Kritiken Theater
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2010-05-30 Ballettkritik:

"The Irin - Der Fluch des Engels": Dritter Ballettabend von Pascal Touzeau am Mainzer Staatstheater


19 Tänzer, ein Schauspieler und nichts als kryptischer Manierismus


 
ape. Mainz.  Die neue Produktion von Pascal Touzeau beim ballettmainz beginnt mit Irritationen und hinterlässt nach 70 Minuten völlige Ratslosigkeit bis hin zu Verärgerung. Sollte das der Zweck von „The Irin – Der Fluch des Engels“ gewesen sein, so wurde er erfüllt. Sollte der Ballettchef mit dieser dritten Arbeit in seinem ersten Jahr am Mainzer Staatstheater anderes im Sinn haben,so ist er gescheitert.

 
Die Art des Einlasses im Kleinen Haus ist Teil der Performance. Auf den Treppen des Foyers  verstricken sich Tänzer in allerlei Schnüre. In einer Blackbox lässt irgendein lichttechnischer Trick kleiner Abbilder eines im Dustern hinter Glas vage erkennbaren Realmenschen im Raum schweben. Zwischen Kasse und Kaffeebar laufen Videos; zu sehen sind: Schmetterlings-ähnliche Flatterstrukturen, sich ständig verändernde Menschenköpfe, ein schielender Hund.

Näher wird man an diesem Abend dem titelgebenden Bibelmythos von den Engeln, die mit Menschefrauen Monster zeugen, nicht kommen. Auch jene Zuschauer nicht, die durch die Unterwelt des Theaters per Bühnenaufzug zu ihren Plätzen an den Innenseiten der Bühne geleitet werden. Publikum drüben auf den Normalrängen und hüben am Rande des Spielraums. Doch keinem hilft die Aufteilung, das choreografierte Geschehen in der von sieben Straßenlaternen diffus erleuchteten Arena-Mitte besser zu begreifen (Bühne: Susanne Maier Staufen).

Gläsernen Halbkugeln am Boden entsteigen „Wesen“, gekleidet in schwarze Lendenschürzen; Fischschuppenstruktur, altäpyptischer Kriegerschnitt, archaisch. Sind das die  Ausgeburten aus dem angedeuteten Zeugungsakt Engel/Mensch im Foyer? Eine neue Spezies, die sich ihrer noch bewusst werden muss, Welt be-greifen, Sprache gewinnen?  Rätselhafte Pantomimen; zusammenhanglose Tanzsplitter; atemloses Wirbeln Einzelner gegen stillstehendes Sinnen kleiner Gruppen; schwarz geschminkte Hände hinterlassen Dreckspuren auf nackter Haut; Kreischübungen mit Urlauten....

Und mittendrin gibt Schauspieler Tim Breyvogel im Anzug den Beobachter, Denker, Leidenden, Gott oder was auch immer das sein soll – jedenfalls mit fetter Bedeutungsschwere am Rande des manierierten Wahnsinns. Uff, so viel Aufgesetztheit war lange nicht. Der Zuseher schaut und denkt,  grübelt und glotzt: Doch Erkenntnis will sich keine einstellen. Was beim Ballett so schlimm nicht wäre, gäbe es ordentlich Tanzkunst zu sehen; egal nach welcher Schule und Ästhetik.

Aber getanzt wird herzlich wenig an diesem Abend. Dem Wenigen ist immerhin anzusehen, dass die vor Jahresfrist  in aller Herren Länder zusammengekaufte Compagnie sich findet und schon allerhand zeigen könnte, wenn man sie ließe. Es wäre an der Zeit, mehrere sich andeutende Tänzerpersönlichkeiten zur Entfaltung kommen zu lassen, individuelle Ausstrahlungs-Ansätze zu entfesseln. Stattdessen werden sie eingebacken in choreografisch obskure Spiele kryptischer Botschafterei. Die erinnern irgendwie stets an Touzeaus Lehrmeister William Forsythe, kommen jedoch selbst in Punkto Absurdität über das Gewollt eines nachahmenden Eleven nicht hinaus.

Die beiden Höhepunkte des Abends: Eine Tänzerin intoniert Sätze in wunderbarem Bühnen-Deutsch, ein Tänzer spricht herrliches Shakespeare-Englisch. Was das Gesagte bedeutet, bleibt dunkel, aber wie es gesagt wird, ist schön. Zwei Minuten des Glücks. Das Übrige: Achselzucken – dazu die Hoffnung, Touzeau möge recht bald die tänzerischen Potenziale seiner  Compagnie erkennen und sinnig aufgreifen.                                                           Andreas Pecht


Infos: www.staatstheater-mainz.com


(Erstabdruck 31. Mai 2010)


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