen blüh’n“, dann gesellt selbst die hohe Kunst künstlerischer Tiefe bereitwillig ein Augenzwinkern bei. Bisweilen lässt sie sommers die Tiefe auch einfach weg und kapriziert sich vorübergehend auf den virtuosen Ausbau des Augenzwinkerns, sprich: der unterhaltsamen Musikkulinarik.

Nach zehn Jahren erinnert sich kaum noch jemand, zu welchem Zweck das Mittelrhein Festival 2001 von Joachim Hofmann-Göttig und Rainer Neumann aus der Taufe gehoben wurde. Es sollte quasi die Begleitmusik abgeben zum rheinland-pfälzischen Antrag bei der UNESCO, dem Mittelrheintal den Welterbestatus zu verleihen. Es sollte dazu beitragen, dass die Menschen, Dörfer, Städte dieser Region ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln: „Wir die Mittelrheiner und unser Musikfestival im Welterbegebiet“, oder so. Das Welterbe ist inzwischen da, mit dem Gemeinschaftsgefühl hüben und drüben, oben und unten am Rhein hapert es noch. Aber wie sollen zehn Jahre Musikfestival auch zusammenbringen, was sich über Jahrhunderte vor allem am eigenen Kirchturm orientierte. Also weiter im Takt, und munter die nächsten zehn Jahre nachgelegt – ob nun als „Momente“ oder „Festival“ ist mir vollkommen egal; Hauptsache gute „Mittelrhein Musik“.
                                                                                       Andreas Pecht

Infos: www.mittelrheinfestival.de               


(Erstabdruck 21. Woche Mai 2010)


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